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Jahren sich mehr und reicher zu entwickeln. Seine Empfin-
dung ist warm, unkritisch und arglos wie die eines Kindes.
Daraus folgt, dafs sich Echtes Unechtes ganz eigen-
tümlich in seiner Produktion mischt, ohne dafs er selbst
ahnt, ob er wirklich die Blume der Poesie pflückt, oder ob
er nur eine tote Theaterrose in der Hand hat. Oft ist jeden-
falls sein Gefühl wahr. Auf der Frühjahrsausstellung 07 hatte
er Bilder von einem Stimmungsgehalt und einer Innerlich-
keit, verbunden mit einer liebenswürdigen Intimität der Dar-
stellung, die ganz entzückend ist.

Z. B. die Illustration zu dem Ingemannschen Gedicht
„Die grofse, stille Nacht bricht an." Zwei junge Mädchen
auf einem Balkon, versunken in den Anblick der Sommer-
nachtsschönheit. Dann auch ein idealisiertes weibliches
Porträt voll starker, liebevoller Empfindung.

Rings bestes Werk ist das grofse Bild „Frühjahr",
das er 06 auf Charlottenborg ausstellte. Es stellt zwei
junge Dorfmädchen dar, die in vertraulichem Gespräch in
einem ärmlichen Bauerngarten spazieren. Diese schlichte
Scene ist aber mit so echter und wahrer Poesie, mit so
frischer Vorfrühlingsstimmung gegeben, dafs man ergriffen
wird. Alles keimende Sehnen und Frühlingsahnen atmet
aus diesem Bilde. Die beiden jugendlichen Mädchengestalten
scheinen eine Verkörperung aller unschuldigen Träume von
Sommer, Sonne, Wärme und Menschenglück. Die Farbe
ist von angenehm gedämpfter Klarheit und sehr harmonisch
gestimmt. In der Auffassung der Köpfe, besonders bei dem
der älteren Schwester (denn Schwestern sind es sicher), sieht
man, dafs Ring nicht vergebens alte italienische und deutsche
Porträtkunst studiert und kopiert hat. Man kann keine be-
stimmten Vorbilder angeben, aber die empfangenen Eindrücke
blieben haften und machten sich stark geltend.

Auch Viggo Pedersen gehört zu den besten Kräften
der „Freien Ausstellung". Seine Landschaften sind freie
Kompositionen über gewählte Motive, mit grofser malerischer
Kraft und starkem Sinn für dekorative Haltung. Er sucht die
grofsen Linien, er betont das, was ihm der innere Charakter
des Motives zu sein scheint — alles andere, was ihm unnötig
und überflüssig vorkommt, läfst er fort. In Nacht- und
Abendbildern erreicht er oft tiefe andachtsvolle Natur-
stimmungen.

Viggo Pedersen malt mit grofser Feinheit Interieurs und
Figuren, auch hat er einigemal religiöse Stoffe behandelt,
z. B. das merkwürdige Bild: „Isaak sieht Rebekka kommen",
dessen abendbeleuchtete Wüstenlandschaft von mächtiger
dramatischer Wirkung ist.

Auf der diesjährigen „Freien Ausstellung" hat er unter
anderen ein grüfseres Bild „Duett", das zwei junge Frauen in
antikem Gewände darstellt, versunken in musikalischer
Schwärmerei, beim roten Schein der untergehenden Sonne.
Eine entzückende Komposition mit koloristischer Meister-
schaft gemalt.

Mit Viggo Pedersen und Johan Rohde, die — ob-
schon in Wesen und künstlerischer Darstellung weit ver-
schieden — beide ihr Ideal in der Kunst einer entschwun-
denen Zeit sehen, bin ich zu der Grenze gekommen, zwischen
der naturalistischen Kunst — das heifst: einer Kunst, die die
natürliche, direkte Schilderung von Gesehenem oder Erlebtem
anstrebt — und zwischen der, die bewufst die gefundene
Form umschreibt, die durch Symbole mit tiefliegender Be-

deutung wirkt, die das naturwidrige, übernatürliche Element
in ihren Dienst nimmt oder auch sich in eine unsinnliche
Mystik verliert.

Rohdes meiste Malereien nähern sich dem modernen
Eklekticismus, der seine durchaus modernen Gefühle frei-
willig in einen Stil kleidet, der der Kunst irgend einer ent-
schwundenen Zeit entlehnt ist. Sein Beitrag zu der „Freien
Ausstellung" dieses Jahres zeigt, dafs er zu selbstbewufster
Klarheit gekommen ist. Die Trockenheit und Dumpfheit
seiner bisher allzu aufdringlichen Galerieerinnerungen ist
in diesem Jahr verschwunden. Seine Porträts des Malers
Zartmann und des Dichters Pontoppidan sind vortreffliche
Charakterbilder der beiden Leute und aufserdem mit einem
kultivierten Stilgefühl und einer malerischen Gewandtheit
gearbeitet, die wohl ihren Ursprung in altdeutscher Kunst
hat — gerade ■wie Thoma —, aber wie diese doch ganz per-
sönliches Eigentum geworden ist. — Als Beispiele für die
erwähnten verschiedenen Richtungen wären zu nennen:
Joachim Skovgaard, Wilh. Hammershöj, das Ehepaar Slott-
Möllerund J.F. Willumsen. — Von Joachim Skovgaard ist
es wohl nicht zuviel gesagt, dafs er von allen neueren dänischen
Malern am schwersten in der Wagschale wiegt, wenn jedes
Einzelnen Wille und Können gewogen werden soll, und
zwar infolge der menschlichen und künstlerischen Eigen-
schaften, die er in seine Arbeit hineinlegt und die sich bei
keinem anderen dänischen Künstler in so mächtigen Pro-
portionen oder in so grofsartigem Charakter vereint finden.
Skovgaard ist ein Sohn des ausgezeichneten alten Landschafts-
malers P. C. Skovgaard und älterer Bruder von Niels Skovgaard,
dessen feine und eigentümliche Kunst der Joachims sehr

J. F. WILLUMSSN

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