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stehn wie erstarrt und schauen inbrünstig nach Oben; die
Bachanten nehmen den Kleinen auch noch die letzten
Fackeln weg.

Da fallen die Sterne vom Himmel. In langen, blenden-
den, sich schneidenden Kurven fallen sie goldblafs ins Meer
und erlöschen. Die Bachanten, rückwärts dem Wald zu-
wankend, stürzen vor Schreck zu Boden, sodafs nun auch
die Fackeln erlöschen. Eine Weile ist es nachtlich dunkel;
nur die beiden bläulichen Flammen über Venus und
Lucifer, und die rötliche zu Häupten Amors, beleuchten
düster den Vordergrund. Auf einmal wird es hinter ihnen
hell — goldhell —: dicht über der Grenzmauer des Hinter-
grundes, in langer Reihe nebeneinander, tauchen die Köpfe
der Stern-Engel auf. Sie kommen langsam höher und
steigen über die Mauer. Es sind Mädchen von vierzehn
Jahren; jedes trägt ein Diadem mit goldhellem Stern auf den
hellblonden Locken, und in der Rechten einen blafs ver-
goldeten Palmzweig. Sie haben weifse Flügel, die aber nicht
wie bei den Amoretten halb nach oben abstehn, sondern die
Spitzen tief nach unten richten. Bekleidet sind sie mit weifs
durchsichtigem Untergewand, das um die Hüften lose durch
ein goldblankes Schuppenband gehalten ist, die Arme nur bis
zum Ellbogen deckt und die ganz nackten Füfse bis über die
Knöchel frei läfst; darüber tragen alle ein nicht gegürtetes,
mattblaues, nach unten hin mit blassen goldnen Wolken-
linien durchwirktes Achselgewand, das vorn von oben bis
unten offen steht, hinten zwischen den Flügeln zusammen-
genommen ist, an beiden Seiten bis ans Knie herab durch
blasse goldne Paspeln mit dem Vorderstück verbunden ist
und bis zur Erde reicht. Ein goldiges Dämmerlicht erfüllt
die ganze Bühne.

Die Engel wandeln, während die verdutzten Amoretten
ihre Bogen wieder aufnehmen und Lucifer und Venus den
fackelsenkenden Amor von der Kugel niederheben, auf die
gelähmten Bachanten zu, berühren sie mit den Palmzweigen
und weisen in den Pinienwald; die Bachanten erheben sich,
und die erloschenen Fackeln wie geblendet vor ihre Augen
haltend, tappen sie rückwärts in den Wald zurück. Die
Amoretten haben sich links von der Kugel zwischen den
beiden Cypressen zu doppelter Reihe geschaart und trippeln
nun schüchtern — teils in die Händchen klatschend, teils
Pfeile auf die Bogen legend ■— den rechtsher nahenden,
ebenfalls doppelt gereihten Engeln entgegen, während in-
mitten der beiden Doppelreihen Venus und Lucifer dem
Hintergrund zuwandeln, einander wieder um die Schultern
fassend und ihre Fackeln neben den Hüften haltend, Amor
mit erhobener Fackel hinter ihnen her. Unweit der Hänge-
birke, links von ihr, setzt sich das Paar auf die Grenzmauer,
die Fackeln neben sich aufstützend und Haupt an Haupt ge-
neigt, sodafs sich ihre Sterne berühren, während Amor durch
die Oeffnung der Mauer geht und hinter sie tritt, seine Fackel
mit beiden Händen zu Häupten des Paars präsentierend. Die
Reihen der Engel und der Amoretten sind inzwischen ein-
ander ganz nahe gekommen, und die Engel lassen sich —
rechts von der Kugel dem Hintergrunde zu — mit bittend
geöffneten Händen ins Knie; die Amoretten aber weichen,
nun sämtlich Pfeile auf die Bogen legend, rasch zwischen die
beiden Cypressen zurück. Dann gehen sie zögernd, zielend,
aufs neue den knieenden Engeln entgegen; die aber schütteln
nur leise die Köpfe, heben abwehrend eine Hand und machen

wieder die Bittgeberde. Die Amoretten lassen langsam, scheu,
die Bogen sinken, und plötzlich laufen sie mit ausgestreckten
Händchen den Engeln in die Arme an die Brust.

