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verwandt ist in Wesen und Aussehen, doch bisher von weit
schwächerem Flügelschlag blieb. Die Tradition der Kunst
des Vaters und seiner Zeit ist bei beiden trotz allen Ex-
perimenten lebendig geblieben und schlägt eine unsichtbare
aber unverkennbare Brücke zwischen Alt und Neu, ein Band,
welches ihr ganzes Wirken mit dem Mutterstamme der alten
dänischen Kunst verbindet.

Joachim Skovgaards frühere Landschaftsbilder sind direkte
Abkömmlinge der Malerei seines Vaters, wie er denn auch
jetzt noch ab und zu kleine Bilder malt, bei denen die pein-
liche und treuherzige Beobachtungsweise der alten Kunst mit
grofser Sorgfalt wieder angewandt ist. Seine Wirksamkeit
ist aufserordentlich umfassend; in Wahl von Material und
in Ausdrucksweise ist er so universell wie wenige andere.
Sein aufserordentlich dekorativer Sinn kommt ungewöhnlich
phantasiereich zum Ausdruck in keramischen Arbeiten, in
Illustrationen und Dekorationen. Er benutzt alle Darstellungs-
arten der Malerkunst, und verbindet oft in seinen Bildern
die verschiedenen Mittel, Skulptur, Malerei, Metallglanz
u. s. w. zu einem Ganzen von überraschender Neuheit. Das
gröfste Verdienst seiner Kunst bleibt aber der Reichtum an
geistiger Kraft und Tiefe, von der er durch und durch beseelt
ist. Man beugt das Haupt vor dieser Kunst in Bewunderung
vor dem ganzen schaffenden Talent und in Ehrerbietung vor
dem bedeutenden Menschen, der dahinter steht. — Joachim
Skovgaard hat seine natürliche Begabung durch wiederholte
Reisen und durch ernstes Studium der grofsen Kunst ferner
Zeiten geschärft. Ueberall in seiner späteren Produktion spürt
man die Wirkung dieser innerlichen Vertiefung und dieser
Liebe zur Antike, zur frühsten italienischen Kunst und zur
Renaissance. Man kann daher bei Verschiedenem von Skov-
gaards Kunst beinahe von „Prärafaelismus" reden, da er
deutlich und stark von der älteren italienischen Kirchen-
malerei beeinflufst ist. Im Hinblick auf den modernen eng-
lischen Prärafaelismus wird man jedoch diese Bezeichnung
zu wenig erschöpfend finden, um Skovgaards biblische
Malerei vollständig zu charakterisieren. Der englische Prä-
rafaelismus (um dieses nicht immer ganz treffende Wort
weiterhin zu brauchen) ist in seinem ganzen Wesen eine genaue
Nachahmung der äufseren Erscheinung der alten Malerei.
Es ist ein fester künstlerischer Stil, ja fast Manier geworden,
von der ganzen Schule stereotyp eingeübt und ausgeübt.
Der müde Gedankengang in Komposition, Form und Linie
wird nachgeahmt und zu gröfserem Genufs für moderne
Augen gemildert, er wird süfslich und schmachtend und von
einer raffinierten Einfachheit und geleckten Eleganz, die weit
von der keuschen Unmittelbarkeit der Originale entfernt ist.
Im Gegensatz dazu steht Skovgaards Behandlung ähnlicher
Motive! Die harte rohe Kraft in Zeichnung und Formgebung
und die breite robuste Gesundheit der Farben hat nichts von
der glatten Eleganz der englischen Malerei, weit mehr von
der Ueppigkeit und schwellenden Lebensfreude der Spät-
renaissance.

Skovgaards Kunst scheint mir in seinem ganzen Wesen
dem Geist dieser Zeit näher zu stehen, als dem bleichen as-
ketischen Prärafaelismus. Man findet überall in seiner Pro-
duktion ein grofses in Museen und Sammlungen erworbenes
Wissen und eine reiche Kenntnis archaistischer Funde in
Skulptur und Vasenmalerei, die er in sein künstlerisches
Bewufstsein aufnimmt, ohne pedantische Skrupel verarbeitet

und seinen engeren Absichten dienstbar macht. — Joachim
Skovgaards bedeutendste Arbeiten sind: das kolossale Bild
„Christus im Totenreich", welches von unserer Galerie-
kommission refüsiert wurde und nun in einer abseitsliegenden
Kirche hängt. — „Der Teich von Bethesda", der Engel
berührt das Wasser, an dem die Kranken und Lahmen
kämpfen, um sich hineinzustürzen — das eigentümliche und
schöne Bild „Christus führt den Schacher ins Paradies",
sowie die neuerlich vollendete herrliche „Verkündigung",
die von einem Mäcen der Heiliggeistkirche geschenkt wurde.
In all diesen findet sich tiefer religiöser Ernst, verbunden mit
wirklich künstlerischem Schwünge und mit einer Innerlich-
keit, die vielleicht alleinstehend ist in moderner Kunst.

Von ganz anderem künstlerischen und geistigen Gufs ist
Wilh. Hammershöj. * ■»

Er ist ein Träumer, ein Farbendichter von ähnlichem
künstlerischen Wesen wie die französischen Synthetiker:
Mallarme und Maeterlinck. Auch mit Whistler hat er
gewisse Berührungspunkte. Der Inhalt seiner Bilder läfst
sich nicht kritisieren nach den gewöhnlichen Vorstellungen
von Wahr und Unwahr, oder nach den angenommenen
Regeln von der Bedeutung und dem gegenseitigen Verhältnis
der Dinge. Für die Welt, die wir alle kennen und über
die wir im Klaren sind, setzt er eine ganz andere, eine
selbstgeschaffene Welt, die gewifs Einiges mit der unsern
gemein hat, Form und Farbe und Inhalt aber bestimmt er
durchaus nach eigenem souveränen Willen. Für Hammershöj
ist diese Welt seine Welt, die wahre, die wirkliche, alle
anderen sind falsch und ohne tiefere Bedeutung. Seine

J. p, WILLI) MS SN

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