war, sagte er zu dem Schüler: „Auf dem Wege bleiben Sie.
Und wenn ich Ihnen raten soll, gehen Sie nach München,
dort finden Sie mehr als hier, was zu Ihrer Vervollkommnung
dient." Der Erfolg gab dem Meister Recht.
Lange litt es den jungen Künstler freilich nicht in Mün-
chen. Die Anhänglichkeit an die Heimat erwies sich bei
ihm stärker als jede andere Anziehungskraft, damals und so
auch späterhin zu wiederholten Malen, wenn es ihn vorüber-
gehend in die Ferne zog. Gern gelitten, wo er hinkam, hätte
er es auch in der Fremde wagen können, sein Glück zu ver-
suchen ; in Paris, wo er in den fünfziger Jahren weilte und
u. a. mit Courbet in freundschaftliche Beziehungen trat,
winkte sogar eine aussichtsvolle Zukunft. Er aber blieb da-
heim und blieb endgültig, nachdem er sich — es war um
das Jahr 1859 — in Cronberg unweit Frankfurt auf dem
Lande angesiedelt hatte, wovon weiter unten die Rede sein
wird. Er hing eben nicht nur mit dem Herzen an der Frank-
furter Heimat, auch die Wurzeln seiner Lebens- und Schaffens-
kraft lagen hier. Hier in den kleinen Gassen, in denen die
nach Landesbrauch mit Schiefer verkleideten und häufig mit
bunten Blumenfenstern geschmückten Giebelhäuser in behag-
licher Enge nebeneinanderstehen, in den Winkeln, Durch-
gängen und Höfen, in denen ein kundiges Auge noch man-
chen Rest von schöner alter Renaissance- und Barock-Archi-
tektur zu finden weifs, da war seine Welt. Von da stand,
ward es ihm drinnen zu eng, der Weg offen ins weite Land,
vorbei an altertümlichen Mauern und Türmen, hinaus in
die fruchtbare Ebene und weiter hinaus in das anmutige
Waldgebirge, das mit seinen Jagdgründen, seinen malerischen
Dörfern und seinen stattlichen, von Burgen gekrönten Gipfeln
nördlich des Maines zum Rheinthal hinüberleitet. Hier
ANTON BURGER, MOTIV AUS DEM TAUNUS &JV2ZG<ZGWl<!&CG<!®2G*ZQ£QW2V2ZGVQ&i<!®Vl<y?Qi>Sl
war dem Künstler nicht nur das Land, auch die Bewohner
waren ihm alte Bekannte von Jugend auf: der städtische
Bürger, Handwerker oder Handelsmann wie der Jäger, der
Bauer, der Tagelöhner. Er hätte lohnendere Studienplätze
finden können: damals war es ja, dafs die trachtenreichen
Gegenden in Oberhessen, Baden und Württemberg von den
Malern entdeckt und ausgebeutet zu werden anfingen, aber
Burger schloss sich da nicht an. Für das was er wollte,
fand er und findet er noch zu Hause genug, ja nur dort das
Rechte, denn was ihm auch als Künstler in den Wurf kom-
men mag: „es muss auf der Scholle gewachsen sein", das ist
seine erste Bedingung. So kommt es denn auch, dafs seine
Bilder, nicht genug der persönlichen Anschauung, die sie
enthalten, immer auch ein Stück persönlichen Erlebens und
Mitlebens offenbaren, ein Stück vom eigenen Selbst, das er
hineinlegt. Eben deshalb sind sie auch nicht nur das Ab-
bild, sie sind, was ungleich mehr ist, die Charakteristik
der natürlichen Erscheinung, und sie sind es in einem ganz
seltenen Mafse. Seine Bilder fallen aus der landläufigen Genre-
malerei ungefähr so stark heraus, wie etwa die Bilder des
alten Bauern-Brueghel od Brouwers über der gewöhnlichen
Sittenmalerei ihrer Zeit stehen durch die Fülle einer immer
neuen lebendigen Beobachtung und durch die Reife des Ur-
teils, das sich damit verbindet. Und mehr noch, ja eine ihrer
gröfsten Eigenschaften hat Burger mit jenen älteren Meistern
des Sittenbildes gemein: die Stärke eines unerschöpflichen
Humors. Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant,
daran zu erinnern, dafs in der Zeit, in der Burger anfing, sich
in der Frankfurter Kunstwelt einen Namen zu machen, der
