tung vor. Es werden Gesamtmotive oder einzelne Bauglieder
verwendet um kleinere Gebilde zu formen. Es werden z. ß.
grofse gotische Turmmotive als Krönung in kleinem Mafs-
stabe wiederholt. Deutsche Renaissanceschränke zeigen
ganze Palastfacaden, allerlei Kleinkunst, wie Kästchen, Po-
kale etc. werden als Bauten en miniature behandelt. Ein
bezeichnendes Beispiel ist das Sebaldusgrab von Peter Vischer
in Nürnberg.
Es treten wie gesagt Formen, deren Entstehung mit der
Konstruktion imGrofsen zusammenhängt wiez.B.Rund-und
Spitzbögen — und deren Vorstellung mit einer gewissen
Gröfse verbunden ist, en miniature auf und damit ist der
reale Boden verlassen und das Gras wird, um bei meinem
Beispiel zu bleiben, als grofser Wald behandelt. Der Form-
charakter der verschiedenen Stile kommt dabei natürlich sehr
in Betracht. Der ausgesprochen konstruktive Charakter eines
Spitzbogens läfst sich nicht ausmerzen. Immerhin besitzt
jeder Stil einen von dem konstruktiven Wesen genügend un-
abhängige Formsprache, um der romantischen Uebertragung
nicht notwendig zu bedürfen.
Es ist bezeichnend, dafs die Antiken diese Romantik
nicht kennen. Sie haben jeglichen Gegenstand als reales Ge-
bilde in seinem eigenen Mafsstabe und Gröfsenverhältnisse zu
uns neu geformt. Alles ist im hellen Tageslicht gedacht, als
Teil der realen Welt. Auch die italienischen Möbel sind als
selbständige Gebilde gestaltet, nicht als Spiel mit Erinnerungs-
bildern grofser Bauten behandelt. Es werden dabei eben nur
Formen benutzt, welche Funktionen ausdrücken, nicht aber
im Grofsen entstandene konstruktive Bauglieder, oder es er-
leiden diese eine so starke Umformung, dafs der konstruk-
tive Charakter in einen ornamentalen übergeht.
Die Wiederholung eines Motivs am selben Bau in ver-
schiedenen Gröfsen, wie z. B. die unzähligen verschieden
grofsen Türmchen am Mailänder Dom, hat noch einen
weiteren Einflufs. Der Turm, der seine reale Bedeutung als
Bau hat, in den man hineingehen kann und der also in
einem real praktischen Verhältnisse zu uns steht und sein
Gröfsenmafs verlangt, wird in kleinem Mafsstabe, bei welchem
alle diese realen Möglichkeiten, diese reale Bedeutung auf hören,
als Turm eigentlich wesenlos,und nur noch als Bild, als Schein-
existenz wiederholt und dicht neben den wirklichen realen
Turm gestellt. Bei diesem Spiel mit dem Mafsstabe und mit
den Vorstellungsarten wird aber überhaupt das Gefühl des
Mafsstabs und der Realität geschwächt. Es verläfst uns eine
sichere Grüfsenempfindung, ähnlich wie es uns im Gebirge
ergeht, wo wir keine Gegenstände als bestimmte Anhalts-
punkte zum Messen der Entfernung vorfinden. An Stelle des
sicheren Raumgefühls tritt ein fantastischer Reiz des Un-
bestimmten, Unfafsbaren, ein Hauch des Unwirklichen.
Vergleichen wir diese Romantik in der Architektur mit
der in der Poesie, so erscheint erstere viel gewagter. Bei der
Poesie, wenigstens bei der erzählenden, versetzt die Sprache
als reines Innenprodukt uns überhaupt blos in die Welt des
Vorgestellten. Eine Vermischung von Vorstellungen erster
und zweiter Ordnung ist weder so in die Augen springend
noch als Gleichnis unseres Fantasielebens etwas Abnormes.
