Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Passavant, Johann David
Die christliche Kunst in Spanien — Leipzig, 1853

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2157#0038
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
30

nicht zu verwundern, wenn ein geistreicher Architekt von
rationeller Richtung, sie „eine Architektur holden Wahnsinns"
nannte. Allein nicht nur entfaltet sie anzuerkennende Schön-
heiten, sondern sie ist auch historisch sehr wichtig, da sie
uns ganz in die eigentümlichen Zeiten und Zustände eine
edeln Aufschwungs des menschlichen Geistes versetzt und
hierüber merkwürdige Aufschlüsse giebt.

Dass ihr Einfluss jedoch nur unwesentlich auf die Ent-
wicklung der christlichen Kirchenbaukunst, selbst in Spa-
nien, gewesen, ist eben so sehr durch die grosse Abneigung
der katholischen Geistlichkeit gegen alles Maurische, als auch
durch die erst so spät zur Blüthe gekommene Ausbildung der
maurischen Architektur leicht erklärlich. Weit ergreifender
war ihr Einfluss auf die Civilbaukunst. Selbst einige der
bedeutendsten Paläste in Sevilla sind in ganz maurischer
Weise gebaut. So der Theil des Alcazar, den Don Pedro,
König von Castilien und Leon durch maurische Werkleute im
Jahr 1364 aufführen Hess. Auch das sogenannte Haus des
Pilatus, von Fadrique Enriques de Ribera im Jahr 1533 zum
Andenken an seine Pilgerschaft nach Jerusalem gebaut, ist
in seinen Haupttheilen maurisch. Eben so die Paläste Me-
dina Coeli und des Herzogs von Alba. — Der Einfluss auf
die Ornamentik der Kirchen germanischen Styls fand haupt-
sächlich erst im 15. Jahrhundert statt, nachdem die Mauren
aus dem grössten Theil Spaniens vertrieben waren und jene
Baukunst ihrem Verfall entgegenging, wie ich dieses schon
oben darzustellen gesucht habe. Es ist deshalb sehr irrig,
die maurische Architektur in eine tief eingreifende Beziehung
zur christlichen, sei es romanischen oder germanischen zu
bringen; vielmehr erweist es sich, dass beide aus der antiken
hervorgegangen und nach dem Geist der Nationen, jede auf
eine eigenlhümliche Weise, sich entwickelt haben.

Ueber die von den Mauren mit besonderer Sorgfalt be-
handelten Bauten für die Bewässerung des Landes, welche
viele jetzt öde Gegenden in Spanien ehedem so fruchtbar
machten, oder, wo sie erhalten wurden, noch zum Segen der
 
Annotationen