Über Störungen des »Wiedererkennens«. 637
So bringt sie zuerst B ch u ner zustande. Verbessert in B u n e r eh.
»Buchstabieren Sie es jetzt vor, wie es dasteht.« Sie buchstabiert,
scheinbar jeden Buchstaben lesend: »Buchn er«.
Die Beeinträchtigung des Motoriums zeigt sich bei der
Patientin vor allem beim Zeichnen. Sie ist nur sehr schwer zu
spontanem Zeichnen zu bewegen. Aufgefordert, die Frauentürme zu
zeichnen (angeblich weiß sie, wie sie aussehen, doch schwankt sie
zuweilen, ob sie »spitzig oder halbrund« sind) beginnt sie sehr vor-
sichtig, zwei etwa kreisförmige Striche zu zeichnen (Formstörung
vielleicht durch die Hemianopsie bedingt), während sie sagt: »Sie
sind rund und«, dabei deutet sie auf das freie Papier »von allen
Seiten sichtbar«. Weiter kommt sie nicht.
Die Aufgabe, ein Haus zu zeichnen, wird etwas besser, wenn auch
sehr mühsam gelöst. Die einzelnen Teile, Türe, Fenster, Dach,
Schornstein werden an der richtigen Stelle, wenn auch sehr primitiv
eingezeichnet.
Zum Nachzeichnen ist die Patientin ebenso schwer zu bringen.
Einfache Figuren (Kreis, Kreuz) kopiert sie ohne Verständnis für
die.Form (s. o.) unter ängstlichem, dauerndem Vergleichen mit dem
Original.
Dem entspricht eine Störung des Nachschreibens. Während
nämlich Frau B. flott spontan und auf Diktat (wenn auch mit vielen
orthographischen Fehlern) schreibt, kopiert sie Geschriebenes nur
äußerst schwer und langsam, Buchstabe für Buchstabe mit dem
Vorgeschriebenen vergleichend, nachmalend, ohne zum Verständ-
nis des Wortes zu gelangen. Diktiert man ihr danach das eben
kopierte Wort, so schreibt sie es prompt, ohne die Identität mit dem
vorher Kopierten zu erkennen.
Wir finden also hier auf den ersten Blick scheinbar in völliger
Übereinstimmung mit Bergson s Postulat die Zeichenstörung und
Schriftkopierstörung, die der starken Beeinträchtigung des Sehwieder-
erkennens entsprechen. Aber einer genaueren Betrachtung drängt
sich doch gleich die Frage auf: warum sind (wie in vielen anderen
Fällen) Zeichnen aus dem Kopf und Nachzeichnen so gleichmäßig
betroffen, während (vgl. die oben zitierten Fälle von Alexie) der
Beeinträchtigung des Nachschreibens bei Wortblinden völlig normale
Spontan- und Diktatschrift entspricht? Über die Zeichenfähigkeit
41*
So bringt sie zuerst B ch u ner zustande. Verbessert in B u n e r eh.
»Buchstabieren Sie es jetzt vor, wie es dasteht.« Sie buchstabiert,
scheinbar jeden Buchstaben lesend: »Buchn er«.
Die Beeinträchtigung des Motoriums zeigt sich bei der
Patientin vor allem beim Zeichnen. Sie ist nur sehr schwer zu
spontanem Zeichnen zu bewegen. Aufgefordert, die Frauentürme zu
zeichnen (angeblich weiß sie, wie sie aussehen, doch schwankt sie
zuweilen, ob sie »spitzig oder halbrund« sind) beginnt sie sehr vor-
sichtig, zwei etwa kreisförmige Striche zu zeichnen (Formstörung
vielleicht durch die Hemianopsie bedingt), während sie sagt: »Sie
sind rund und«, dabei deutet sie auf das freie Papier »von allen
Seiten sichtbar«. Weiter kommt sie nicht.
Die Aufgabe, ein Haus zu zeichnen, wird etwas besser, wenn auch
sehr mühsam gelöst. Die einzelnen Teile, Türe, Fenster, Dach,
Schornstein werden an der richtigen Stelle, wenn auch sehr primitiv
eingezeichnet.
Zum Nachzeichnen ist die Patientin ebenso schwer zu bringen.
Einfache Figuren (Kreis, Kreuz) kopiert sie ohne Verständnis für
die.Form (s. o.) unter ängstlichem, dauerndem Vergleichen mit dem
Original.
Dem entspricht eine Störung des Nachschreibens. Während
nämlich Frau B. flott spontan und auf Diktat (wenn auch mit vielen
orthographischen Fehlern) schreibt, kopiert sie Geschriebenes nur
äußerst schwer und langsam, Buchstabe für Buchstabe mit dem
Vorgeschriebenen vergleichend, nachmalend, ohne zum Verständ-
nis des Wortes zu gelangen. Diktiert man ihr danach das eben
kopierte Wort, so schreibt sie es prompt, ohne die Identität mit dem
vorher Kopierten zu erkennen.
Wir finden also hier auf den ersten Blick scheinbar in völliger
Übereinstimmung mit Bergson s Postulat die Zeichenstörung und
Schriftkopierstörung, die der starken Beeinträchtigung des Sehwieder-
erkennens entsprechen. Aber einer genaueren Betrachtung drängt
sich doch gleich die Frage auf: warum sind (wie in vielen anderen
Fällen) Zeichnen aus dem Kopf und Nachzeichnen so gleichmäßig
betroffen, während (vgl. die oben zitierten Fälle von Alexie) der
Beeinträchtigung des Nachschreibens bei Wortblinden völlig normale
Spontan- und Diktatschrift entspricht? Über die Zeichenfähigkeit
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