Viel eher ist die Architektur dem Drama zu vergleichen,
wo der Vorgang als wirklicher auftritt — aber auch hier
bleibt noch der Unterschied bestehen, dafs der Bühnenvor-
gang von der übrigen Realität abgegrenzt wird, nur allein
vor uns steht, eine Welt für sich ausmacht — während der
architektonische Bau inmitten der realen Umgebung als Teil
derselben Realität dasteht.
In der übrigen bildenden Kunst liegt die Sache anders.
Eine plastische Figur ist wie das gemalte Bild immer nur ein
Bild der Natur, hat keine Lebensfunktion wie ein Bau, in
den wir eintreten. Als Bild ist sie an keine Gröfse gebunden,
ebenso wie die Natur je nach der Distanz grofs oder klein er-
scheint. Die Figur ist nicht selbst Natur und will es nicht sein.
In der Welt der bildlichen Darstellung stört deshalb die
Anbringung von Figuren verschiedenen Mafsstabes, wenn sie
in keinem handelnden und nur in einem architektonischen
Zusammenhang gedacht sind, nicht, sie führen dann sozusagen
nur eine ornamentale Existenz bezüglich des Mafsstabes. Der
architektonische Bau ist aber nicht das Bild sondern das
Naturobjekt selbst, und wenn dasselbe Baugebilde doppelt
jetzt als real und dann wieder als blofses Bild auftritt, so
entsteht eine ähnliche Vermischung, als wenn wirkliche
Menschen und Statuen auf demselben Fufse verkehren würden.
Es läfst sich nicht läugnen, dafs in der romantischen
Uebertragung an sich ein so zu sagen billiges Gestaltungs-
prinzip liegt. Es handelt sich dabei mehr um die gröfsere
oder geringere Feinheit der Association, als um formende
Kraft.
Es giebt nun aber auch eine Mafsstabsübertragung im
entgegengesetzten Sinne. Die architektonische Schnecke ist
eigentlich ein ornamentales Gebilde und im kleinen Mafsstabe
erfunden. Das erste Mal wo sie meines Wissens grofs auf-
tritt, ist an der Mosaikfacade von S. M. Novella in Florenz.
Da ist sie nur als Zeichnung grofs verwendet, um die beiden
Giebelübergänge zu verzieren. Später sehen wir sie bei allen
Barockkirchen als wirkliche architektonische Form im grofsen
Mafsstabe auftreten. Ueberhaupt liegt im Barock die Nei-
gung vom Kleinen ins Grofse zu übertragen, aus dekora-
tiven, ursprünglich kleinen Motiven grofse architektonische
Formen zu machen, also eine Romantik im umgekehrten
Sinne, wodurch der konstruktive Charakter des Baues sich
in einen rein dekorativen auflöst. Anstatt ins Heimliche,
Trauliche zu verkleinern, wird das Grofse ein vergrößertes
Kleines, wir leben auf einem gröfseren Fufs, führen ein
üppigeres Dasein. Wenn wir diese beiden Prozesse sich
gegenüber stellen, so möchte es erscheinen, als wäre die ro-
mantische Verkleinerung aus der Fantasie des Baumeisters
entstanden, -weil das Festhaken der architektonischen Form
dabei bezeichnend ist, während die Vergröfserung vom Deko-
rativen ins Architektonische mehr vom Bildhauer ausgegangen
zu sein scheint, dem es überhaupt näher liegt, die Masse als
eine nicht konstruktive sondern gegebene anzusehen, die man
erst nachher formt, wodurch das konstruktive Element über-
haupt in den Hintergrund gedrängt wird; man denke an die
Anschauung von Michelangelo und seine Art, die Form aus
den Stein heraus zu holen.
Es läfst sich dieser Unterschied bei der architektonischen
Vorstellungsweise überhaupt festhalten. Dafs ein Bau aus
einzelnen Teilen sich zusammen setzt, ist eine praktische
Notwendigkeit, in wie weit aber diese Notwendigkeit in der
Formgebung zum Ausdrucke kommt, ist eine andere Frage.
