Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Denn auch die einseitige Begabung, die ihre Form er-
reicht, kann durch ihre Leistung die Empfindung vollendeter
Schönheit erwecken.

Talente wie van Beijeren oder Heda dürften es als
Schüler der Akademiker oder irgend einer typischen deutschen
Akademie der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zu keiner
nennenswerten Form gebracht haben.

Wie für die schaffende Seele gilt auch für die geniefsende
der Begriff der Form, und wenn der Künstler sie in unsern
Tagen selten erreicht, so bleibt in unserer Kultur der Auf-
nehmende mit einem noch unverhältnismäfsig höheren Satz
hinter seiner Form zurück.

Die Thatsache kommt ihm freilich selten zum Bewufst-
sein. Er pflegt sich in einem beneidenswerten Zustande der
Selbsttäuschung zu befinden, geberdet sich mit pappenen
Zentnergewichten ästhetischer Formeln wie ein Herkules
und glaubt mit Blitzesschnelle die äufsersten Grenzen der
Erkenntnis durcheilen zu können, ohne Mühe und An-
strengung.

Er macht in seiner stetigen Bereitschaft, ohne Arbeit,
Studien und Selbstzucht erkennen und beurteilen zu wollen,
alle Gesetze der Dynamik der empfindenden Seele und des
erkennenden Verstandes zu Schanden und handelt, als ob er
überzeugt wäre, ohne jegliche Vorbereitung soviel begreifen
zu können, wie ein Künstler schaffen kann — und eher
noch etwas mehr.

Alfred Lichtwark

ARNOLD BÖCKXIN, LIEBESJ'AAK, SKIZZEN

C 54 3
 
Annotationen