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wiedergeben könne, in dem das Persönchen liegen soll. Er
begnügt sich hier nicht damit, die flachen Wellungen des
Sandes in gelbem Alabaster nachzubilden, er will auch das
Wasser selbst sehn und lässt sich zu diesem Zweck von einem
Chemiker für einige Tausend Mark eine Aetherlösung mischen,
welche nach ihrem allmählichen Verdunsten eine wasserhelle
duktile Masse ergeben soll. Aus dieser denkt er dann das
flacheWellengekräusel zu modellieren, welches das Körperchen
umspielt. Aber ein Teil der Flüssigkeit sickert durch einen
feinen Spalt des Beckens weg, und der Rest will auch nach
jahrelangem Warten nicht erstarren. So mufs denn die
Bronze endlich aus ihrem Bade gehoben werden — vielleicht
nicht zum Schaden der Kunst. Denn sie ist damit nicht nur
dem Gallert entronnen, in den sie versenkt werden sollte,
sondern auch ihrem etwas schweren Bassin.

Ein anderes Mal plant er eine besondere Lichtwirkung
für das kleine Ledarelief (S. 25). In dem Laubwerk am
oberen Rande sollen Glühlämpchen versteckt werden und ihr
Licht durch die Blätter wie Sonnenflecken auf den zusammen-
gebeugten nackten Körper streuen. Darauf wird man sich
freuen dürfen, umsomehr als derselbe Spürtrieb und Material-
sinn Klinger auch auf den Weg zu seiner Marmorleidenschaft
und damit zu einer ernsthaft monumentalen Polychromie ge-
leitet hat.

Des Künstlers Marmorliebhaberei wurde durch einen
Auftrag geweckt, den er 1886 für die Beschaffung eines Ka-
mins in der Steglitzer Villa Albers erhielt. Dieser Anlass
bringt ihn zuerst in den Bannkreis der farbigen Gesteine
und führt ihn auch nach Carrara. Hier war es, wo der An-

blick eines schönen Blockes von Seravezza-Marmor ihn so hin-
rifs, dafs er den Kopf seiner Kassandra (Pan 1895, Heft 1)
ohne Naturvorbild und ohne Modell „unmittelbar aus der
Tiere des Gemütes" in Stein hieb. Das war Klingers erster
plastischer Versuch in Marmor!

In dieser Leidenschaft ist er sich völlig gleich geblieben.
Noch in diesen Tagen veranlafst ihn der Besuch eines Carrara -
Unternehmers, der ihm schöne Marmorproben vorlegt, die
anziehende weibliche Büste in Thon anzulegen, die wir auf
dieser Seite geben. Es reizt ihn, die üppige Haarmasse,
welche wie eine dichte Kappe über dem Köpfchen lagert, in
dunklem Stein nachzubilden.

Zu dem oben erwähnten Kassandrakopfe aber wurde
nachträglich aus Grechetto-Marmor der erregt vorgebeugte
Oberkörper mit den edelschlanken Armen und den über-
einander gekrampften Händen gefügt. Sie passen so gut zu
dem strengen Schnitt des Antlitzes und dem traurigen Blick
der dunkel glühenden Augen. Es bedarf nicht erst des
Schmuck-Cameos mit der schlangenpressenden Hand auf
ihrer Brust, um zu sehn, dafs hier ein unaussagbares Weh der
Seherin am Herzen frifst. Der Königstochter aber hüllt der
Künstler die Glieder in ein wahrhaft fürstliches Gewand aus
goldlichtem Alabaster (Studien S. 60). Es wird durch ein
Bronzeband zusammengehalten, das die Marmorfuge decken
mufs.

Mannigfache technische Schwierigkeiten waren hier zu
überwinden. Der brüchige Alabaster wurde beim Zusammen-
setzen von der Last des Schulterteils in fünf Stücke ausein-
andergesprengt, und die Brust mufste nun eingeschränkt

MAX KLINGEK, SCHKIFTSTELLEKIN E. ASENJEFE (THON)

MAX KLINGEK, SCHRIFTSTELLERIN E. ASENJEFE (TKOK)

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