150 Max Scheler
ist weiterhin gegeben in der Erscheinung des »Verdrängens«, die
neuerdings von der Schule S. Fkeuds so energisch hervorgehoben
worden ist; freilich auch in ein solches Netz fragwürdiger Theorien
hier eingewoben ist, daß man zunächst gut tun wird, sich nicht an
die Sprache dieser Schule zu halten. Wir verstehen hier unter »Ver-
drängung« nicht eine kausale Hypothese, sondern eine tatsächliche
Erscheinung, die sich im Akte innerer Wahrnehmung häufig einstellt.
Sie besteht in einem triebartig sich einstellenden inneren Wegsehen
von Kegungen des Fühlens und Strebens, des Liebens und Hassens,
und zwar von solchen Regungen, die voll wahrgenommen ein nega-
tives Werturteil (sei es des eigenen »Gewissens«, sei es eines sozialen,
von uns anerkannten Kodex von Regeln) zur Folge hätten. Es wäre
sehr irrig, diese Erscheinung nur auf die Erinnerung an frühere
Erlebnisse zu beschränken. Die Erinnerung bietet für sie nur ein
besonders fruchtbares Feld. Aber vorhanden ist sie auch schon bei
der inneren Wahrnehmung gegenwärtiger Erlebnisse. Man wird
fragen: wie ist denn da »Verdrängung« möglich, die sich doch von
aller »sittlichen Selbstbeherrschung«, d. h. jeder bewußt willkür-
lichen Hemmung und Unterdrückung voll gesehener Erlebnisse da-
durch streng scheidet, daß hier die Erlebnisse zwar da sind, aber
nicht gesehen werden und daß sie nicht in bewußten Wollensakten,
sondern triebartig aus den Augen gesetzt werden. Muß man denn
nicht das Erlebnis schon innerlich wahrgenommen haben, damit es
verdrängt werden könne? Indes ich erinnere hier an früher Gesagtes:
das Wertparfüm sozusagen eines Erlebnisses, einer Gefühls- oder
Strebensregung ist der inneren Wahrnehmung schon gegenwärtig,
wenn das Erlebnis selbst, insbesondere der Inhalt, auf den das Streben
oder Fühlen, das Hassen und Lieben »Richtung« hat, noch nicht
gegenwärtig ist. Und schon auf diesen zunächst erscheinenden Wert
hin reagiert jene triebartige Tätigkeit, die das Erlebnis von der
Schwelle der inneren Wahrnehmung zurückhält. — Und so bleibt das
Erlebnis nicht nur der Urteilssphäre verschlossen — dies ist ja auch
bei voll wahrgenommenen Erlebnissen oft der Fall, daß kein Urteil
darüber ergeht — sondern schon der Sphäre innerer Wahrnehmung.
Es ist eine ganz andere Tatsache, wenn ein Erlebnis wahrgenommen
ist, und nun etwa Stolz, Scham, Pflicbtmotive mit der ihm inne-
wohnenden Tendenz im Streit liegen und seine Auswirkung in Aus-
ist weiterhin gegeben in der Erscheinung des »Verdrängens«, die
neuerdings von der Schule S. Fkeuds so energisch hervorgehoben
worden ist; freilich auch in ein solches Netz fragwürdiger Theorien
hier eingewoben ist, daß man zunächst gut tun wird, sich nicht an
die Sprache dieser Schule zu halten. Wir verstehen hier unter »Ver-
drängung« nicht eine kausale Hypothese, sondern eine tatsächliche
Erscheinung, die sich im Akte innerer Wahrnehmung häufig einstellt.
Sie besteht in einem triebartig sich einstellenden inneren Wegsehen
von Kegungen des Fühlens und Strebens, des Liebens und Hassens,
und zwar von solchen Regungen, die voll wahrgenommen ein nega-
tives Werturteil (sei es des eigenen »Gewissens«, sei es eines sozialen,
von uns anerkannten Kodex von Regeln) zur Folge hätten. Es wäre
sehr irrig, diese Erscheinung nur auf die Erinnerung an frühere
Erlebnisse zu beschränken. Die Erinnerung bietet für sie nur ein
besonders fruchtbares Feld. Aber vorhanden ist sie auch schon bei
der inneren Wahrnehmung gegenwärtiger Erlebnisse. Man wird
fragen: wie ist denn da »Verdrängung« möglich, die sich doch von
aller »sittlichen Selbstbeherrschung«, d. h. jeder bewußt willkür-
lichen Hemmung und Unterdrückung voll gesehener Erlebnisse da-
durch streng scheidet, daß hier die Erlebnisse zwar da sind, aber
nicht gesehen werden und daß sie nicht in bewußten Wollensakten,
sondern triebartig aus den Augen gesetzt werden. Muß man denn
nicht das Erlebnis schon innerlich wahrgenommen haben, damit es
verdrängt werden könne? Indes ich erinnere hier an früher Gesagtes:
das Wertparfüm sozusagen eines Erlebnisses, einer Gefühls- oder
Strebensregung ist der inneren Wahrnehmung schon gegenwärtig,
wenn das Erlebnis selbst, insbesondere der Inhalt, auf den das Streben
oder Fühlen, das Hassen und Lieben »Richtung« hat, noch nicht
gegenwärtig ist. Und schon auf diesen zunächst erscheinenden Wert
hin reagiert jene triebartige Tätigkeit, die das Erlebnis von der
Schwelle der inneren Wahrnehmung zurückhält. — Und so bleibt das
Erlebnis nicht nur der Urteilssphäre verschlossen — dies ist ja auch
bei voll wahrgenommenen Erlebnissen oft der Fall, daß kein Urteil
darüber ergeht — sondern schon der Sphäre innerer Wahrnehmung.
Es ist eine ganz andere Tatsache, wenn ein Erlebnis wahrgenommen
ist, und nun etwa Stolz, Scham, Pflicbtmotive mit der ihm inne-
wohnenden Tendenz im Streit liegen und seine Auswirkung in Aus-