Ich spreche hier nicht von dem Unterschiede, der darin liegt,
ob die reale Konstruktion mit der Formgebung wirklich
zusammen fällt, oder ob nur eine fingierte Konstruktion zur
C 105 3
w
verwendet um kleinere Gebilde zu formen. Es werden z. ß.
grofse gotische Turmmotive als Krönung in kleinem Mafs-
stabe wiederholt. Deutsche Renaissanceschränke zeigen
ganze Palastfacaden, allerlei Kleinkunst, wie Kästchen, Po-
kale etc. werden als Bauten en miniature behandelt. Ein
bezeichnendes Beispiel ist das Sebaldusgrab von Peter Vischer
in Nürnberg.
Es treten wie gesagt Formen, deren Entstehung mit der
Konstruktion imGrofsen zusammenhängt wiez.B.Rund-und
Spitzbögen — und deren Vorstellung mit einer gewissen
Gröfse verbunden ist, en miniature auf und damit ist der
reale Boden verlassen und das Gras wird, um bei meinem
Beispiel zu bleiben, als grofser Wald behandelt. Der Form-
charakter der verschiedenen Stile kommt dabei natürlich sehr
in Betracht. Der ausgesprochen konstruktive Charakter eines
Spitzbogens läfst sich nicht ausmerzen. Immerhin besitzt
jeder Stil einen von dem konstruktiven Wesen genügend un-
abhängige Formsprache, um der romantischen Uebertragung
nicht notwendig zu bedürfen.
Es ist bezeichnend, dafs die Antiken diese Romantik
nicht kennen. Sie haben jeglichen Gegenstand als reales Ge-
bilde in seinem eigenen Mafsstabe und Gröfsenverhältnisse zu
uns neu geformt. Alles ist im hellen Tageslicht gedacht, als
Teil der realen Welt. Auch die italienischen Möbel sind als
selbständige Gebilde gestaltet, nicht als Spiel mit Erinnerungs-
bildern grofser Bauten behandelt. Es werden dabei eben nur
Formen benutzt, welche Funktionen ausdrücken, nicht aber
im Grofsen entstandene konstruktive Bauglieder, oder es er-
leiden diese eine so starke Umformung, dafs der konstruk-
tive Charakter in einen ornamentalen übergeht.
Die Wiederholung eines Motivs am selben Bau in ver-
schiedenen Gröfsen, wie z. B. die unzähligen verschieden
grofsen Türmchen am Mailänder Dom, hat noch einen
weiteren Einflufs. Der Turm, der seine reale Bedeutung als
Bau hat, in den man hineingehen kann und der also in
einem real praktischen Verhältnisse zu uns steht und sein
Gröfsenmafs verlangt, wird in kleinem Mafsstabe, bei welchem
alle diese realen Möglichkeiten, diese reale Bedeutung auf hören,
als Turm eigentlich wesenlos,und nur noch als Bild, als Schein-
existenz wiederholt und dicht neben den wirklichen realen
Turm gestellt. Bei diesem Spiel mit dem Mafsstabe und mit
den Vorstellungsarten wird aber überhaupt das Gefühl des
Mafsstabs und der Realität geschwächt. Es verläfst uns eine
sichere Grüfsenempfindung, ähnlich wie es uns im Gebirge
ergeht, wo wir keine Gegenstände als bestimmte Anhalts-
punkte zum Messen der Entfernung vorfinden. An Stelle des
sicheren Raumgefühls tritt ein fantastischer Reiz des Un-
bestimmten, Unfafsbaren, ein Hauch des Unwirklichen.
Vergleichen wir diese Romantik in der Architektur mit
der in der Poesie, so erscheint erstere viel gewagter. Bei der
Poesie, wenigstens bei der erzählenden, versetzt die Sprache
als reines Innenprodukt uns überhaupt blos in die Welt des
Vorgestellten. Eine Vermischung von Vorstellungen erster
und zweiter Ordnung ist weder so in die Augen springend
noch als Gleichnis unseres Fantasielebens etwas Abnormes.
Viel eher ist die Architektur dem Drama zu vergleichen,
wo der Vorgang als wirklicher auftritt — aber auch hier
bleibt noch der Unterschied bestehen, dafs der Bühnenvor-
gang von der übrigen Realität abgegrenzt wird, nur allein
vor uns steht, eine Welt für sich ausmacht — während der
architektonische Bau inmitten der realen Umgebung als Teil
derselben Realität dasteht.
