SONNENUNTERGANG
Leises leises Dunkeln
spinnt das Feld entlang,
dämmersanft ein Funkeln,
Sonnenuntergang.
Stilles Weinen wiegt im
milden Abendklang,
und mein Selbst versiegt im
Sonnenuntergang.
Zauberfernes Träumen
wie der Sonne Glut
über weiten Räumen,
Bilder hold und gut
kommen ohne Säumen,
unermessne Flut,
wie der Sonne Glut
über weiten Räumen . .
DIE BETTELKINDER
NACH ARTHUR RIMBAUD
Um das helle Kellerfenster gesteckt,
auf den Boden gehockt und die Hälse gereckt,
schwarz im Schnee und der Nacht,
sehn auf den Knien die Kleinen — o Not!
wie das schwere gelbe Brot
der Bäcker macht,
wie der nackte Arm die Masse schlägt,
zu einem hellen Loche trägt,
und stille horchen sie,
wie leises Knistern zu ihnen dringt.
Der Bäcker lächelt breit und singt
eine alte Melodie.
Stumm kauern sie da, es rührt sich nicht eins
beim Hauch des roten Feuerscheins,
der warm wie Blut.
Da, für irgend einen Mitternachtsschmaus,
hebt man in Kuchen das Brot heraus,
braun und gut.
Unter dem rauchigen Balken linde
singt die zarte duftende Rinde
leise wie Grillen,
und dies leuchtende Loch strömt neues Leben,
dafs sie unter den Lumpen mit Beben
ihre kleinen Herzen fühlen.
Sie fühlen sich neubelebt und erweckt,
diese Jesukindlein rauhreifbedeckt,
und es beben
die kleinen Mündchen, die fest sich legen
ans Gitter, und die sich leise bewegen
zwischen den Eisenstäben.
Ganz dumm schon, sprechen Gebete sie her,
hingeneigt zu dem offnen Himmelsmeer,
dem flutenden Feuerschein,
so brünstig, dafs sie die Hosen zerrissen —
und die Hemdlein flattern dünn und zerschlissen
im Wintersturmdräun . . .
MAX KLINGER, TANZEKINN'EN. ÜRONZE
C 53 I»
Leises leises Dunkeln
spinnt das Feld entlang,
dämmersanft ein Funkeln,
Sonnenuntergang.
Stilles Weinen wiegt im
milden Abendklang,
und mein Selbst versiegt im
Sonnenuntergang.
Zauberfernes Träumen
wie der Sonne Glut
über weiten Räumen,
Bilder hold und gut
kommen ohne Säumen,
unermessne Flut,
wie der Sonne Glut
über weiten Räumen . .
DIE BETTELKINDER
NACH ARTHUR RIMBAUD
Um das helle Kellerfenster gesteckt,
auf den Boden gehockt und die Hälse gereckt,
schwarz im Schnee und der Nacht,
sehn auf den Knien die Kleinen — o Not!
wie das schwere gelbe Brot
der Bäcker macht,
wie der nackte Arm die Masse schlägt,
zu einem hellen Loche trägt,
und stille horchen sie,
wie leises Knistern zu ihnen dringt.
Der Bäcker lächelt breit und singt
eine alte Melodie.
Stumm kauern sie da, es rührt sich nicht eins
beim Hauch des roten Feuerscheins,
der warm wie Blut.
Da, für irgend einen Mitternachtsschmaus,
hebt man in Kuchen das Brot heraus,
braun und gut.
Unter dem rauchigen Balken linde
singt die zarte duftende Rinde
leise wie Grillen,
und dies leuchtende Loch strömt neues Leben,
dafs sie unter den Lumpen mit Beben
ihre kleinen Herzen fühlen.
Sie fühlen sich neubelebt und erweckt,
diese Jesukindlein rauhreifbedeckt,
und es beben
die kleinen Mündchen, die fest sich legen
ans Gitter, und die sich leise bewegen
zwischen den Eisenstäben.
Ganz dumm schon, sprechen Gebete sie her,
hingeneigt zu dem offnen Himmelsmeer,
dem flutenden Feuerschein,
so brünstig, dafs sie die Hosen zerrissen —
und die Hemdlein flattern dünn und zerschlissen
im Wintersturmdräun . . .
MAX KLINGER, TANZEKINN'EN. ÜRONZE
C 53 I»