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MAX KLINGER, KOPFLEISTE AUS FEDERZEICHNUNGEN ZU AMOR UND PSYCHE
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WENN DIE BLAETTER FALLEN
TRAUERSPIEL IN EINEM AKT
VON
PAUL ERNST
PERSONEN: REINHOLD — CÜRT — MARIE — ANNA
ZEIT: LETZTES VIERTEL DES VORIGEN JAHRHUNDERTS — ORT: GARTEN
Anna (schiebt Marie ein Fufsbänkchen unter).
Marie: Danke Dir, liebes Kind — ach, wie
schön die Sonne scheint, so warm!
Anna: Ja, es ist wieder noch ein richtiger
Sommertag.
Marie: Da fliegt der Altweibersommer.'
Anna: Der Hafer ist noch lange nicht ein-
gebracht!
Marie: Ach bitte, noch das Tuch um die
Schultern, ja?
Anna: (giebt ihr das Tuch) So?
Marie: Danke Dir.
Anna: Nächste Woche soll Erntekranz gemacht
werden.
Marie: (hebt ein trocknes Blatt von ihrem Schoofs auf)
Ach sieh, ein trocknes Blatt!
Anna: Das erste trockne Blatt!
Marie: (nachdenklich) Wenn die Blätter fallen —
Anna (wendet sich ab).
Marie: Nicht weinen, liebes Kind!
Anna: Ach, ich weine doch nicht! (schluchzt).
Marie: Sieh mal, man mufs doch vernünftig
sein. Ich lebte ja auch noch ganz gern ein paar
Jahre, so dieses Leben im Krankenstübchen, wo die
Welt draufsen vor dem Fensterchen vorbeitrappelt
und nicht herein kommen kann — siehst Du, Du
glaubst garnicht, was das für ein Glück ist, so still
zu sitzen, und die Leute sind alle so gut und sanft
und glauben, man mufs ihnen leid thun — na,
wenn der liebe Gott nun nicht will, dann mufs
man schon folgen!
Anna: Ach, liebe, gute Herzensmarie!
Marie: (lächelnd) Immer still, immer hübsch still
—. — Siehst Du, wir müssen nicht nur gut sein,
wir müssen auch hübsch still sein, dann werden's
die andern Leute auch. Nicht wahr, mein Kind?
Anna: Ach ja!
Marie: Du mufst das schwere, schwere Leben
auf Dich laden-------siehst Du, da bin ich besser
dran.-------Und Du wirst immer in Treue leben,
nicht wahr?
Anna (weint, bückt sich über ihre Hand).
Marie: Ich weifs ja, dafs Du ihn lieb hast, aber
nicht wahr, Du wirst nicht ungeduldig, später ein-
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MAX KLINGER, KOPFLEISTE AUS FEDERZEICHNUNGEN ZU AMOR UND PSYCHE
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WENN DIE BLAETTER FALLEN
TRAUERSPIEL IN EINEM AKT
VON
PAUL ERNST
PERSONEN: REINHOLD — CÜRT — MARIE — ANNA
ZEIT: LETZTES VIERTEL DES VORIGEN JAHRHUNDERTS — ORT: GARTEN
Anna (schiebt Marie ein Fufsbänkchen unter).
Marie: Danke Dir, liebes Kind — ach, wie
schön die Sonne scheint, so warm!
Anna: Ja, es ist wieder noch ein richtiger
Sommertag.
Marie: Da fliegt der Altweibersommer.'
Anna: Der Hafer ist noch lange nicht ein-
gebracht!
Marie: Ach bitte, noch das Tuch um die
Schultern, ja?
Anna: (giebt ihr das Tuch) So?
Marie: Danke Dir.
Anna: Nächste Woche soll Erntekranz gemacht
werden.
Marie: (hebt ein trocknes Blatt von ihrem Schoofs auf)
Ach sieh, ein trocknes Blatt!
Anna: Das erste trockne Blatt!
Marie: (nachdenklich) Wenn die Blätter fallen —
Anna (wendet sich ab).
Marie: Nicht weinen, liebes Kind!
Anna: Ach, ich weine doch nicht! (schluchzt).
Marie: Sieh mal, man mufs doch vernünftig
sein. Ich lebte ja auch noch ganz gern ein paar
Jahre, so dieses Leben im Krankenstübchen, wo die
Welt draufsen vor dem Fensterchen vorbeitrappelt
und nicht herein kommen kann — siehst Du, Du
glaubst garnicht, was das für ein Glück ist, so still
zu sitzen, und die Leute sind alle so gut und sanft
und glauben, man mufs ihnen leid thun — na,
wenn der liebe Gott nun nicht will, dann mufs
man schon folgen!
Anna: Ach, liebe, gute Herzensmarie!
Marie: (lächelnd) Immer still, immer hübsch still
—. — Siehst Du, wir müssen nicht nur gut sein,
wir müssen auch hübsch still sein, dann werden's
die andern Leute auch. Nicht wahr, mein Kind?
Anna: Ach ja!
Marie: Du mufst das schwere, schwere Leben
auf Dich laden-------siehst Du, da bin ich besser
dran.-------Und Du wirst immer in Treue leben,
nicht wahr?
Anna (weint, bückt sich über ihre Hand).
Marie: Ich weifs ja, dafs Du ihn lieb hast, aber
nicht wahr, Du wirst nicht ungeduldig, später ein-
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