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Betreiben namentlich der beiden letztgenannten dorthin
berufen worden war. Schönleber, gewissermafsen der Veteran
unter diesen Künstlern, zeichnet sich durch sein offenes und ver-
ständnisvolles Auge selbst für das Neueste auf dem Gebiete
der Kunst aus. Weishaupt hat nur kurze Zeit dem Bunde
angehört und ist dann ausgetreten. Vorsitzender des Bundes
war bis jetzt der Landschafts- und Genremaler Kallmorgen,
der erst Schüler von Schönleber war und durch seine ge-
schäftliche Erfahrung den eigentlichen Führer der Bewegung
bildet. — Eine Gruppe für sich stellt die sogenannte
GrötzingerKolonie dar, aus Kampmann, Hein, Fikentscheru. a.
bestehend. Kalimorgen im Verein mit den Grötzingern und
andern Künstlern hatte schon lange den Bund vorbereitet,
ehe Weishaupt und Kalckreuth kamen. Denn von Anbeginn
an hat er für die Freiheit der künstlerischen Bestrebungen
gewirkt.

Auf der anderen Seite steht die Genossenschaft, deren
geistiger Leiter Ferdinand v. Keller in Karlsruhe ungefähr die
gleiche Diktatorenstellung einnimmt, wie Lenbachin München
und Werner in Berlin. Um diesen Künstler scharen sich die
Professoren Tenner, Marine- und Landschaftsmaler und
Sekretär der Akademie, Caspar Ritter, Bildnismaler, und
Schurth, neuerlich auch Weishaupt; weiterhin der Bildhauer
Heer, der zahlreiche Bauten Durms mit plastischem Schmuck
versehen hat. Rechnen wir Durm selbst und den Direktor
der Kunstgewerbeschule Götz noch hinzu, so haben wir alle
jene Elemente beisammen, die gleich einem grofsen Teile
des Publikums es nicht verschmerzen können, dafs es mit
dem gewohnten Kunstbetriebe aus sein soll und dafs eine
junge Generation für sich das Recht fordert, zu leben und
zu schaffen, wie die Ueberzeugung sie treibt.

Der Bund, dem von jüngeren Künstlern noch Weifs,
Wulf, Gattiker, Gamper, Haueisen, Daur, ferner die Schüler
Schönlebers Volkmann, Hoch, Conz (jetzt Schüler Kalck-
reuths), Descoudres
jun. und andere an-
gehören, hat sich auf
den auswärtigen Aus-
stellungen der letzten
Jahre durch eine ge-
wählte Vorführung
von Werken seiner
Mitglieder einen ge-
achteten Namen er-
worben und bietet
durch wohlgelungene
Veröffentlichungen
von Radierungen und
Lithographien diesen
Mitgliedern Gelegen-
heit, sich auch auf
den Nebengebieten

der künstlerichen
Hervorbringung zu
erproben und dadurch
in immer weiteren
Kreisen bekannt zu
werden. Der Maler-
lithograph Langhein
ist als Assistent des

GRAF VON KALCKREUTH, BAUERNHOF, SKIZZE !»!«KOKtW!«!«l»!«K«eOKTOS«eWeoSC^^

Grafen Kalckreuth für das Lithographieren angestellt und so-
mit der Akademie angegliedert; seine Druckerei aber, welche
in den Besitz der Braunschen Hof buchhandlung übergegangen
ist, ist unter seiner Leitung weiterhin für den Künstlerbund
thätig. Die Unruhe, die sich bei gespannten Verhältnissen
wie den gegenwärtigen einer ganzen Künstlerschaft be-
mächtigt, ist freilich für eine gedeihliche Wirksamkeit nicht
günstig; unmittelbares Eingreifen seitens des Staats ist aber
unter solchen Umständen keineswegs rätlich: die Zustände
müssen sich ausleben, die Leistung ist es schliefslich, die die
Entscheidung herbeiführt; daher mufs namentlich gewünscht
werden, dafs die Künstler vor Aufgaben gestellt werden, an
denen sie ihre Kräfte üben und bewähren können. Unter
solchen Aufgaben stehen immer diejenigen monumentaler
Natur in erster Reihe, ohne dafs bisher in Deutschland —
mit alleiniger Ausnahme der Malereien Eduard vonGebhardts

und seiner Schüler im Kloster Lokkum bei Hannover__der

Versuch gemacht worden wäre, auf diesem Gebiete die von
der Zeit dringend geforderten neuen Bahnen zu betreten, statt
ewig auf Raphael und der Antike herumzureiten. Nur auf
dem Wege einer solchen Erneuerung der Kunst im Sinne
unserer Zeit läfst sich aber eine Schule von wirklicher Kraft
und dauerndem Bestände begründen und unabhängig von den
Wünschen eines Publikums erhalten, in welchem die Freude
an einer lebendigen Kunst erst noch geweckt werden mufs.
Besonders schwierig gestaltet sich freilich in Zeiten solchen
Umschwungs die Stellung für den Staat, nicht für die Re-
gierung allein, sondern auch für die Landesvertretung. Seit-
dem der Staat nach dem Vorbilde Frankreichs allerorten, im
beschränktesten Umfange noch in England, die Leitung der
Kunstangelegenheiten in seine Hand genommen hat, sieht
er sich oft gegen seine eigene Neigung genötigt, Be-
strebungen, die seinen Vertretern unsympathisch und unver-
ständlich sind, nicht nur zu dulden, sondern sogar zu unter-
stützen; und da er
wohl fühlt, dafs er
hierbei im wesentli-
chen der natürlichen

Entwickelung der
Dinge ihren Lauf
lassen mufs, weil ihm
die Organe zum ei-
genen Eingreifen zu-
meistfehlen, so bleibt

ihm gewöhnlich
nichts anderes übrig,
als zwischen den ein-
ander bekämpfenden
Parteien zu tempe-
rieren. Undankbar ist
dies Geschäft, aber
der Weg ist der ein-
zige, der mit Erfolg
begangen werden
kann. Der Streit ist
schliefslich unter den
Künstlern selbst aus-
zufechten. Ob dabei
an dem einen Ort
den Bestrebungen der

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