Stottern als assoziative Aphasie. 489
Die Sache ist nun nicht so, wie sie sich nach der »Spasmen-
theorie« der KüSSMAüL-GüTZMANNschen Anschauung auszunehmen
scheint, als ob nämlich jede andere legale Erklärungsweise strikte
ausgeschlossen sei, wenn man nicht die Wernicke-FLECHSiGsche
Lokalisationsanatomie akzeptiert oder seinen sprachphysiologischen
Anschauungen zugrunde gelegt hat. Es ist vielmehr umgekehrt: es
ist von der genannten Richtung eist noch der Beweis dafür zu er-
bringen, warum man erstens überhaupt ausschließlich in anatomi-
schen bzw. pathologisch-anatomischen Vorstellungen sich bewegt hat,
um die Stotterbewegungen zu erklären, und warum man eine Korrek-
tur einer Anschauung, die den Stotternden bei einigermaßen genauer
Überlegung doch geradezu den Verstand abspricht, nicht allgemein
versucht, sondern nicht gezögert hat, sogar an Gehirnläsion zu denken,
wie oben gezeigt wurde. Gützmann selbst hat diese Schwierigkeit
wohl gefühlt und ihrer in einer mehr beschreibenden wie kritischen
Arbeit gedacht (»Das Verhältnis der Affekte zu den Sprachstörungen«:
1905), jedoch auch diesmal ohne Denhardts Anschauung zu würdigen;
wir haben wohl wieder die WERNiCKE-FLECHSiGschen Imponderabilien
vor uns. Die eigentlichen Schwierigkeiten der Auffassung sind auch
in dieser Arbeit nicht gelöst. Andere Arbeiten anderer Autoren (z. B.
Liebmann, Stern, Oltuszewski, H.E.Knopf, Treitel, Kobracku.a.,
sowie auch gelegentliche Bemerkungen bei Möbius, Steckel u. a.)
iahen zur Klärung der Prinzipienfragen nicht beigetragen.
Wir wollen im folgenden die Hauptpunkte der Symptomatologie
zusammenstellen.
1. Primär ataktisches Sprechen: »Wiederholungsstottern«,
meist ohne wesentliche Gefühlsbeteiligung, bei Kindern, deren Psyche
wesentliche Merkmale schwererer Neuropathie noch nicht zeigt, zur
^eit der grammatikalisch-logischen Sprachentwicklung.
2. Die Symptome des ausgebildeten Stotterns, wie es
S1cn, nach meiner Kasuistik, in je rund 33 Proz. der Fälle entwickelt
a) auf neuropathischer Grundlage, hervorgegangen aus dem vorigen ;
b) nach Krankheiten im Kindesalter, wie z. B. nach Diphtheritis,
' charlach, Masern, Keuchhusten, Rippenfellentzündung, Lungenent-
zündung, auch nach Meningitis, Encephalitis, Eklampsie, Gelenk-
eumatismus, Typhus, Magendarmkatarrh, sowie nach Intestinal-
eizen und Intoxikationen (Vermes, einseitige Ernährung);
Die Sache ist nun nicht so, wie sie sich nach der »Spasmen-
theorie« der KüSSMAüL-GüTZMANNschen Anschauung auszunehmen
scheint, als ob nämlich jede andere legale Erklärungsweise strikte
ausgeschlossen sei, wenn man nicht die Wernicke-FLECHSiGsche
Lokalisationsanatomie akzeptiert oder seinen sprachphysiologischen
Anschauungen zugrunde gelegt hat. Es ist vielmehr umgekehrt: es
ist von der genannten Richtung eist noch der Beweis dafür zu er-
bringen, warum man erstens überhaupt ausschließlich in anatomi-
schen bzw. pathologisch-anatomischen Vorstellungen sich bewegt hat,
um die Stotterbewegungen zu erklären, und warum man eine Korrek-
tur einer Anschauung, die den Stotternden bei einigermaßen genauer
Überlegung doch geradezu den Verstand abspricht, nicht allgemein
versucht, sondern nicht gezögert hat, sogar an Gehirnläsion zu denken,
wie oben gezeigt wurde. Gützmann selbst hat diese Schwierigkeit
wohl gefühlt und ihrer in einer mehr beschreibenden wie kritischen
Arbeit gedacht (»Das Verhältnis der Affekte zu den Sprachstörungen«:
1905), jedoch auch diesmal ohne Denhardts Anschauung zu würdigen;
wir haben wohl wieder die WERNiCKE-FLECHSiGschen Imponderabilien
vor uns. Die eigentlichen Schwierigkeiten der Auffassung sind auch
in dieser Arbeit nicht gelöst. Andere Arbeiten anderer Autoren (z. B.
Liebmann, Stern, Oltuszewski, H.E.Knopf, Treitel, Kobracku.a.,
sowie auch gelegentliche Bemerkungen bei Möbius, Steckel u. a.)
iahen zur Klärung der Prinzipienfragen nicht beigetragen.
Wir wollen im folgenden die Hauptpunkte der Symptomatologie
zusammenstellen.
1. Primär ataktisches Sprechen: »Wiederholungsstottern«,
meist ohne wesentliche Gefühlsbeteiligung, bei Kindern, deren Psyche
wesentliche Merkmale schwererer Neuropathie noch nicht zeigt, zur
^eit der grammatikalisch-logischen Sprachentwicklung.
2. Die Symptome des ausgebildeten Stotterns, wie es
S1cn, nach meiner Kasuistik, in je rund 33 Proz. der Fälle entwickelt
a) auf neuropathischer Grundlage, hervorgegangen aus dem vorigen ;
b) nach Krankheiten im Kindesalter, wie z. B. nach Diphtheritis,
' charlach, Masern, Keuchhusten, Rippenfellentzündung, Lungenent-
zündung, auch nach Meningitis, Encephalitis, Eklampsie, Gelenk-
eumatismus, Typhus, Magendarmkatarrh, sowie nach Intestinal-
eizen und Intoxikationen (Vermes, einseitige Ernährung);