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Bachanten geformt — tanzen linksherum, die beiden äufseren
— von dem Festzug geformt — rechtsherum um den Apfel-
baum (rechts und links, vorn und hinten: immer vom
Zuschauer aus). Auch die Bachanten tragen Thyrsusstäbe,
die aber kürzer und dicker als die des Festzuges und gold-
farbig mit sattblauen Bändern sind; in der andern Hand
schwingen die Männer goldne Pokale, die Weiber Tamburins
mit blauen Reifen und goldenen Schellen. Ihr Haar ist dunkel-
braun, mit hellgrünen Kränzen aus jungem Weinlaub. Um
die Hüften sind alle mit Tigerfellen bekleidet; sonst sind die
Männer nackt, die Weiber tragen theerosenfarbene Hemden,
die nur auf einer Achsel befestigt sind und knapp bis an die
Kniee reichen. Die Füfse stecken in Sandalen, deren Riemen
bei den Männern an den Knöcheln abschliefsen, bei den
Weibern bis zur Hälfte der Waden gehen, also umgekehrt
wie bei den Festzugpaaren; um Hals und Arme tragen Alle
goldne Reifen.

Der Ringelreigen hält nun plötzlich inne, Alle lassen die
Hände los, schultern die Thyrsusstäbe und machen eine
Wendung, durch die je ein Bachanten- und ein Festzugs-
Paar — radiusförmig von der Marmorkugel abstehend —
sich nebeneinander reihen, wobei die männlichen Bachanten
den innersten, die Jünglinge den äufsersten Kreis bilden, so-
dafs die Mädchen und Bachantinnen in jedem Radius die
beiden mittleren Glieder sind; die Bachanten erheben ihre
Pokale zu Lucifer, dieser senkt die Fackeln über die Trink-
schalen, die vier Kreise umwandeln strahlenförmig rechts-
herum die schwarze Kugel, und Lucifer scheint Licht in die
erhobenen Schalen zu träufeln. Nach vollzogenem Kreis-
marsch machen alle Kehrt, Lucifer hebt die Fackeln wieder
armleuchterartig von sich, die übrigen erheben die Thyrsus-
stäbe, und die vier Kreise umwandeln nun linksherum die
Kugel; hierbei trinken in jedem Radius die Bachanten den
Pokal ihrer Bachantin zu, diese dem neben ihr gehenden
Mädchen, dieses ihrem Jüngling. Wenn die Pokale aufsen
bei den Jünglingen angekommen sind, machen wieder alle
Kehrt, umwandeln rechtsherum die Kugel und lassen die
Pokale mit Trinkgeberden zu den Bachanten zurückkehren;
hierbei werden die Tanzschritte immer trunkener, die Vierer-
reihen immer schwankender, und Lucifer wiegt sich auf der
Kugel hin und her.

Jetzt kommen aus dem Pinienhain, während die Sonne
hinten rechts verschwindet, Faune mit Syrinxflöten und im
Sprungtanz, wieder in gleicher Anzahl wie der Festzug. Die
vier Thyrsuskreise lösen sich auf, Lucifer springt von der
Kugel und tanzt grotesk dem Tempeleingang zu. Um die
beiden Cypressen bildet sich je ein doppelter Ringelreigen, der
inwendig von Festzugpaaren, auswendig von Bachanten-
paaren getanzt wird; um den Apfelbaum formen Festzugs-
und Bachanten-Paare gemischt einen überkreuz wechselnden
Ketten-Kreistanz, und die Faune springen um das Theerosen-
bäumchen f und über die Myrtenbüsche e e hin und her.
All das begleitet Lucifer, unter dem Tempelgiebel stehend,
mit orgiastischen, aber noch taktgerechten Fackelbewegungen.
Das Bocksfell der Faune ist bei den einen völlig schwarz, bei
den andern theerosenfarbig mit grofsen schwarzen Flecken j
ihre kurzen Hörner und die Syrinxpfeifen sind vergoldet.

