fünfzigsten Lebensjahr sich näherte. Wo Makart in den
siebziger Jahren vor dem Publikum stand, war Böcklin schon
in den fünfziger gewesen.
Makart hatte sein seltenes Talent in den Dienst der
Masse gestellt, in der nach soviel blofser Zeichnung und
Austuschung, nach so langem Genügen am farblosen Karton
und am bunten Fresko das Verlangen nach Farbe erwacht
war. Er bot ihr, was sie schon begreifen konnte, bot es
ihr in einer Form, die ihr durch das Riesenmafs imponierte,
wo sie damals noch nicht abgestumpft war durch das
Panorama.
Und die Masse war ihm dankbar, huldigte ihm auf den
Knieen, überschüttete ihn mit den Schätzen des Abend- und
Morgenlandes und stellte ihn äufserlich den Königen der
Politik und der Geldwirtschaft gleich. Die Herrschaft seiner
Farbenanschauung reichte bis in jede Tapezierwerkstatt und
jeden Stickladen, wo sie immer noch nicht aufgehört hat.
Seine Bilder sind heute fast vergessen. Sie üben eine
lebendige Wirkung kaum noch aus. Sein Andenken aber ist
noch nicht erloschen, weil in den dekorativen Künsten eine
neue Anschauung ihr Haupt erhoben hat, das ihm in hef-
tiger Gegnerschaft zugewendet ist.
Die Wolke Makarts hatte zwei Jahrzehnte lang die Sonne
Böcklins verdunkelt. Dann brach sie siegreich durch. Böcklin
trat mit seiner Anschauung um zwei Jahrzehnte zu früh auf,
als dafs er sie hätte durchsetzen können, Makart konnte
einen günstigen Moment ausnutzen und starb, ehe die Menge
sich ihm abgewandt hatte.
Makarts Laufbahn, die um 1880 im wesentlichen ab-
geschlossen war, hätte, an Böcklins Geschick gemessen, gegen
ipzo den Höhepunkt der Popularität erreichen müssen.
Die drei grofsen Böcklinausstellungen in Basel, Berlin
und Hamburg haben den Freunden des Künstlers einen
tieferen Einblick in seine Entwicklung gewährt und weiteren
Kreisen neue Seiten seines Wesens enthüllt.
Die Entwicklung des Meisters liegt jedoch auch heute
noch nicht in allen Wendungen klar vor uns. Es wäre sehr
zu wünschen, dafs die nötigen Vorarbeiten erledigt würden,
solange im Zweifelsfalle an Böcklin appelliert werden kann.
Auf den Ausstellungen ist wohl zuerst die Aufmerksam-
keit auf seine Jugendwerke gelenkt worden, die bisher, im
Privatbesitz verborgen und Wenigen bekannt, für die Er-
kenntnis seines Wesens noch kaum benutzt werden konnten.
Nun gehören aber bekanntlich die ersten Versuche des
Genius, sich auszudrücken, in der Regel zu den allerwert-
vollsten Dokumenten über seine Eigenart. Ungefärbt durch
fremde Einflüsse pflegt in ihnen oft genug der reine Quell
ans Licht zu dringen, der durch das fremde, im spätem
Studiengange angehäufte Material, zuweilen auf Jahrzehnte
verschüttet oder doch stark getrübt wird. Wenn erst die
intimere Entwicklung der Genies und Talente des neunzehnten
Jahrhunderts unter diesem Gesichtswinkel eingehender er-
forscht ist, werden manche Beispiele bekannt werden wie
wir sie von Hermann Kauffmann kennen, der ak vierzehn-
jähriger Knabe in den „Eisfischern auf der Alster" alles das
kindlich und unbeholfen, aber in allem wesentlichen so
deutlich und unverkennbar ausgesprochen hatte, was er
später als reifer Künstler, nach Ueberwindung akademischer
Einflüsse als sein Eigenstes selber empfand; es werden sich
Beispiele häufen, wie die Entwicklung der Hamburger Naza-
rener, die als Knaben im Bildnis und in der Landschaft hohe
Ziele erreicht hatten und später nach einer Ablenkung durch
den Anschluss an Cornelius und Overbeck zu ihrer ersten
Liebe zurückgekehrt sind; wie bei Martin Gensler, der als
siebzehnjähriger um 18 z 8 eine Selbständigkeit und Originali-
tät zeigte, die er erst in den sechziger Jahren wieder zu finden
versuchte, nachdem er eine romantische Epoche, in der er
sein Bestes aufgegeben, hinter sich hatte; wie bei Morgen-
stern und Vollmer, die, durch Studium und Belehrung ge-
hemmt, nie wieder den hohen Grad von Selbständigkeit
erreicht haben, der ihre ersten Versuche um 1825 aus-
zeichnet.
