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GUSTAV SCHÖNLEBEK, VON OSTENDE iKBMBÄxa.fflMeKXOTMÄKKKKKWMKMKMro»!««^

DER KARLSRUHER KÜENSTLERBUND

i N Karlsruhe ist es sehr spät, erst vor zwei
I Jahren, zu jener Spaltung gekommen,
, die nunmehr allerorten Künstlerschaft
wie Publikum in zwei gesonderte Lager
' scheidet. Da infolge der voraufgehenden
ähnlichen Vorgänge an anderen Orten
)der Blick für die Erfassung solcher Ver-
hältnisse bereits geschärft ist, läfst sich
_ ^ die Sachlage mit nahezu historischer
Objektivität überschauen. Zugleich aber bietet die Betrachtung
eines derartigen einzelnen Falles die Möglichkeit, manche
Irrthümer, die noch immer in Bezug auf die Beurteilung der
modernen Kunstbewegung herrschen, zu berichtigen.

Infolge der mannigfach verschlungenen Pfade, die die
Kunstentwickelung während der letzten Jahrzehnte ein-
geschlagen hat, und der vielen Wandlungen, die sie durch-
gemacht hat, ist der Glaube weit verbreitet, alle diese Ver-
suche hätten darauf abgezielt, eine neue Kunst zu schaffen;
da aber weder der Pleinairismus noch der Impressionismus
oder der Symbolismus sich die Alleinherrschaft erstritten,
auch keiner von ihnen die alten Kunstweisen zu nichte
gemacht hat, so wird daraus gefolgert, die Bewegung sei er-
gebnislos gewesen, sie werde mit der Zeit schon im Sande
verlaufen, eine Versöhnung zwischen den beiden Parteien
könne nicht ausbleiben und die widerspenstigen Künstler
würden zu den Krippen, die ihnen früher so gutes Futter ge-
boten, zurückkehren.

Die Betrachtung der Karlsruher Verhältnisse zeigt aber,
dafs diese Voraussetzung irrig ist. Von den Künstlern, die

den „Bund" —■ so heifst die dortige Sezession — bilden,
huldigt nur der geringste Teil einer ausgesprochen modernen
Malweise; die übrigen aber, namentlich die Führer der Be-
wegung, Kalckreuth, Schönleber, Kalimorgen, Pötzelberger,
Grethe, zeigen durchaus keine Absonderlichkeiten in ihrer
Vortragsweise, malen also weder in jener patzigen Art
noch mit jenen kreidigen Farben oder in jener Unbestimmt-
heit der Umrisse, die vor Jahren wohl ziemlich allgemein
verbreitet waren und beim Publikum so grofsen Anstofs
erregten, jetzt aber als Uebertreibungen erkannt worden sind
und demgemäfs gemieden werden. Was diese Künstler von
den Vertretern der älteren Kunstrichtung scheidet, ist etwas
ganz anderes.

Nicht um eine neue Kunst handelt es sich, wie Carl
Neumann in seinem höchst verdienstlichen Buche sich aus-
gedrückt hatte, sondern um einen neuen Geschmack, der mit
dieser oder jener bestimmten Malweise nichts zu thun hat,
das Alte keineswegs ausschliesst, wohl aber ganz andere
Forderungen an die Kunstwerke stellt und andere Seiten bei
ihnen betont, als die unmittelbare Vergangenheit, als jene
nun zu Ende gehende Zeit, die von der Zukunft als das
charakterlose io. Jahrhundert bezeichnet werden dürfte. Da
es sich bei dieser Bewegung um Einflüsse allgemeiner Natur
handelt, die eben so auch auf dem Gebiete der Litteratur
der Musik, überhaupt des Geisteslebens zu Tage treten, so
liegt es gar nicht in der Hand der Künstler, sich dieser oder

jener Partei aus bewufster Ueberlegung anzuschliefsen __

die dies thun sind Geschäftsleute aber keine Künstler __

sondern sie müssen ihre Sache entweder durchführen oder

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