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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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Zweites und drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0224
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220 0. Külpe

über eine gewisse Zeit sich hinerstreckende Tätigkeit, nicht ihr Ab-
schluß gewollt wird, wie z. B. bei der Absicht spazieren zu gehen
oder zu arbeiten. Das Schema von Liepmann würde hier nur bis
zum Beginn der Tätigkeit reichen, für eine Darstellung ihres Verlaufs
ist es nicht eingerichtet.

Wie von Ober- und Gesamtvorstellungen, redet Liepmann auch
von Zielvorstellungen, die dann noch in Haupt-, Teil- und
Zwischenzielvorstellungen eingeteilt werden. Auch hier ist der Aus-
druck Vorstellung nur in den Fällen anstandslos zu gebrauchen, wo
es sich um optische, akustische oder andere Sinnesvorstellungen
handelt. Ein Ziel braucht aber in dieser Form gar nicht gegeben
zu sein. Man kann davon wissen, daran denken, eine Bewußtheit
davon haben, wie z. B. bei der Absicht eine mathematische Formel
zu verstehen oder eine Unterhaltung über philosophische Probleme
zu führen. Da nun das Gegebensein eines Sinneseindrucks nur in
den seltensten Fällen als ein Ziel vorschweben wird, so kann man
für die Anwendung des Namens Vorstellung nicht einmal die Kegel
ins Feld führen : Denominatio fit a potiori. Es wäre an der Zeit in
bezug auf solche Tatbestände eine differenziertere Terminologie an-
zuwenden.

Das hätte auch noch den Vorteil, daß die Annahme erschüttert
würde, wonach das bloße Haben einer Vorstellung und etwa noch
dazu ein aufmerksames Gerichtetsein auf sie diese zu einer Zielvor-
stellung machte. Aber einen Erfolg wollen und einen Erfolg vor-
stellen ist durchaus zweierlei. Das Wollen des Kerzenanzündens ist
nicht identisch mit der Vorstellung desselben. Darum kann keine
Vorstellung als solche den Charakter einer Zielvorstellung haben, auch
wenn sie sich auf einen Sinneseindruck beziehen läßt, ihn gewisser-
maßen antezipiert. In der bloßen Vorstellung ist mit anderen Worten
keine Aufgabe enthalten, die ich zu erfüllen habe. Nur von dieser
geht die determinierende Tendenz aus, eine bestimmte Handlung
auszuführen. Die Vorstellungen oder Gedanken, in denen solche
Aufgaben vergegenwärtigt werden, sind nur Hilfsmittel für die Re-
präsentation derselben im Bewußtsein1.

Wenn sodann Liepmann zu sagen scheint, daß die Erfolgs- oder

1 Vgl. dazu namentlich Ach: Der Wille und das Temperament. 1910.
 
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