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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0074
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70 A. Pick

solcher Lebhaftigkeit sich einstellten, daß er das Neue fur einen
Augenblick gar nicht sah, was sich dann in raschem Wechsel noch mehr-
fach wiederholte; ähnlich war es auch hei den folgenden Ausgängen.

Am 16. Februar ging er nun, da man ihm mehrfach gesagt hatte,
daß am oberen Ende des Wenzelplatzes an die Stelle, wo seiner
Erinnerung nach ein altes Stadttor stand, schon seit langem ein
monumentaler Museumsbau getreten war, dorthin und da trat nun
folgendes ein: Als er zunächst um das Museum herumging, wußte
er nicht was es war, und ging deshalb mehrere Schritte zurück, um
es ganz zu erfassen; als er es jetzt betrachten wollte, war es plötz-
lich fort und er sah wieder vor sich das alte Tor und einen gerade
durch dasselbe hereinfahrenden mit Stroh beladenen Leiterwagen;
nach einem Intervall, das der Beschreibung nach gewiß nur Sekunden,
vielleicht auch nur Teile einer solchen umfaßte, und das von fast
zwangsmäßig auftretenden Erklärungsideen »warum das allesso sei?«
ausgefüllt ist, sieht er wieder das Museum ; der so sich wiederholende
mehrfache Wechsel des Gesehenen regte ihn, wie schon beschrieben,
so auf, daß er das Weite suchte.

Er wiederholte nun mehrmals die Besichtigung des Museums,
weil er sich überzeugen wollte, ob es wirklich dort stehe, er ver-
suchte, es sich von verschiedenen Seiten aus zur Anschauung zu
bringen und zwar, wie er ganz offen sagt, deshalb um sich zu über-
zeugen, ob nicht das Ganze doch eine absichtliche Täuschung sei,
was er darauf stützte, daß seine alten Erinnerungsbilder von dem
Tore und der daran anschließenden Stadtmauer so scharfe und deut-
liche seien, daß er die Wirklichkeit nicht erkennen konnte. Endlich
ging er einmal mit der ausgesprochenen Absicht hin, sich durch
Betasten des ganzen Gebäudes und das Beschreiten der Aufgangs-
stiege von der Wirklichkeit des Museums zu überzeugen. Das führte
er nun tatsächlich aus, klopfte auch mit dem Stocke an die Wände
und erzählte nachträglich, daß er, ehe er das Gebäude berührte,
förmlich in Angst geriet, daß ihm das Ganze »entweichen« werde,
während er, nachdem er es tatsächlich betastet und die Überzeugung
von der »Richtigkeit« gewonnen hatte, ganz erfreut darüber war,
daß es doch kein »Schwindel« sei. Ganz dasselbe erzählt er nun
auch von anderen Partien der Stadt, wo er jedesmal erst durch viel-
fache Berührung sich von der Wirklichkeit überzeugte.
 
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