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PETER BEHRENS, ZIERLEISTE

MEIN WALD HERZEBRUCH

VON

DETLEV VON LILIENCRON '

Bin Mensch, All, Nichts
Nach Wahl des Lichts.

R. Dehmel.

Aus Hersebrook, ich weifs nicht wie, entstanden,
Ist „Herzebruch" getauft vom Volksmund heute
Mein Eibenwäldchen in den „Unterlanden".

Mein kleiner Wald — wie er von je mich freute!
Da bracht ich schon als Kind mein Herz zur Ruh,
Da barg ich mich, wenn mich die Welt bedräute.

Und immer wieder haucht er Trost mir zu,
Wenn schwere Wunden nicht vernarben wollen,
Wenn hart mich trat des Schicksals Eisenschuh.

Wo nah der Nordsee heilige Wogen grollen,
Wie kamen doch an diesen Strand die Eiben,
Wo Meerweib und Triton romantisch tollen.

So stehts in Sagen, alten Klosterschreiben:

Als einst „die Grofse Flut" von Frankreich rifs

Old England, kam auch ein Geländ ins Treiben

Von Schottlands Küste, ostwärts, schwamm und bifs
Sich in die fetten friesischen Marschen fest,
Als stund es hier, wie seit der Genesis.

Nur neunzehn Bäume hat mein Eibennest,
Von einer grofsen Waldnacht nur die Neige,
Von einstiger Märchennacht ein letzter Rest.

Bizarr, phantastisch starren ihre Zweige,
Sie streuen Gift dem, der darunter ruht,
Der Wald betäubt, betrittst du seine Steige.

Mir thut er nichts; mir sänftigt er das Blut,
Wenn ich in seinem kargen Schatten liege
Und mich vertraue seiner treuen Hut.

Mir ist er wie die kleine Kinderwiege,

Wo Mutterhände allem Unheil wehren,

Wo selbst des Teufels Fluch betroffen schwiege.

Als Knabe sah ich hier die ersten Zähren:
Verwundert horch ich auf, versteckt im Gras,
Und sehe eine junge Magd heimkehren.

Sie schluchzt und schluchzt und schluchzt ohn

Unterlafs,
Sie hält die Stirn umkrampft mit beiden Händen,
Drin bebt ein Briefpapier, zerknittert, nafs.

Und einst, jetzt ist es mir wie aus Legenden,
Sah ich mit meinen Eltern, noch nicht flügge,
Den Wald umglüht von Abendsonnenbränden.

Wie sonderbar: Tiefschwarz in roter Lücke,
Umarmten weinend Männer sich und Frauen,
Als ob ein blutiger Abschied sie erdrücke.

Von Heimat, Hof und Herd ins Elendgrauen

Hat des Erobrers Strenge sie verbannt,

Sie dürfen ihren Himmel nicht mehr schauen.

Ein Schiff liegt fahrtbereit am äufsersten Strand,
Ein Riesenschiff, die Fahnen halb gesenkt,
Das soll sie abstofsen ins fremde Land.

C 73 B

yo
 
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