In der übrigen bildenden Kunst liegt die Sache anders.
Eine plastische Figur ist wie das gemalte Bild immer nur ein
Bild der Natur, hat keine Lebensfunktion wie ein Bau, in
den wir eintreten. Als Bild ist sie an keine Gröfse gebunden,
ebenso wie die Natur je nach der Distanz grofs oder klein er-
scheint. Die Figur ist nicht selbst Natur und will es nicht sein.
In der Welt der bildlichen Darstellung stört deshalb die
Anbringung von Figuren verschiedenen Mafsstabes, wenn sie
in keinem handelnden und nur in einem architektonischen
Zusammenhang gedacht sind, nicht, sie führen dann sozusagen
nur eine ornamentale Existenz bezüglich des Mafsstabes. Der
architektonische Bau ist aber nicht das Bild sondern das
Naturobjekt selbst, und wenn dasselbe Baugebilde doppelt
jetzt als real und dann wieder als blofses Bild auftritt, so
entsteht eine ähnliche Vermischung, als wenn wirkliche
Menschen und Statuen auf demselben Fufse verkehren würden.
Es läfst sich nicht läugnen, dafs in der romantischen
Uebertragung an sich ein so zu sagen billiges Gestaltungs-
prinzip liegt. Es handelt sich dabei mehr um die gröfsere
oder geringere Feinheit der Association, als um formende
Kraft.
Es giebt nun aber auch eine Mafsstabsübertragung im
entgegengesetzten Sinne. Die architektonische Schnecke ist
eigentlich ein ornamentales Gebilde und im kleinen Mafsstabe
erfunden. Das erste Mal wo sie meines Wissens grofs auf-
tritt, ist an der Mosaikfacade von S. M. Novella in Florenz.
Da ist sie nur als Zeichnung grofs verwendet, um die beiden
Giebelübergänge zu verzieren. Später sehen wir sie bei allen
Barockkirchen als wirkliche architektonische Form im grofsen
Mafsstabe auftreten. Ueberhaupt liegt im Barock die Nei-
gung vom Kleinen ins Grofse zu übertragen, aus dekora-
tiven, ursprünglich kleinen Motiven grofse architektonische
Formen zu machen, also eine Romantik im umgekehrten
Sinne, wodurch der konstruktive Charakter des Baues sich
in einen rein dekorativen auflöst. Anstatt ins Heimliche,
Trauliche zu verkleinern, wird das Grofse ein vergrößertes
Kleines, wir leben auf einem gröfseren Fufs, führen ein
üppigeres Dasein. Wenn wir diese beiden Prozesse sich
gegenüber stellen, so möchte es erscheinen, als wäre die ro-
mantische Verkleinerung aus der Fantasie des Baumeisters
entstanden, -weil das Festhaken der architektonischen Form
dabei bezeichnend ist, während die Vergröfserung vom Deko-
rativen ins Architektonische mehr vom Bildhauer ausgegangen
zu sein scheint, dem es überhaupt näher liegt, die Masse als
eine nicht konstruktive sondern gegebene anzusehen, die man
erst nachher formt, wodurch das konstruktive Element über-
haupt in den Hintergrund gedrängt wird; man denke an die
Anschauung von Michelangelo und seine Art, die Form aus
den Stein heraus zu holen.
Es läfst sich dieser Unterschied bei der architektonischen
Vorstellungsweise überhaupt festhalten. Dafs ein Bau aus
einzelnen Teilen sich zusammen setzt, ist eine praktische
Notwendigkeit, in wie weit aber diese Notwendigkeit in der
Formgebung zum Ausdrucke kommt, ist eine andere Frage.
Ich spreche hier nicht von dem Unterschiede, der darin liegt,
ob die reale Konstruktion mit der Formgebung wirklich
zusammen fällt, oder ob nur eine fingierte Konstruktion zur
C 105 3
w