Das schräge Feld zur Seite müsse aufser allem Zusammen-
hang mit dem Bilde sein und dulde nur runde oder senk-
rechte Formen, alle Horizontalen würden nur die Schief-
heit der Wand noch mehr betonen. Aus demselben Grunde
unterliefs Böcklin auch, das Feld durch herumlaufende Orna-
mentborten innen zu verzieren. Damit die weibliche Ge-
stalt (2 Mtr. hoch) imposant und mächtig wirke, hat Böcklin
die Tritonen vom untern Rande des Bildes ab in die Mitte
des Wassers gerückt. Und um dieses Zurückweichen zu
verstärken, brachte er auf das nebenstehende schräge Feld
etwas Vortretendes: ein Relief. (Die berühmtesten Männer
der Wissenschaft und Kunst.)1)
Auf den zweiten Treppenabsatz ist eine frucht-
bringende Ceres, auf den dritten eine blumenspendende
Flora (hoch über der daraufzuführenden Treppe) projektiert.
Ueber den drei Fenstern sind Landschaften projektiert,
die zu den vier Elementen Bezug haben sollen: 1) Urwelt-
liche Landschaft mit rasendem Sturm, z) Seesturm. 3) Vulkan.
Diese Bilder sollen nur auf Effekte gemalt werden, da es über
den Fenstern dunkel ist2).
Kostenanschlag für das grofse Bild 3000 Francs, für das
Ensemble der Wand das Doppelte.
Beim Antuschen des Entwurfs, den Böcklin zuerst mit
Kohle gezeichnet hatte, fand er Schwierigkeiten in der Be-
handlung (obwohl er erst mit verdünnter Milch fixiert hatte),
denn die Aquarellfarbe anstatt zu haften nahm die Kohle fort.
Im schrägen Feld erfordert die angenehme Wirkung, dafs
das Medaillon etwas über der eigentlichen Mitte stehe. Zum
Antuschen der architektonischen Durchschnitte gab mir
Böcklin: Weifs, Rot und Graphit. Graphit verband sich
aber nicht recht, sondern schwamm sowohl in der Tasse
obenauf wie auch beim Aufstreichen auf die Zeichnung. Er
ist von Gewicht zu leicht. Man mufs zu gleichmäfsigen
Mischungen Farbstoffe von gleicher Schwere nehmen.
Ich hätte eine zu ungleichmäfsige Pinselführung. Beim
Freskomalen und besonders beim Leimmalen, wo man immer-
fort improvisieren müsse, lerne man mit dem Pinsel um-
gehen.
Die Eifarbe (mit dem Gelben untermischt ohne das
schleimige Weifse im Ei) trocknet viel langsamer als die
mit blofsem Wasser aufgetragene Farbe, d ie beim Retouchieren
auf Freskogrund augenblicklich trocken wurde. Ist die Ei-
farbe aber einmal trocken, so kann man sie mit Wasser nicht
gut wieder fortnehmen, da das Eigelb mit dem Klebrigen
zugleich Fettiges enthält, welche Eigenschaften durch das
Zusetzen von einigen Tropfen Oel noch vermehrt werden.
(Mit der Zeit wird die Farbe so steinhart wie alteOelfarbe.)
Böcklin glaubt, das sei die Malerei der Pompejaner,
und dafs bei einigen Bildern z. B. den Centauren, Tänzerinnen,
schwebenden Gruppen etc. die Farbe so pastos daraufsitze,
käme daher, dafs sie mehrmals übereinander gemalt haben,
z. B. erst die Schatten und bis in das Licht hinein; dann das
Licht energisch darauf und bis in die Schatten hinein-
*) Nicht ausgeführr. (A. d. R.)
2) An Stelle dieser Landschaften traten später die Köpfe:
Medusa, Kritikus und Fratze. (A. d. R.)
verarbeitet; darauf die Schatten wieder nachgeholt u. s. w.
bis die Figuren plastisch waren. Da die Eifarbe eben lang-
sam trocknet, d. h. höchstens in 1 — 2 Stunden, so gestattet
sie eher als andere Leim- oder Harzfarben (jedoch immerhin
sehr schnell) etwas nafs in nafs zu vollenden. Zu erinnern
ist, dafs Ei sich in Spiritus zu einer in Wasser unlöslichen
Substanz auflöst. Durch Zugiefsen von etwas Essig kann
man Eigelb vorm Faulen bewahren.
Zu den Retouchen auf Fresko besonders ist die Eifarbe
am leichtesten und schönsten lasierend zu gebrauchen. Heller
zu malende Töne (also deckende Farben) sind schwer zu
treffen, leichter, wenn man ebenfalls lasierend verfährt. Man
mufs ziemlich viel Ei zusetzen, um sie haltbar zu machen,
sonst kann man sie mit dem Finger auswischen. Setzt man
viel Ei zu, so verändert sie sich beim Auftrocknen nur un-
merklich, wird bei von Natur untransparenten Farben sogar
manchmal dunkler. Das Glänzende der Oberfläche, glaubt
Böcklin, verschwinde mit der Zeit. Jeder al fresco gemalte
Strich sieht jedoch frischer und kühner aus als die al secco
gemalten.
