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DIE GEMAELDEGALERIE VON HELSINGFORS

1IE an Monumentalbauten reiche
Hauptstadt Finnlands besitzt seit etwa
zwölf Jahren in ihrem „Athenäum"
würdige Räume für die Aufstellung
der etwa 350 Gemälde und 80 Bild-
werke (meist Gipse), die der Kunst-
verein im Laufe der Zeit zusammen-
gebracht hat: einen grofsen, zwei

___________ kleinere Oberlichtsäle und eine Reihe

von Kabinetten mit Seitenlicht. Sehr anzuerkennen ist, dafs
der Kunstverein in den letzten Jahren auch Werke derjenigen
Künstler zu erwerben gesucht hat, die den Ruf der jungen
finnländischen Schule im Auslande begründet haben, also vor
allem solche von Edelfelt, von Gallen und vom Bildhauer
Wallgren. Edelfelt ist, abgesehen von seinem noch ganz von
Delaroche abhängigen Jugendbilde, einer historischen Rühr-
scene, durch ein grofses für Ausstellungszwecke berechnetes
Bild von 1890, Christus, der der Magdalena in einem nordi-
schen Birkenwalde erscheint, und durch ein zartes Aquarell,
die Darstellung eines Hafens, vertreten. Gallens Imatrafall im
Winter zeigt nicht die verblüffende Sicherheit der Technik,
die Thaulows Werke auszeichnet, sein grofses Pastell, eine
Bootscene, gehört aber zu den gesundesten und farbenkräftig-
sten Malereien der Gegenwart. Aehnlichen Eigenschaften
begegnet man in einer Landschaft mit Figuren, von Gunnar
Berndtson. Ein Atelierbild Viktor Westerholms, sowie ein
Historienbild Severin Falkmans zeigen die beste moderne
Schulung, ebenso wie die Werke der Damen Frosterus-Saltin,
Lundahl sowie Schjerfbeck. Unter den Bildhauerarbeiten ragt
Wilhelm Wallgrens bekanntes Christushaupt aus Marmor
hervor sowie dessen zarte Reliefköpfe und kleine dekora-
tive Bronzefigürchen; auch Walter Runeberg, der in dem
Denkmal seines Vaters, des bekannten Dichters, eine der besten
Porträtfiguren unserer Zeit geliefert hat, ist durch manche
gute Arbeit vertreten.

Der Anfang zu einer Vertretung der modernen Kunst ist
also so gut, dafs er der Mehrzahl der Sammlungen von Kunst-
vereinen als leuchtendes Beispiel vorgestellt werden kann.
Die Art aber, wie die eben genannten Werke in wirrem
Durcheinander mit ganz anders gearbeiteten, den alten Bestand
bildenden aufgestellt sind, bekundet, dafs über die Ziele, die
eine solche Sammlung zu verfolgen hat, noch keine rechte
Klarheit herrscht. Zunächst hängen da ein paar Sammlungen
alter Bilder, die so gut wie keinen Wert haben, da sie nur
einige Künstler geringeren Ranges durch authentische Bilder
vertreten zeigen, während das, was unter den besseren Namen
geht, aus Kopien besteht. Hervorzuheben ist nur ein kleiner,
nicht übler Cranach aus den Dreifsiger Jahren, die Halbfigur
einer reichgekleideten Frau auf schwarzem Grunde, mit dem
Drachen bezeichnet. Das Schlimmste aber ist der Wust von

Bildern dieses Jahrhunderts, die aus der Zeit der eigentlichen
Blüte der Kunstvereine stammen, fast den ganzen Hauptsaal
bis oben hinauffüllen und wegen ihrer übergrofsen Abhängig-
keit von der Düsseldorfer sei es Novellen- sei es Historien-
malerei jeglichen Charakters bar sind. Unter diesen Werken
sollte strenge Umschau gehalten, nur das Beste behalten und
in einem besonderen Räume, nach historischem Gesichtspunkt
geordnet, aufgestellt werden. Nur ein mittelgrofses Marmor-
werk von dem schwedischen Bildhauer Sergell (Ende des
1 8. Jahrhunderts), ein liegender Faun, und die rastenden Ar-
beiter von Fred. Ahlstedt, dem Vorgänger Edelfelts, verdienen
besondere Beachtung. Ganz vereinzelt endlich stehen ein paar
studienartige Landschaften von Corot und Daubigny.

Die Abhängigkeit Finnlands wie des ganzen Nordens
überhaupt von Frankreich in künstlerischer Beziehung ist
nicht zu läugnen, und es hat daher auch seine volle Berech-
tigung, wenn hier weiter danach gestrebt wird, die franzö-
sische Kunst in guten Beispielen vorzuführen. Ein Helsing-
forser Arzt, Dr. Anteil, der viel in Paris gelebt hat und dessen
mannichfaltige Sammlungen — er ist namentlich Numis-
matiker gewesen — nach seinem frühzeitigen Tode in das
Museum seiner Vaterstadt gelangt sind, hat auch hierfür den
Grund gelegt, indem er neben einem kleinen frühen Bastien-
Lepage, einer Muse im Walde, eine schöne Bronzegruppe von
Rodin, einen stehenden Mann, der ein zusammengekauertes
Weibchen hoch zu sich emporhebt, und eine Marmorgruppe
desselben Künstlers, zwei einander liebkosende Frauen, deren
eine Paniskengestalt hat, erwarb. Edelfelt ist in seiner Samm-
lung durch ein feines, aber noch etwas schweres Damenbildnis,
Gallen dagegen sehr gut durch ein Bildnis des Dr. Anteil selbst,
in seinem Studierzimmer, vertreten. Der Weg, den er durch
die Anschaffung eines sehr duftigen Zorn betreten hat —
natürlich wieder badende Mädchen — sollte vom Kunstverein
wie von denen, die sich für die Förderung der einheimischen
Kunst als Erwerber und Schenker von Kunstwerken inter-
essieren, weiter verfolgt werden, indem neben der Vertretung
der finnischen Kunst selbst nichts die Kunstanschauungen so
sehr zu entwickeln und zu läutern vermag, als die Vorführung
von charakteristischen Erzeugnissen aus den kulturverwandten
nordischen Ländern. Wenn man sich vornehmen wollte,
Künstler wie Zorn, Carl Larsson, Berg aus Schweden,
Werenskiold, Heyerdahl, Thaulow, Munthe aus Norwegen,
Kröjer, Paulsen, Zartmann aus Dänemark, endlich die Bild-
hauer Tegner und Vigeland zur Vertretung im Helsingforser
Museum zu bringen, so könnte man diese Aufgabe in fünf
bis zehn Jahren bequem lösen und würde die einheimischen
Kunstbestrebungen aufs nachdrücklichste fördern. Denn aus
der wohlverstandenen Betonung eines nicht zu eng gefafsten
Nationalitätsprinzips hat jede Kunst ihre beste Kraft zu
schöpfen.

W. v. Seidlitz

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