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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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Zweites und drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0225
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Psychologie und Medizin. 221

Zielvorstellung gewollt werde, so ist das nur als eine uneigentliche
Ausdrucksweise anzusehen. Nicht die Art der Vergegenwärtigung
eines Zieles, eines Zweckes oder Erfolges kann hier gewollt sein,
sondern das Ziel, der Erfolg, der Zweck selbst. Darum ist es relativ
gleichgültig, wie ich mir ein Ziel vergegenwärtige und ob ich es mir
überhaupt explicite zum Bewußtsein bringe, wenn nur die Intention
darauf besteht. Und so kann die Angabe der sogenannten Zielvor-
stellung auch mit Zuhilfenahme der »Ausgangsvorstellung« nicht
genügen, um eine Willenshandlung zu charakterisieren. Es muß
immer noch hinzugefügt werden, ob eine Intention auf sie in der
Erfolgsrichtung bestand. Vom psychologischen Gesichtspunkte aus
betrachtet ist somit das Schema von Liepmann ungenügend. Es be-
rücksichtigt zu wenig das innere Gefüge der Handlung und die
Aktivität des Subjektes bei der Einleitung einer solchen. Es steht
trotz allem noch zu sehr unter dem Zeichen der Assoziationspsycho-
logie.

Wenden wir uns nun der Bewegungsformel selbst zu, welche die
Übertragung der Zielvorstellung auf den handelnden Organismus
veranschaulichen soll. Diese Formel kann eine Geltung zunächst
nur beanspruchen für die eingeübten Handlungen. Wenn Liep-
mann der Ansicht ist, daß der Prozeß bei uneingeübten und einge-
übten Handlungen ganz derselbe sei, so ist das sicherlich unrichtig.
Es ist doch etwas anderes, ob man die Teilzielvorstellungen erst
finden und in Bereitschaft setzen muß, oder ob man sie einfach ab-
schnurren lassen kann. Damit soll nicht bestritten werden, daß die
Abkürzung eines Handlungsverlaufes durch Übung ihre Grenzen hat.
Gewisse sensorisch-motorische Stationen werden auch bei den ein-
geübten Handlungen durchlaufen werden müssen. Aber daß sie von
denselben psychischen Vorgängen begleitet zu sein brauchen, wird
man auf Grund der Beobachtung gewiß nicht annehmen dürfen. Es
spielt hier die schwierige Frage des Unbewußten hinein, die durch
bloße Berufung auf die fehlende Aufmerksamkeit nicht befriedigend
beantwortet werden kann. Denn ganz abgesehen davon, daß dieser
Begriff, wie wir schon oben zeigten, nicht eindeutig genug ist, um
zu Erklärungszwecken einfach herangezogen werden zu können, weist
schon eine Tatsache daraufhin, daß das bloße Fehlen oder Zurück-
treten der Aufmerksamkeit nicht bloß ein Herabsinken auf die

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