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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig, 1.1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.2776#0061
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Psychologie und Pathologie. 57

jene beiden Unterabteilungen der Pathologie unterschieden werden,
die unter dem gemeinsamen Namen Psychopathologie gehen können.
Auch hier wird es sich das eine Mal um eine stoffliche inhaltliche,
das andere Mal um eine methodische Abgrenzung handeln. Die
Psychopathologie orientiert sich durchaus am Begriff der Krankheit.
Sie ist, soweit sie inhaltlich sich von anderen Unterabteilungen der
Pathologie trennt, derjenige Teil der menschlichen Krankheitslehre,
der die psychischen Symptome der Krankheiten beschreibt und er-
klärt und sie in ihren regelmäßigen Beziehungen zu anderen psychi-
schen oder physischen Symptomen und eventuell in ihren Beziehungen
zu Heilmethoden untersucht. Es liegt gar kein Grund vor, diese
Betrachtungsweise auf die spezifisch psychischen Krankheiten zu be-
schränken. Die Psychopathologie hat es da ebenso mit den viel-
fachen psychischen Symptomen physischer Krankheiten zu tun. Selbst
die ganze Lehre der Schmerzempfindung und des Schmerzgefühls
als Begleiterscheinung organischer Erkrankungen, muß da hinein-
gerechnet werden. Ebenso alle psychischen Variationen, die aus
peripheren Nervenerkrankungen, Ernährungsstörungen usw. hervor-
gehen. Das reichste Feld aber bleibt das engere Gebiet der see-
lischen Erkrankungen selbst, das freilich den Psychopathologen
natürlich nur so weit angeht, als die rein psychischen Faktoren in
Frage stehen. Die physischen Erscheinungen, etwa der Paralyse
beschäftigen den Psychopathologen dann nur insofern, als sie Ur-
sache oder Wirkung der seelischen Variationen sind.

Wird die Psychopathologie dagegen unter dem methodologischen
Gesichtspunkt abgegrenzt, so handelt es sich nunmehr um das Ge-
samtgebiet menschlicher Krankheiten, soweit seine Untersuchung
durch die Berücksichtigung psychischer Tatsachen und psycholo-
gischer Kenntnisse gefördert werden kann. Hier ist nun das nor-
male psychische Verhalten der eigentliche Ausgangspunkt. Hier ge-
hören beispielsweise die vielumstrittenen mental tests hin, die ein
pathologisches Verhalten im Gebiet einer einfachen meßbaren Leistung
durch den Vergleich mit dem normalen typischen Verhalten beleuchten
wollen. Hier muß die Untersuchung auch weit über die psychische
Krankheit hinausgehen. Die physischen pathologischen Symptome
mögen ja ebenfalls in einer Beziehung zu seelischen Vorgängen
stehen, welche durch die normale Psychologie aufgehellt werden kann.
 
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