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ARNOLD BÖCKLIN, SKIZZE ZU CHOLERA

ARNOLD BOEKLINS SKIZZEN

ER Besitzer des Hauses, in dem
Böcklin in Florenz während der
achtziger Jahre eine Reihe seiner
gefeiertsten Werke schuf, war selbst
Maler und hatte sich einmal eine
Leinwand erworben und auch schon
braun grundiert, die ihm für seine
Blumenstücke dann doch zu grofs
schien; er fragte deshalb eines Tages
seinen Mieter, ob er nicht für diese eine Verwendung habe,
Böcklin willigte ein und wie öfters, an einem Sonntag, als
alles um ihn stille war, begann er auf dieser Leinwand ein
neues Bild. Mit farblosem Wasser skizzierte er auf dem
dunklen Grunde vor den Augen eines erstaunenden Schülers
das Spiel der Wellen der Neuen Pinakothek in München,
eine Komposition, die vordem noch Niemand aus einer
Vorarbeit geahnt hatte. Als die Hauptlinien feststanden,
das Wasser aufzutrocknen und das Bild wieder zu erlöschen
begann, wurde mit Kreide den nassen Strichen und den auf-
getrockneten Rändern die diese hinterlassen hatten, nach-
gefahren und von neuem erstand die Komposition. Nach
siebzehn Tagen soll dann diese grofsartige Meeresnovelle
fertig gewesen sein, die allein durch den Zauber, mit dem
das Wasser gemalt ist, so viele von den Verächtern des
Künstlers bekehrt hat.

Nicht immer aber entstanden Bücklins Meisterwerke so,
wie von einem Gott geschaffen aus dem Nichts im Spiel und
auf dem Wege vom ersten Aufleuchten der Vorstellung bis

zum letzten Ausdruck des Schöpferwillens haben sich oft-
mals Entwürfe über Entwürfe, Skizzen über Skizzen gelagert,
sind Gemälde entstanden und wieder verworfen worden,
und Meisterwerke gekommen, die von einer letzten Lösung
wieder überholt wurden. So läfst sich auch bei Böcklin
verfolgen, wie seine Werke entstanden sind, und ahnen, aus
welchen Quellen sie flössen.

Schon der Vergleich späterer Schöpfungen mit ähnlichen
früheren giebt einen Fingerzeig. Der Künstler hat sehr oft
auf frühere Probleme zurückgegriffen. Stets bringt da die
spätere Lösung den unmittelbareren Ausdruck der Stimmung.
Der Frühlingstag der Nationalgalerie ist eine grofsartigere
Neugestaltung des Liebesfrühlings in der Schackgalerie.
Schon dort der blumenübersäte Wiesengrund mit Liebespaar
und Kindern, links hinten auf ansteigendem Boden die Villa,
rechts eine Baumallee, die sich in den Vordergrund herein-
zieht und über allem eine Schar weifser Wölkchen, die sich
nach hinten zum Horizont herniedersenkt. Blütenpracht und
Amoretten, schimmernde Blätter und bunte Gewänder er-
zählten dort von den Herrlichkeiten des Frühlings. Jetzt aber
treten alle diese freundlichen Begleiter des Lenzes zurück;
vereinfacht ist Farbe und Silhouette; stärker sind die Gegen-
sätze, die die Ferne zurücktreiben; weiter dehnt der Raum
sich nach allen Seiten und alles vereinigt sich zu dem Ein-
druck Frühlingsluft.

Die Burg, die auf steiler Felsküste weit ins unendliche
Meer hinausragt und von Bewohnern feindlicher Küsten
überfallen wird, kehrt viermal wieder, immer deutlicher ver-

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