Psychologie und Medizin. 191
die moderne psyehopathologisehe Forschung darbietet. Es wäre leicht,
in den Arbeiten geringeren Ranges, an der Durchschnittsforschung
ein psychologisches Exempel zu statuieren. Ergiebiger und wirk-
samer dürfte die Lösung der Aufgabe sein, die ich mir hier gestellt
habe. Ich möchte nicht den Anschein erwecken, als wenn ich gerade
an untergeordneten Erzeugnissen die Notwendigkeit einer psycho-
logischen Ergänzung und Begründung dartun wollte.
I. Zur Methode der Untersuchung.
Es ist in der modernen Psychiatrie eine große Mannigfaltigkeit
von Methoden ausgebildet worden, um den psychischen status prae-
sens bei einem geisteskranken Individuum genau aufzunehmen und
über seine Vorgeschichte einiges zu erfahren. Man bedient sich da-
bei außer der schlichten Beobachtung teils einfacher Experimente
zur Prüfung der Sinnestätigkeit, der Merkfähigkeit, der Verstandes-
leistung u. a. m.1, teils einer Befragung der Kranken nach verschie-
denen Gesichtspunkten2, teils eines autobiographischen oder tagebuch-
artigen Verfahrens, um den Kranken selbst Gelegenheit zu geben,
sich über ihre Zustände und Erlebnisse zu äußern.
Daß die experimentelle Psychopathologie von der experimentellen
Normalpsychologie ausgegangen ist und nach wie vor unter ihrem
Einfluß steht, wird niemand bestreiten. Es ist daher auch nur zu
wünschen, daß die Fortschritte und Einsichten auf dem Gebiet der
Normalpsychologie entsprechende Verwendung bei pathologischen
Untersuchungen finden möchten. Allerdings sind die erheblichen
Schwierigkeiten nicht zu übersehen, die einer Übertragung normal-
psychologischer Methoden und Gesichtspunkte auf pathologische Fälle
im Wege stehen. Man muß sich bei der Ausführung der Experimente
dieser Schwierigkeiten bewußt bleiben und bei der Deutung der Er-
gebnisse davon Gebrauch machen. Wir wollen das beispielsweise
an den durch Vorsicht und Besonnenheit ausgezeichneten psycho-
1 Vgl. die Übersicht über die experimentellen Untersuchungen bei A. Gregor,
Leitfaden der experimentellen Psychopathologie, 1910.
2 Vgl. hierzu das Lehrbuch der psychopathologischen Untersuchungsniethoden
von E. Sommer, 2. Aufl., 1905. Auf dies Verfahren ist Wündts Bezeichnung
der in den BüHLEKschen Versuchen benutzten Methode als Ausfragemethode an-
wendbar, während sie für die genannten Versuche selbst ganz unzutreffend ist.
die moderne psyehopathologisehe Forschung darbietet. Es wäre leicht,
in den Arbeiten geringeren Ranges, an der Durchschnittsforschung
ein psychologisches Exempel zu statuieren. Ergiebiger und wirk-
samer dürfte die Lösung der Aufgabe sein, die ich mir hier gestellt
habe. Ich möchte nicht den Anschein erwecken, als wenn ich gerade
an untergeordneten Erzeugnissen die Notwendigkeit einer psycho-
logischen Ergänzung und Begründung dartun wollte.
I. Zur Methode der Untersuchung.
Es ist in der modernen Psychiatrie eine große Mannigfaltigkeit
von Methoden ausgebildet worden, um den psychischen status prae-
sens bei einem geisteskranken Individuum genau aufzunehmen und
über seine Vorgeschichte einiges zu erfahren. Man bedient sich da-
bei außer der schlichten Beobachtung teils einfacher Experimente
zur Prüfung der Sinnestätigkeit, der Merkfähigkeit, der Verstandes-
leistung u. a. m.1, teils einer Befragung der Kranken nach verschie-
denen Gesichtspunkten2, teils eines autobiographischen oder tagebuch-
artigen Verfahrens, um den Kranken selbst Gelegenheit zu geben,
sich über ihre Zustände und Erlebnisse zu äußern.
Daß die experimentelle Psychopathologie von der experimentellen
Normalpsychologie ausgegangen ist und nach wie vor unter ihrem
Einfluß steht, wird niemand bestreiten. Es ist daher auch nur zu
wünschen, daß die Fortschritte und Einsichten auf dem Gebiet der
Normalpsychologie entsprechende Verwendung bei pathologischen
Untersuchungen finden möchten. Allerdings sind die erheblichen
Schwierigkeiten nicht zu übersehen, die einer Übertragung normal-
psychologischer Methoden und Gesichtspunkte auf pathologische Fälle
im Wege stehen. Man muß sich bei der Ausführung der Experimente
dieser Schwierigkeiten bewußt bleiben und bei der Deutung der Er-
gebnisse davon Gebrauch machen. Wir wollen das beispielsweise
an den durch Vorsicht und Besonnenheit ausgezeichneten psycho-
1 Vgl. die Übersicht über die experimentellen Untersuchungen bei A. Gregor,
Leitfaden der experimentellen Psychopathologie, 1910.
2 Vgl. hierzu das Lehrbuch der psychopathologischen Untersuchungsniethoden
von E. Sommer, 2. Aufl., 1905. Auf dies Verfahren ist Wündts Bezeichnung
der in den BüHLEKschen Versuchen benutzten Methode als Ausfragemethode an-
wendbar, während sie für die genannten Versuche selbst ganz unzutreffend ist.