Auch Böcklin erschien in den ersten Bildnissen vor 1850
und in der wichtigen Felslandschaft mit den Gemsen aus der-
selben Zeit eigentlich mehr er selbst als in den fünfziger und
sechziger Jahren, wo viele seiner Zeitgenossen auf ihn ge-
wirkt haben. Die grauen Felsen der Landschaft mit den
Gemsen verkünden bereits den Künstler, der in der Darstellung
des Gesteins ausdrücken sollte, was niemand vor ihm empfun-
den hatte, und in der Intensität des Grau und Braun der Fels-
massen, des satten Braun des Mooses, denen sich das Weifs
der Schneereste gegenüberstellt, zeigt sich der selbstwillige
Erfasser der Farbe.
Die Jubelausstellungen haben den Eindruck der, wenn
auch hie und da abgelenkten, doch stetig nach eigenem
Willen unbekümmert den eigenen Zielen zustrebenden Per-
sönlichkeit Böcklins sehr stark zur Anschauung gebracht.
Sie haben aber auch deutlich hervortreten lassen, welche
Entwicklungsmöglichkeiten, die in seiner Begabung lagen,
durch die Gleichgültigkeit oder die Opposition seiner Zeit-
genossen dem Genius Böcklins abgeschnitten waren.
Zwei Gebiete waren es vor allem, die sein Fufs nur
selten betreten hat, und die seiner Natur die reichste Nahrung
bereitet haben würden, das Bildnis und die Monumental-
kunst.
Den meisten Besuchern der Ausstellungen war es eine
ganz unerwartete Erkenntnis, dafs wir in Böcklin einen der
ganz grofsen Bildnismaler des Jahrhunderts zu sehen haben.
Aber er war beschränkt auf das Selbstbildnis und die Dar-
stellung seiner Familie und seiner nächsten Freunde, Bildnis-
aufträge sind selten und spät — zu spät — an ihn heran-
getreten.
Ebenso überraschend, wenn auch im ganzen weniger
beachtet, waren die Dokumente, die eine Einsicht in seine
Entwicklung als Monumentalmaler und Bildhauer gestatteten.
Es hat Böcklin stets gelockt, seine Kunst gegebenen Räumen
anzupassen. Seine Masken in Basel mit ihrer überwältigenden
Charakteristik und Komik in der Verkörperung typischer
Charaktere — es reizt jeden, der sie sieht, in jeder einzelnen
das Bildnis eines Bekannten zu bezeichnen — sind wohl die
wirksamste plastische Dekoration, die in Deutschland seit
Schlüters Tagen geschaffen ist. Und in der Monumental-
malerei beweist seine Flora von 1875, ein Karton für ein
Glasfenster, dafs sich in Böcklins Seele selbständig die Ent-
wicklung vollzogen hat, die seither in England und Frank-
reich auf dem Gebiete der Plakatkunst durch japanische
C 5i B
siebziger Jahren vor dem Publikum stand, war Böcklin schon
in den fünfziger gewesen.
Makart hatte sein seltenes Talent in den Dienst der
Masse gestellt, in der nach soviel blofser Zeichnung und
Austuschung, nach so langem Genügen am farblosen Karton
und am bunten Fresko das Verlangen nach Farbe erwacht
war. Er bot ihr, was sie schon begreifen konnte, bot es
ihr in einer Form, die ihr durch das Riesenmafs imponierte,
wo sie damals noch nicht abgestumpft war durch das
Panorama.
Und die Masse war ihm dankbar, huldigte ihm auf den
Knieen, überschüttete ihn mit den Schätzen des Abend- und
Morgenlandes und stellte ihn äufserlich den Königen der
Politik und der Geldwirtschaft gleich. Die Herrschaft seiner
Farbenanschauung reichte bis in jede Tapezierwerkstatt und
jeden Stickladen, wo sie immer noch nicht aufgehört hat.
Seine Bilder sind heute fast vergessen. Sie üben eine
lebendige Wirkung kaum noch aus. Sein Andenken aber ist
noch nicht erloschen, weil in den dekorativen Künsten eine
neue Anschauung ihr Haupt erhoben hat, das ihm in hef-
tiger Gegnerschaft zugewendet ist.
Die Wolke Makarts hatte zwei Jahrzehnte lang die Sonne
Böcklins verdunkelt. Dann brach sie siegreich durch. Böcklin
trat mit seiner Anschauung um zwei Jahrzehnte zu früh auf,
als dafs er sie hätte durchsetzen können, Makart konnte
einen günstigen Moment ausnutzen und starb, ehe die Menge
sich ihm abgewandt hatte.
Makarts Laufbahn, die um 1880 im wesentlichen ab-
geschlossen war, hätte, an Böcklins Geschick gemessen, gegen
ipzo den Höhepunkt der Popularität erreichen müssen.
Die drei grofsen Böcklinausstellungen in Basel, Berlin
und Hamburg haben den Freunden des Künstlers einen
tieferen Einblick in seine Entwicklung gewährt und weiteren
Kreisen neue Seiten seines Wesens enthüllt.
Die Entwicklung des Meisters liegt jedoch auch heute
noch nicht in allen Wendungen klar vor uns. Es wäre sehr
zu wünschen, dafs die nötigen Vorarbeiten erledigt würden,
solange im Zweifelsfalle an Böcklin appelliert werden kann.
