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PETER BECKER, ALTFRANKFURT K«CM««K«««M4WOOMt»«»^

FRANKFURTER KUNST

I. ANTON BURGER

, IE Stadt Frankfurt trägt, wie sie heute
besteht, ein doppeltes Angesicht. Das
eine zeigt, nach aufsen gerichtet, die
Züge der modernen Grofsstadt, das
andere weist, nach innen gekehrt, das
Bild der alten Reichsstadt auf, die, leid-
lich konserviert, sich neben und unter

________ allem neueren Zuwachs erhalten hat.

"Wenn man vom „alten Frankfurt" spricht, so denkt man
dabei vor allem an das nach Stammesart und altüberlieferter
Sitte eng in sich geschlossene Gemeinwesen, wie es auf
dem Boden eben jener Altstadt, dauerhafter als die For-
men der früheren staatlichen Verfassung, heute nicht viel
anders, als vordem besteht, sehr weit entfernt von allen grofs-
städtischen Allüren, aber doch nicht unberührt von jener weit-
offenen und heiteren Lebensart, wie sie nicht weit davon am
Rhein zu Hause ist und voll des Selbstbewufstseins, das einer
Stadt, die Jahrhunderte lang den Vorrang im Reiche behauptet
hat, wohl zukommt.

Es kann nicht Wunder nehmen, wenn ein mit indivi-
duellen Zügen so wohl ausgestattetes Sonderleben, wie es
hier zu Hause ist, auch seinen eigenen künstlerischen Ausdruck
gefunden hat. Thatsächlich besteht in Frankfurt eine, wenn
man so sagen darf, lokale Schule, die nicht viel anders als es
vordem etwa im alten Holland vielfach vorgekommen ist,
dem heimatlichen Boden mit einer ganz bestimmten Aus-
schliefslichkeit Antrieb und Stoff ihres Schaffens entnimmt.
Fragt man nach dem Künstler, in dem sich ihre Tradition
heute am sichtbarsten verkörpert, so wird man von jedem
Frankfurter nur Einen Namen hören, Anton Burger, einen
Namen, für den jeder Einheimische eine gewisse Verehrung
besitzt, der aber auch draufsen im Reiche zum mindesten

unter solchen Kunstfreunden seinen guten Klang hat, die das
Wertvolle an jedem Orte und in jeder Form zu finden wissen.
Allerdings, populär ist Burger nur in Frankfurt, hier aber ist er
es in vollem Mafse. Niemand, der nicht von ihm wüfste, kein
Haus unter denen, die „es können", dessen Räume nicht auch
ein „Burger" zierte. Dieser Künstler konnte ja auch nirgends
ein dankbareres Publikum finden, als unter einer Bevölkerung,
für die alles, was er an Oertlichkeiten und Begebenheiten je
gemalt hat, den Reiz des heimatlich Gewohnten und Ver-
trauten besitzt. Aufgewachsen in der malerischen Altstadt
von Frankfurt hat Burger eigentlich nie an etwas anderem
dauernd Gefallen gefunden, als an dem Idyll des kleinbürger-
lichen und später des ländlichen Lebens im Innern und draufsen
vor den Thoren der Stadt, in deren originalen Typus er sich
wie wenig andere hineingelebt hat.

Niemand hat ihn dazu angeleitet. Der natürliche Instinkt
der künstlerischen Begabung liefs ihn von selbst den Weg
finden, für den er geschaffen war. Nur einmal im Anfang
seiner Lauf bahn war er, vielleicht fremder Eingebung folgend,
auf falscher Fährte. Damals — es war im Beginn der vier-
ziger Jahre — stand Veit an der Spitze des Städelschen In-
stituts und die durch ihn vertretene romantische Richtung
war tonangebend in Frankfurt. In Veits Atelier beschäftigte
sich Burger als junger Kunstschüler eine Zeit lang, gleich
Anderen, mit „heiligen" Gegenständen. Aber die Werke seiner
Hände zeugten gegen ihn. Das Bildchen eines Tüncher-
gesellen, den er eines Tages nebenbei gemalt hatte, wie er
die Stubendecke streicht und den Boden mit Farbe einspritzt,
fand bei allen, die es sahen, ungleich gröfseren Beifall, als
jene anderen Historien vorher. Auch Veit, der das Werk
zu sehen bekam, hatte sein Gefallen daran und als ein Mann
von feiner Bildung und auch praktischem Verstände, wie er

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