Böcklin äufserte den Wunsch, nach etwa y/z Jahren,
wenn sein Junge die Schulzeit hinter sich habe, wieder nach
Italien überzusiedeln. In Italien entwickle man sich
fortwährend, suche man Probleme zu lösen, während man
in Deutschland wohl auch vorwärts kommen könne, aber
nur in einer beschränkten Weise. Man schaffe allerdings
mehr, suche aber nur das früher Erworbene auszubeuten. In
Rom ist das Arbeiten ein fortwährendes Kämpfen und Auf-
wärtsringen, und bei einem strebenden Künstler bezeichnet
dort fast jedes Werk eine neu erklommene Stufe.
Böcklin war bereits 0 Jahre in Italien, als er zum ersten-
mal nach Neapel kam. Der Eindruck war so gewaltig, dafs
er ganz aus der bisherigen Bahn getrieben wurde. Er bedaure
sehr, dafs er darüber fast ein ganzes Jahr verloren hätte, bis
er wieder mit sich ins Reine kam, dann hätte er aber einen
ganz neuen Weg eingeschlagen. Auch anno 1861, als er
im Herbst wieder von Weimar nach Italien zurückkehrte,
haben die neuen Eindrücke ihn wiederum völlig sich um-
ändern gemacht. Und was diesmal auf ihn so grofse Wirkung
machte, waren die Stanzen Rafaels, besonders das Bild des
Heliodor. Es schien ihm klar, dafs es das Grofsdekorative
in den Bildern ist, was selbst auf den Sinn des rohesten und
ungebildesten Menschen Eindruck macht; und das suchte
er auch in seinen nachherigen Bildern mehr anzustreben.
Man müsse sich in Rom nur vor dem Fremdenhandel
bewahren; liefse man sich einmal damit ein, so sei man für
die Kunst verloren.
*
Das Bild von Petrarca, das Böcklin in Rom schon
beinahe vollendet und auf Butterpapier aufgerollt nach Basel
heimgeschickt hatte, war bei der Ankunft gründlich verdorben,
das angeklebte Papier war stellenweise so fest angeklebt, dafs
Böcklin es garnicht wieder zu lösen vermochte und das Bild
noch einmal malen mufste. Ich glaube, es ist im Besitz von
einem Herrn Merian in Basel. Die Sappho hat ein Herr
Sarasin in Basel. Das Porträt seiner Frau mit einem Lor-
beerkranz in der Hand befindet sich ebenfalls in Basel, vom
Kunstverein angekauft.
C 108 B
hang mit dem Bilde sein und dulde nur runde oder senk-
rechte Formen, alle Horizontalen würden nur die Schief-
heit der Wand noch mehr betonen. Aus demselben Grunde
unterliefs Böcklin auch, das Feld durch herumlaufende Orna-
mentborten innen zu verzieren. Damit die weibliche Ge-
stalt (2 Mtr. hoch) imposant und mächtig wirke, hat Böcklin
die Tritonen vom untern Rande des Bildes ab in die Mitte
des Wassers gerückt. Und um dieses Zurückweichen zu
verstärken, brachte er auf das nebenstehende schräge Feld
etwas Vortretendes: ein Relief. (Die berühmtesten Männer
der Wissenschaft und Kunst.)1)
Auf den zweiten Treppenabsatz ist eine frucht-
bringende Ceres, auf den dritten eine blumenspendende
Flora (hoch über der daraufzuführenden Treppe) projektiert.
Ueber den drei Fenstern sind Landschaften projektiert,
die zu den vier Elementen Bezug haben sollen: 1) Urwelt-
liche Landschaft mit rasendem Sturm, z) Seesturm. 3) Vulkan.
Diese Bilder sollen nur auf Effekte gemalt werden, da es über
den Fenstern dunkel ist2).
Kostenanschlag für das grofse Bild 3000 Francs, für das
Ensemble der Wand das Doppelte.
Beim Antuschen des Entwurfs, den Böcklin zuerst mit
Kohle gezeichnet hatte, fand er Schwierigkeiten in der Be-
handlung (obwohl er erst mit verdünnter Milch fixiert hatte),
denn die Aquarellfarbe anstatt zu haften nahm die Kohle fort.
Im schrägen Feld erfordert die angenehme Wirkung, dafs
das Medaillon etwas über der eigentlichen Mitte stehe. Zum
Antuschen der architektonischen Durchschnitte gab mir
Böcklin: Weifs, Rot und Graphit. Graphit verband sich
aber nicht recht, sondern schwamm sowohl in der Tasse
obenauf wie auch beim Aufstreichen auf die Zeichnung. Er
ist von Gewicht zu leicht. Man mufs zu gleichmäfsigen
Mischungen Farbstoffe von gleicher Schwere nehmen.
Ich hätte eine zu ungleichmäfsige Pinselführung. Beim
Freskomalen und besonders beim Leimmalen, wo man immer-
fort improvisieren müsse, lerne man mit dem Pinsel um-
gehen.