bekannte Advokat und spätere Bundestags-Gesandte Detmold
— derselbe, der sich durch seine „Anleitung zur Kunst-
kennerschaft" und ähnliche Schriften den Rang eines Klassikers
der neueren humoristischen Litteratur verdient hat — dafs
Detmold damals an Burger, dem er auch verschiedene Auf-
träge gab, ein ganz besonderes Gefallen fand. Von der litte-
rarischen Richtung dieses Gönners weicht Burger übrigens
als Maler darin ab, dafs er nie zum Satiriker wird. Es ist ein
harmloser und gutgemeinter Scherz, den er treibt, wenn er
die kleinen Trödler der Judengasse, die redegewandten Höker-
frauen an der „Schirm" oder auf dem Römerberg oder die
Bauern der Taunusdörfer in ihren noblen Passionen auf der
Jagd, beim Trunk und beim Spiel in der vollendeten Komik un-
bewachter Augenblicke zu fassen weifs, und es ist nicht so-
wohl das Gewöhnliche und Niedrige der Menschennatur,
dessen Anblick ihn dabei verweilen läfst, als vielmehr das psy-
chologische Problem solcher Erscheinungen. Und wie denn,
um mit David Friedrich Straufs zu reden, „die tiefste Psy-
chologie zugleich höchste Poesie ist", so findet der Künstler
auch nicht selten unmittelbar von da den Weg hinüber zu tief
gemütvollen Schöpfungen, deren er in gleich hohem Grade
Meister ist. Auch dann hält er sich gerne an die Gesellschaft
der kleinen Leute oder er vermeidet es wenigstens, mit den
Grofsen dieser Welt in Berührung zu kommen. Die Töne
des einfachsten menschlichen Empfindens liegen ihm am besten
und nichts vermöchte sie auch überzeugender zum Ausdruck
zu bringen, als die Echtheit und Schlichtheit der Stimmung,
die er in solche Bilder hineinlegt. Den bescheidenen reben-
umrankten Söller des Hinterhauses oder das ärmliche Obdach
des Austrag-Stübls meint man durchleuchte die Sonne noch
einmal so schön, wenn Burger sie hineinmalt.
C 240 ö
Und wenn ich Ihnen raten soll, gehen Sie nach München,
dort finden Sie mehr als hier, was zu Ihrer Vervollkommnung
dient." Der Erfolg gab dem Meister Recht.
Lange litt es den jungen Künstler freilich nicht in Mün-
chen. Die Anhänglichkeit an die Heimat erwies sich bei
ihm stärker als jede andere Anziehungskraft, damals und so
auch späterhin zu wiederholten Malen, wenn es ihn vorüber-
gehend in die Ferne zog. Gern gelitten, wo er hinkam, hätte
er es auch in der Fremde wagen können, sein Glück zu ver-
suchen ; in Paris, wo er in den fünfziger Jahren weilte und
u. a. mit Courbet in freundschaftliche Beziehungen trat,
winkte sogar eine aussichtsvolle Zukunft. Er aber blieb da-
heim und blieb endgültig, nachdem er sich — es war um
das Jahr 1859 — in Cronberg unweit Frankfurt auf dem
Lande angesiedelt hatte, wovon weiter unten die Rede sein
wird. Er hing eben nicht nur mit dem Herzen an der Frank-
furter Heimat, auch die Wurzeln seiner Lebens- und Schaffens-
kraft lagen hier. Hier in den kleinen Gassen, in denen die
nach Landesbrauch mit Schiefer verkleideten und häufig mit
bunten Blumenfenstern geschmückten Giebelhäuser in behag-
licher Enge nebeneinanderstehen, in den Winkeln, Durch-
gängen und Höfen, in denen ein kundiges Auge noch man-
chen Rest von schöner alter Renaissance- und Barock-Archi-
tektur zu finden weifs, da war seine Welt. Von da stand,
ward es ihm drinnen zu eng, der Weg offen ins weite Land,
vorbei an altertümlichen Mauern und Türmen, hinaus in
die fruchtbare Ebene und weiter hinaus in das anmutige
Waldgebirge, das mit seinen Jagdgründen, seinen malerischen
Dörfern und seinen stattlichen, von Burgen gekrönten Gipfeln
nördlich des Maines zum Rheinthal hinüberleitet. Hier
