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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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Zweites und drittes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0401
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Versuch zu einer Darstellung u. Kritik der EüEüDschen Neurosenlehre. 397

etwas hinzukommen, und Breuer »wagt die Vermutung«, es sei hierzu
■ die Hilfe des Hypnoids notwendig«1. Da also Breuer dazu neigt,
die Abwehr deu hypnoiden Zuständen irgendwie unterzuordnen,
brauchen wir uns bei ihm nicht weiter mit der Abwehr zu beschäf-
tigen und wenden uns zu den beiden anderen Ursachenmomenten,
den unterdrückten Affekten und hypnoiden Zuständen.

Um die pathogène Wirkung der unterdrückten Affekte zu erklären,
unternimmt Breuer einen interessanten Versuch, sich zunächst das
allgemein-psychologische Wesen der Affekte klar zu machen. Er
nimmt hierzu an, daß sich das wache affektlose Bewußtsein nicht in
einem indifferenten Ruhezustand, sondern in einem Zustand der
-intrazerebralen tonischen Erregung« befinde. Dafür spricht,
daß schon das untätige Wachen an sich ermüdet. Diese intrazere-
brale tonische Erregung unterliegt großer individueller Verschieden-
heit, sie konstituiert das >intellektuelle Temperament« des Menschen.
Sie hat ein Optimum, und es besteht im Organismus die Tendenz,
diese intrazerebrale Erregung konstant zu erhalten. Eine allgemeine
Steigerung der intrazerebralen Erregung bringen die Nervina in ge-
ringen Mengen, eine ungleichmäßige Verteilung der Erregung, eine
Störung des dynamischen Gleichgewichts bringen die Affekte, von
denen die akuten alle mit einer Erregungssteigerung einhergehen.
Die Nervina bringen Anregung, die Affekte Aufregung. Zwischen
beiden steht die sexuale Erregung, welche allgemeiner als ein par-
tialer Affekt den gesamten zerebralen Erregungsstand verändert.

Die durch die Affekte hervorgerufene einseitige Störung der zere-
bralen Erregung wird bei den sthenischen Affekten durch motorische
Abfuhr ausgeglichen, beim psychischen Schmerz durch respiratorische
Akte (Schluchzen und Weinen). Von diesen Reaktionen sind nur ein
leil in dem Sinne zweckmäßig, daß sie die affekterregenden äußeren
Umstände verändern, die meisten dienen lediglich der »Tendenz zur
Konstanterhaltung der zerebralen Erregung«. Bei den asthenischen
Affekten des Schrecks und der Angst schwindet die Erregung nur
durch allmähliche Ausgleichung.

Ist dagegen dem Affekte eine solche »Abfuhr der Erregung«
überhaupt versagt, so tritt beim normalen Menschen ein allmählicher

1 a- ». 0. 8. 206.

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