Die Faune beugen jetzt die Oberkörper und dringen mit
vorgelegten Hörnern auf die Tanzkreise ein. Diese lösen sich
mit wildem Tamburin-Gerassel auf, während iucifer mit

wagerecht vorgestreckten Armen und halb gesenkten Fackeln,
auf den Zehen langsam rückwärts schreitend, einen Ausdruck
des Widerwillens im Gesicht, ins Tempelinnere verschwindet.
Die Dämmerung bricht herein, der Purpurstreifen auf der
Meeresfläche rechts erlischt allmählich; neben dem Stamm
der kleineren Birke, etwa in Frauenhöhe über der Grenzmauer,
in halber Frauenhöhe über dem Meer, erscheint blafsflimmernd
der Abendstern (Venus) und wandert langsam, immer silberner
glitzernd, dem Doppelstamm der Hängebirke zu. Während-
dem wird der Tanztaumel immer trunkener; die Faune haben
sich in enggeschlossenem Kreise, Schulter an Schulter Syrinx
blasend, um den Apfelbaum gestellt, die Uebrigen tanzen
paarweis oder zuviert mit tollem Thyrsus- und Tamburin-
Gefuchtel um sie herum, schon fangen einzelne Paare an
zu straucheln. Sobald der Abendstern etwa inmitten der
beiden Birken steht, huscht aus dem Pinienwald auf allen
Vieren ein Schwärm von grofsen grauen Affen hervor,
mit langen Schwänzen und fahlblauen Gesichtern, und mischt
sich unter die Tanzenden; die Faune verlassen ihre Stellung
unter dem Apfelbaum und mischen sich mit Bockssprüngen
gleichfalls unter die Tanzenden. Ein Faun mit hellem, schwarz
geflecktem Fell, dicker als die andern und mit längeren Hörnern,
setzt sich mit gekreuzten Beinen auf die Marmorkugel; zwei
von den Affen klettern auf den Baum und werfen mit grotesken
Efsgeberden etliche Aepfel herunter. Sie werden von einigen
andern Affen teils aufgefangen teils aufgelesen, und nun
beginnen diese Affen — ebenfalls mit Kaugeberden — den
berauschten Tanzpaaren die Früchte als Lockspeise hinzuhalten,
wobei verschiedene Tanzpaare, blindlings folgend, zu Boden
fallen. Immer mehr Paare lassen sich ködern und fallen zu
Boden; sie werden immer von den übrigen Affen sofort wieder
aufgerichtet und taumelnd in den Pinienwald gebracht.
Immer mehr Paare verschwinden in den Wald, und während
so die letzten Menschen sich entfernen, von den mit Aepfeln
versehenen Affen grotesk begleitet, beginnt das übrige Tier-
volk einen doppelten Ringelreigen um die Kugel: inwendig
hopsen — einzeln und Syrinx blasend — nach rechts herum
Faune, auswendig — einander an den Händen fassend —
nach links herum Affen.

Da kehrt Lucifer zurück auf die Tempelschwelle, die
Fackeln wieder mit verschränkten Armen neben seinen Achseln
haltend. Er stutzt einen Augenblick, breitet dann jäh die Arme
und stürmt auf den Reigentanz los. Die Affen lassen sich
erschreckt auf alle Viere fallen und flüchten in den Pinien-
wald ; die auf den Apfelbaum gekletterten rasch hinterdrein.
Die Faune flüchten langsamer, mit Kreuz- und -Quersprüngen
rückwärts hopsend, teils Syrinx blasend, teils Lucifer aus-
ätschend, der hin und her in ihrem Wirrwarr eilt. Der Faun,
der auf der Kugel safs, lafst sich am längsten scheuchen;
schliefslich fafst er mit beiden Händen das Theerosenstämm-
chen, nach rechts und links vor Lucifer herumspringend.
Dieser schlägt nach ihm mit beiden Fackeln; der Faun, das
Rosenbäumchen mittendurch zerbrechend, springt mit zwei
mächtigen Sätzen zurück in den Wald, die Fackeln erlöschen
an dem Gesträuch.

Der Abendstern steht jetzt ganz nahe an dem Stamm der
Doppelbirke. Lucifer — die ausgegangenen Fackeln beide
in die Rechte nehmend (d. h. in seine Linke) — geht lang-
sam mit gesenktem Haupt der Marmorkugel zu, lehnt sich
an deren rechte Seite, die Linke (seine Rechte) auf die Kugel

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