Venus und Lucifer erheben sich staunend, ihre Arme
gleiten einander von den Schultern, sie fassen sich an den
Händen; Amor tritt auf die Mauer, streckt seine Fackel
zwischen ihre Sterne. Die Engel erheben sich gleichfalls,
machen eine Wendung nach vorn, nehmen die Amoretten
bei den Händchen, sodafs sie an die Aufsenseiten des Doppel-
zuges zu stehen kommen, und der eine Zug Engel mit Amo-
retten biegt linkshin um die Kugel auf Venus und Lucifer
zu, der andre rechtshin um den Myrtenbusch f, sodafs die
Amoretten jetzt auf der Innenseite beider Züge gehen. Vor
Lucifer und Venus machen die Züge Halt, nach rechts
und links schräg von dem Paar abstehend, sodafs sie einen
spitzen Winkel bilden; die Engel beugen wieder ein Knie,
die Amoretten teilweis auch. Der führende Engel jedes Zuges
hebt bittend die Hand: der eine nach der Fackel der Venus, der
andre nach Lucifers Fackel. Die Beiden zögern einen Augen-
blick und sehen einander fragend an; dann geben sie lächelnd
die Fackeln hin, dafür von den zwei Engeln die Palmzweige
entgegennehmend. Nun steigt Amor zwischen ihnen durch
von der Mauer, während das Paar sich wieder auf sie nieder-
läfst und sich von neuem die Arme um die Schultern legt;
die Knieenden erheben sich sämtlich, die beiden fackeltragen-
den Engel machen mit ihren Amoretten eine Schwenkung
nach vorn, Amor stellt sich an die Spitze der beiden Doppel-
züge, und diese schliefsen sich ■—■ der Kugel zuwandelnd
— derart zusammen, dafs je zwei Engel mit den Palm-
zweigen nebeneinander schreiten, während an ihren freien
Händen, als Aufsenglieder jeder Viererreihe, die Amoretten
trippeln.

Amor steigt von rechts her auf die schwarze Kugel und
präsentiert mit beiden Händen seine Fackel. Die zwei Engel
heben die ihren mit einer Hand halb hoch, sich je an eine
Seite der Kugel stellend, und umschlingen mit der andern
Hand die Kniee Amors. Die übrigen umwandeln links-
herum, von den zwei einzelnen Amoretten geführt, radius-
förmig das Postament, bis sich ein voller Wandelkreis ge-
bildet hat. Dann biegen die beiden Amoretten wieder aus
dem Kreis heraus und führen den Zug dem Saturntempel zu;
die beiden Engel mit den Fackeln schliefsen sich hinten an,
nachdem sie Amor von der Kugel gehoben haben, und Dieser
folgt als Letzter, seine Fackel mit der Rechten hoch empor-
reckend. Vor demTempeleingang macht der Zug kurz Halt,
die Engel heben ihre Palmzweige nach der Pforte hin, die
Thorflügel thun sich nach innen auf, die Engel nehmen ihre
Zweige wieder an die Schultern, und während Lucifer und
Venus sich von der Mauer erheben und langsam auf die Kugel
zugehn, zieht der ganze Zug ins Tempelinnere, wobei es
immer dunkler auf der Bühne wird. Die Thorflügel schliefsen
sich hinter dem Zug; eine Weile ist es völlig finster, nur die
Sterne von Venus und Lucifer schimmern noch geisterhaft.
Schwarze Wände sinken herab, den Tempel, Himmel und
Pinienhain verhüllend.

Auf einmal wird es von oben her hell: grünweifsesMond-
licht fällt hinter dem Apfelbaum zu Boden, einen mächtigen
Blendkreis auf den Rasen werfend. Rechts neben dem Baum,
im Schatten, steht Venus, mit gesenkten Armen, in der Linken
(ihrer Rechten) die beiden Palmzweige hängen lassend; vor

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