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nimmt man die Winde und Wogen, die die Küste um-
drohen, immer gigantischer steigen die schützenden Felsen
und Mauern der Burg vor uns auf und immer dramatischer
wird der Ueberfall geschildert. Erst ist die Küste von links
nach rechts über das Gemälde ausgebreitet und läfst uns nur
einen kleinen Ausblick auf Meer und steigende Wogen, dann
ziehen sich die Felsen schief in den Hintergrund, endlich steht
die Burg in der Tiefe, nur durch eine hohe Brücke gegen vorne
mit dem Land verbunden, zu beiden Seiten sieht man in das
Meer hinaus und auf den schäumenden Wogen des Vorder-
grundes harren die Boote, zu denen die Beute herabgetragen
wird.

Freilich hat sich da, wo der Künstler nach Jahren wieder
auf dasselbe Motiv zurückkommt mit dem höheren Alter
und mit der veränderten Umgebung auch die Stimmung
nicht blofs der Ausdruck verändert. Deutlicher läfst sich
deshalb die Entwicklung eines Motives verfolgen da, wo
in rascher Folge eine Wiederholung nach der anderen in
die Welt hinausgeht, wie bei der vielbegehrten Toteninsel.
Immer höher steigen da die senkrechten Felswände, näher
tritt die Insel heran, man glaubt zuletzt die Ruderschläge
wiederhallen zu hören, die das Totenschiff dem Friedhof
zuführen. In dem ersten Gemälde ragen die Cypressen
über die Felsen heraus und bilden mit diesen zusammen
eine pyramidale Gruppe.

Die Vorstufen zu Gemäl-
den, denen Böcklin selbst keine
eigene Bedeutung beimafs,
hat er öfters vernichtet, wie
man Konzepte vernichtet, in
die man niemand gerne einen
Einblick gestattet. Doch sind
flüchtig mit Feder oder Pinsel
hingeworfene Skizzen zu sei-
nen Kompositionen von Be-
kannten und Freunden ge-
rettet worden, auch sind Ent-
würfe, auf Holz oder auf
Papier mit Farbe ausgeführt,
erhalten, die der Künstler Be-
stellern zur Probe eingesandt.
Auch hier ist die Skizze nie,
wie dies bei einem Holbein
der Fall ist, der frischere
Ausdruck dessen, was der
Künstler uns zu sagen hat.
Bei Böcklin galt es nicht die
„Skizze zu bewahren", erst
das Bild enthält den vollen
Gehalt der Stimmung, erst
sie den Grad der Eigenart und
Kraft, die dem Kunstver-
mögen entspricht, welches er
bis dahin erreicht hat, erst
sie jene Eigenschaften, die zu
Widerspruch und Begeiste-
rung hinreifsen.

Der Entwurf zu den Ge-
filden der Seligen, den Böcklin
einst der Direktion der Na-

ARNOLD BÖCKLIN, SKIZZE ZU CHOLERA

tionalgalerie eingesandt hat, sieht aus wie die Schöpfung
einer früheren Entwicklungsstufe, obwohl die Verteilung
der Massen im Raum und die Anordnung der Figuren fast
bis in alle Einzelheiten schon die gleiche ist, wie in dem
ausgeführten Gemälde. Die Stimmung ist liebenswürdiger.
Felsen und Gebüsch bewegen sich noch in weicheren Linien,
selbst die Schwäne haben noch nicht jene geraden Hälse, die
so viel Entrüstung hervorgerufen haben, noch nichts von
jenen kräftigen senkrechten und wagerechten Linien, welche
die bewegte Silhouette des sehnsüchtig nach den Gefilden
der Seligen hinübersehenden Weibes heben, noch nichts von
jenen Farbenkontrasten des Vordergrundes, welche den Zauber
jenes Ausblicks in die Tiefe erst ermöglichen.

Die Skizze auf Tafel vor Seite 5 zu dem Gemälde, das
unter dem Titel Frühlingslieder in Bd. II des Böcklinwerkes
wiedergegeben ist, liefse ein Bild vermuten, auf dem fast wie
in einer Schöpfung der rafaelischen Zeit allgemein schöne
Mädchengestalten sich in anmutigen Gegensätzen bewegen.
Im Gemälde ist dann die Bewegung einheitlicher und kommt
damit auch stärker zum Ausdruck. Dann sind die Mädchen
ganz individuelle Gestalten geworden, von denen sich jede
auf ihre Weise geschmückt hat, sich auch auf ihre Art
ohne Rücksicht auf die allbeliebte Niedlichkeit ihrem Jubel
überläfst. Auch die flüchtige Aufzeichnung über Licht- und

Schattenmassen zu dem Bilde
des Charon Bd. III des Böcklin-
werkes giebt eine Gesamt-
komposition, in der die In-
sassen des Nachens erst später
zu ihrem eigenen Leben heran-
wuchsen.

Etwas weiter läfst sich
die Entstehung Böcklinscher
Werke bei den drei Ent-
würfen zu einer Liebesscene
und bei den Vorstudien zu
einem heute verschollenen Ge-
mälde der Cholera verfolgen.
Bei dem Liebespaar S. 40
war die frühste Skizze wohl
die auf Seite 54. Die Anmut
eines in sehnsüchtigen Träu-
men verlorenen Mädchens
war offenbar die Vorstellung,
die zum Bilden drängte. Die
Gestalt des Jünglings stand
noch nicht fest und erscheint
darum zuerst noch in der
üblichen Pose des schweigen-
den Lauschers. In der zwei-
ten der kleineren Skizzen ist
dann die Anordnung der
Figuren im Räume gefunden,
auch der Wald hat sich
schon gelichtet, aber der Lieb-
reiz, von dem das Mädchen
zuerst umflossen ist, hat sich
verloren und in der dritten
Skizze ist dann ein neues
anderes Leben in die Gestalt

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