Auf den Ausstellungen ist wohl zuerst die Aufmerksam-
keit auf seine Jugendwerke gelenkt worden, die bisher, im
Privatbesitz verborgen und Wenigen bekannt, für die Er-
kenntnis seines Wesens noch kaum benutzt werden konnten.
Nun gehören aber bekanntlich die ersten Versuche des
Genius, sich auszudrücken, in der Regel zu den allerwert-
vollsten Dokumenten über seine Eigenart. Ungefärbt durch
fremde Einflüsse pflegt in ihnen oft genug der reine Quell
ans Licht zu dringen, der durch das fremde, im spätem
Studiengange angehäufte Material, zuweilen auf Jahrzehnte
verschüttet oder doch stark getrübt wird. Wenn erst die
intimere Entwicklung der Genies und Talente des neunzehnten
Jahrhunderts unter diesem Gesichtswinkel eingehender er-
forscht ist, werden manche Beispiele bekannt werden wie
wir sie von Hermann Kauffmann kennen, der ak vierzehn-
jähriger Knabe in den „Eisfischern auf der Alster" alles das
kindlich und unbeholfen, aber in allem wesentlichen so
deutlich und unverkennbar ausgesprochen hatte, was er
später als reifer Künstler, nach Ueberwindung akademischer
Einflüsse als sein Eigenstes selber empfand; es werden sich
Beispiele häufen, wie die Entwicklung der Hamburger Naza-
rener, die als Knaben im Bildnis und in der Landschaft hohe
Ziele erreicht hatten und später nach einer Ablenkung durch
den Anschluss an Cornelius und Overbeck zu ihrer ersten
Liebe zurückgekehrt sind; wie bei Martin Gensler, der als
siebzehnjähriger um 18 z 8 eine Selbständigkeit und Originali-
tät zeigte, die er erst in den sechziger Jahren wieder zu finden
versuchte, nachdem er eine romantische Epoche, in der er
sein Bestes aufgegeben, hinter sich hatte; wie bei Morgen-
stern und Vollmer, die, durch Studium und Belehrung ge-
hemmt, nie wieder den hohen Grad von Selbständigkeit
erreicht haben, der ihre ersten Versuche um 1825 aus-
zeichnet.
Auch Böcklin erschien in den ersten Bildnissen vor 1850
und in der wichtigen Felslandschaft mit den Gemsen aus der-
selben Zeit eigentlich mehr er selbst als in den fünfziger und
sechziger Jahren, wo viele seiner Zeitgenossen auf ihn ge-
wirkt haben. Die grauen Felsen der Landschaft mit den
Gemsen verkünden bereits den Künstler, der in der Darstellung
des Gesteins ausdrücken sollte, was niemand vor ihm empfun-
den hatte, und in der Intensität des Grau und Braun der Fels-
massen, des satten Braun des Mooses, denen sich das Weifs
der Schneereste gegenüberstellt, zeigt sich der selbstwillige
Erfasser der Farbe.
Die Jubelausstellungen haben den Eindruck der, wenn
auch hie und da abgelenkten, doch stetig nach eigenem
Willen unbekümmert den eigenen Zielen zustrebenden Per-
sönlichkeit Böcklins sehr stark zur Anschauung gebracht.
Sie haben aber auch deutlich hervortreten lassen, welche
Entwicklungsmöglichkeiten, die in seiner Begabung lagen,
durch die Gleichgültigkeit oder die Opposition seiner Zeit-
genossen dem Genius Böcklins abgeschnitten waren.
Zwei Gebiete waren es vor allem, die sein Fufs nur
selten betreten hat, und die seiner Natur die reichste Nahrung
bereitet haben würden, das Bildnis und die Monumental-
kunst.
Den meisten Besuchern der Ausstellungen war es eine
ganz unerwartete Erkenntnis, dafs wir in Böcklin einen der
ganz grofsen Bildnismaler des Jahrhunderts zu sehen haben.
Aber er war beschränkt auf das Selbstbildnis und die Dar-
stellung seiner Familie und seiner nächsten Freunde, Bildnis-
aufträge sind selten und spät — zu spät — an ihn heran-
getreten.
Ebenso überraschend, wenn auch im ganzen weniger
beachtet, waren die Dokumente, die eine Einsicht in seine
Entwicklung als Monumentalmaler und Bildhauer gestatteten.
Es hat Böcklin stets gelockt, seine Kunst gegebenen Räumen
anzupassen. Seine Masken in Basel mit ihrer überwältigenden
Charakteristik und Komik in der Verkörperung typischer
Charaktere — es reizt jeden, der sie sieht, in jeder einzelnen
das Bildnis eines Bekannten zu bezeichnen — sind wohl die
wirksamste plastische Dekoration, die in Deutschland seit
Schlüters Tagen geschaffen ist. Und in der Monumental-
malerei beweist seine Flora von 1875, ein Karton für ein
Glasfenster, dafs sich in Böcklins Seele selbständig die Ent-
wicklung vollzogen hat, die seither in England und Frank-
reich auf dem Gebiete der Plakatkunst durch japanische
C 5i B