Die Eifarbe (mit dem Gelben untermischt ohne das
schleimige Weifse im Ei) trocknet viel langsamer als die
mit blofsem Wasser aufgetragene Farbe, d ie beim Retouchieren
auf Freskogrund augenblicklich trocken wurde. Ist die Ei-
farbe aber einmal trocken, so kann man sie mit Wasser nicht
gut wieder fortnehmen, da das Eigelb mit dem Klebrigen
zugleich Fettiges enthält, welche Eigenschaften durch das
Zusetzen von einigen Tropfen Oel noch vermehrt werden.
(Mit der Zeit wird die Farbe so steinhart wie alteOelfarbe.)
Böcklin glaubt, das sei die Malerei der Pompejaner,
und dafs bei einigen Bildern z. B. den Centauren, Tänzerinnen,
schwebenden Gruppen etc. die Farbe so pastos daraufsitze,
käme daher, dafs sie mehrmals übereinander gemalt haben,
z. B. erst die Schatten und bis in das Licht hinein; dann das
Licht energisch darauf und bis in die Schatten hinein-
*) Nicht ausgeführr. (A. d. R.)
2) An Stelle dieser Landschaften traten später die Köpfe:
Medusa, Kritikus und Fratze. (A. d. R.)
verarbeitet; darauf die Schatten wieder nachgeholt u. s. w.
bis die Figuren plastisch waren. Da die Eifarbe eben lang-
sam trocknet, d. h. höchstens in 1 — 2 Stunden, so gestattet
sie eher als andere Leim- oder Harzfarben (jedoch immerhin
sehr schnell) etwas nafs in nafs zu vollenden. Zu erinnern
ist, dafs Ei sich in Spiritus zu einer in Wasser unlöslichen
Substanz auflöst. Durch Zugiefsen von etwas Essig kann
man Eigelb vorm Faulen bewahren.
Zu den Retouchen auf Fresko besonders ist die Eifarbe
am leichtesten und schönsten lasierend zu gebrauchen. Heller
zu malende Töne (also deckende Farben) sind schwer zu
treffen, leichter, wenn man ebenfalls lasierend verfährt. Man
mufs ziemlich viel Ei zusetzen, um sie haltbar zu machen,
sonst kann man sie mit dem Finger auswischen. Setzt man
viel Ei zu, so verändert sie sich beim Auftrocknen nur un-
merklich, wird bei von Natur untransparenten Farben sogar
manchmal dunkler. Das Glänzende der Oberfläche, glaubt
Böcklin, verschwinde mit der Zeit. Jeder al fresco gemalte
Strich sieht jedoch frischer und kühner aus als die al secco
gemalten.
Böcklin äufserte den Wunsch, nach etwa y/z Jahren,
wenn sein Junge die Schulzeit hinter sich habe, wieder nach
Italien überzusiedeln. In Italien entwickle man sich
fortwährend, suche man Probleme zu lösen, während man
in Deutschland wohl auch vorwärts kommen könne, aber
nur in einer beschränkten Weise. Man schaffe allerdings
mehr, suche aber nur das früher Erworbene auszubeuten. In
Rom ist das Arbeiten ein fortwährendes Kämpfen und Auf-
wärtsringen, und bei einem strebenden Künstler bezeichnet
dort fast jedes Werk eine neu erklommene Stufe.
Böcklin war bereits 0 Jahre in Italien, als er zum ersten-
mal nach Neapel kam. Der Eindruck war so gewaltig, dafs
er ganz aus der bisherigen Bahn getrieben wurde. Er bedaure
sehr, dafs er darüber fast ein ganzes Jahr verloren hätte, bis
er wieder mit sich ins Reine kam, dann hätte er aber einen
ganz neuen Weg eingeschlagen. Auch anno 1861, als er
im Herbst wieder von Weimar nach Italien zurückkehrte,
haben die neuen Eindrücke ihn wiederum völlig sich um-
ändern gemacht. Und was diesmal auf ihn so grofse Wirkung
machte, waren die Stanzen Rafaels, besonders das Bild des
Heliodor. Es schien ihm klar, dafs es das Grofsdekorative
in den Bildern ist, was selbst auf den Sinn des rohesten und
ungebildesten Menschen Eindruck macht; und das suchte
er auch in seinen nachherigen Bildern mehr anzustreben.
Man müsse sich in Rom nur vor dem Fremdenhandel
bewahren; liefse man sich einmal damit ein, so sei man für
die Kunst verloren.
*
Das Bild von Petrarca, das Böcklin in Rom schon
beinahe vollendet und auf Butterpapier aufgerollt nach Basel
heimgeschickt hatte, war bei der Ankunft gründlich verdorben,
das angeklebte Papier war stellenweise so fest angeklebt, dafs
Böcklin es garnicht wieder zu lösen vermochte und das Bild
noch einmal malen mufste. Ich glaube, es ist im Besitz von
einem Herrn Merian in Basel. Die Sappho hat ein Herr
Sarasin in Basel. Das Porträt seiner Frau mit einem Lor-
beerkranz in der Hand befindet sich ebenfalls in Basel, vom
Kunstverein angekauft.
C 108 B