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Hercules Prodicius

so sehr den Höhepunkt einer ganz bestimmten Stiltendenz, ist so sehr
„Reinform" einer eindeutigen Gestaltungsabsicht, daß es, ganz anders
als die reiche Mischform des Farnesebildes, zum Ausgangspunkt einer
wirklichen Weiterentwicklung nicht werden konnte. Ein Klassizist des
19. Jahrhunderts wie der von Mörike so hoch verehrte Eberhard
Wächter (Abb. 97) vermochte wohl, die zart bewegten Gestalten der
Poussinschen Komposition, die er, wie ohne weiteres ersichtlich, aus
Stranges Stich gekannt haben muß, durch antike Monumentalskulpturen
zu ersetzen (immer noch unter Wahrung des reinen Profils bei den Frauen
und immer noch unter Aufrechterhaltung des Philostratischen Gegen-
satzes in Haartracht und Fußbekleidung), der Gesamtkomposition durch
relative Vergrößerung der Figuren eine gewisse Wuchtigkeit zu geben und
den Gedanken des „Scheideweges“ durch deutlichere Charakterisierung
der Landschaft und Aufstellung einer Grenzherme mehr zu betonen*): die
wundervolle Eurhythmie des Poussin-Bildes zu überbieten oder auch nur
festzuhalten, vermochte er nicht. Der „Geist des Klassischen“ — von
vornherein mehr Wunschbild als geschichtliche Realität — war gestorben
mit denen, die ihn zuerst beschworen hatten.

VIII.

Mit der Feststellung, daß Raffaels „Traum des Ritters“ als die Ent-
scheidung des jungen Scipio zu deuten ist, ist das Problem des kleinen Ge-
mäldes noch nicht vollständig gelöst. Das Bild kommt, wie wir wissen,
aus der Borghese-Sammlung, wo es 1650 erstmals erwähnt wird1 2), und
hat das genau quadratische Format von 17x17 cm, das ausweislich der
schönen Vorzeichnung (Fischei, Raphaels Zeichnungen, Nr. 40) nicht
etwa durch Beschneidung der Seitenränder zustandegekommen ist, son-
dern von Anfang an vorgesehen war. Der gleichen Sammlung nun ent-
stammen die „Drei Grazien“ in Chantilly3) (Abb. 29); und da auch
dieses Bild das ungewöhnliche Format von 17 X17 cm besitzt, wäre es
ein mehr als sonderbarer Zufall, wenn es nicht mit dem Traum des Scipio
zusammengehört hätte — sei es als Gegenstück, sei es (was uns wahr-
scheinlicher ist, aber nur durch eine technische Untersuchung bewiesen
werden könnte) als Reversbild. Nun hat aber weiterhin von Frimmel mit

1) Stuttgart, Württemb. Landeskunstslgn., Gemäldegallerie Nr. 922, gemalt 1839.
Unbekannt blieb uns leider ein in Naglers Künstlerlex. erwähntes Gemälde von Hans
Martin von Veith, das 1835 mit der Slg. Veith in Schaffhausen versteigert sein soll, ebenso
ein in Thieme-Beckers Künstlerlexikon genanntes, zwischen 1809 und 1812 entstandenes
Bild des aus Belluno stammenden Malers Giov. Demin (1786-1859).

2) Vgl. oben S. 39.

3) Erwähnt bei Jacopo Manilli, 1. c. Noch heute tragen die beiden Bilder die alten,
von gleicher Hand geschriebenen Inventarnummern: dasjenige in Chantilly die Nr. 68,
das Londoner die Nr. 69.
 
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