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waren ihm alte Bekannte von Jugend auf: der städtische
Bürger, Handwerker oder Handelsmann wie der Jäger, der
Bauer, der Tagelöhner. Er hätte lohnendere Studienplätze
finden können: damals war es ja, dafs die trachtenreichen
Gegenden in Oberhessen, Baden und Württemberg von den
Malern entdeckt und ausgebeutet zu werden anfingen, aber
Burger schloss sich da nicht an. Für das was er wollte,
fand er und findet er noch zu Hause genug, ja nur dort das
Rechte, denn was ihm auch als Künstler in den Wurf kom-
men mag: „es muss auf der Scholle gewachsen sein", das ist
seine erste Bedingung. So kommt es denn auch, dafs seine
Bilder, nicht genug der persönlichen Anschauung, die sie
enthalten, immer auch ein Stück persönlichen Erlebens und
Mitlebens offenbaren, ein Stück vom eigenen Selbst, das er
hineinlegt. Eben deshalb sind sie auch nicht nur das Ab-
bild, sie sind, was ungleich mehr ist, die Charakteristik
der natürlichen Erscheinung, und sie sind es in einem ganz
seltenen Mafse. Seine Bilder fallen aus der landläufigen Genre-
malerei ungefähr so stark heraus, wie etwa die Bilder des
alten Bauern-Brueghel od Brouwers über der gewöhnlichen
Sittenmalerei ihrer Zeit stehen durch die Fülle einer immer
neuen lebendigen Beobachtung und durch die Reife des Ur-
teils, das sich damit verbindet. Und mehr noch, ja eine ihrer
gröfsten Eigenschaften hat Burger mit jenen älteren Meistern
des Sittenbildes gemein: die Stärke eines unerschöpflichen
Humors. Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant,
daran zu erinnern, dafs in der Zeit, in der Burger anfing, sich
in der Frankfurter Kunstwelt einen Namen zu machen, der
bekannte Advokat und spätere Bundestags-Gesandte Detmold
— derselbe, der sich durch seine „Anleitung zur Kunst-
kennerschaft" und ähnliche Schriften den Rang eines Klassikers
der neueren humoristischen Litteratur verdient hat — dafs
Detmold damals an Burger, dem er auch verschiedene Auf-
träge gab, ein ganz besonderes Gefallen fand. Von der litte-
rarischen Richtung dieses Gönners weicht Burger übrigens
als Maler darin ab, dafs er nie zum Satiriker wird. Es ist ein
harmloser und gutgemeinter Scherz, den er treibt, wenn er
die kleinen Trödler der Judengasse, die redegewandten Höker-
frauen an der „Schirm" oder auf dem Römerberg oder die
Bauern der Taunusdörfer in ihren noblen Passionen auf der
Jagd, beim Trunk und beim Spiel in der vollendeten Komik un-
bewachter Augenblicke zu fassen weifs, und es ist nicht so-
wohl das Gewöhnliche und Niedrige der Menschennatur,
dessen Anblick ihn dabei verweilen läfst, als vielmehr das psy-
chologische Problem solcher Erscheinungen. Und wie denn,
um mit David Friedrich Straufs zu reden, „die tiefste Psy-
chologie zugleich höchste Poesie ist", so findet der Künstler
auch nicht selten unmittelbar von da den Weg hinüber zu tief
gemütvollen Schöpfungen, deren er in gleich hohem Grade
Meister ist. Auch dann hält er sich gerne an die Gesellschaft
der kleinen Leute oder er vermeidet es wenigstens, mit den
Grofsen dieser Welt in Berührung zu kommen. Die Töne
des einfachsten menschlichen Empfindens liegen ihm am besten
und nichts vermöchte sie auch überzeugender zum Ausdruck
zu bringen, als die Echtheit und Schlichtheit der Stimmung,
die er in solche Bilder hineinlegt. Den bescheidenen reben-
umrankten Söller des Hinterhauses oder das ärmliche Obdach
des Austrag-Stübls meint man durchleuchte die Sonne noch
einmal so schön, wenn Burger sie hineinmalt.
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