674 Kuno Mittenzwey
auf die Veränderung von Energieverteilungen zu ziehen. Auf jeden
Fall aber ist die mitgeteilte Bestimmung der Traumarbeit wieder
nur eine solche aus dem Zweck. Wie oben die Traumarbeit einzig
aus ihrem Zweckeffekt, den latenten Inhalt in den manifesten um-
zuwandeln, bestimmt wurde, so wird sie hier aus dem von der Vor-
gangsseite her konzipierten Zweckeffekt bestimmt, die Energie der
Traumerregung »abfuhrfähig« zu machen.
FkeüD weiß schließlich der Traumarbeit eine Erklärung nur zu
geben mit Hilfe einer Annahme. Er schreibt ganz gegen Ende des
Buches : »Aus der Lehre von der Hysterie entnehmen wir den Satz,
daß solche abnorme psychische Bearbeitung« (nämlich mittels Ver-
dichtung, Kompromißbildung über oberflächliche Assoziationen, unter
Deckung der Widersprüche usw., also mit denselben Charakteren wie
bei der Traumarbeit) »eines normalen Gedankenzugs nur dann vor-
kommt, wenn dieser zur Übertragung eines unbewußten Wunsches
geworden ist, der aus dem Infantilen stammt und sich in der Ver-
drängung befindet. Diesem Satz zuliebe haben wir die Theorie des
Traumes auf die Annahme gebaut, daß der treibende Traumwunsch
allemal aus dem Unbewußten stammt, was, wie wir selbst zugestanden,
sich nicht allgemein nachweisen . . . läßt«. Also jetzt erfahren wir
endlich, warum Freud darauf bestand, daß der Traumwunsch ein
infantiler sein sollte: weil ihm nur so die Traumarbeit nach Analogie
des Mechanismus der hysterischen Symptombildung verständlich er-
seheint. Für einen banalen Alltagswunsch wäre ihm der große
Aufwand an unbewußter Traumarbeit selbst nicht recht glaubhaft
gewesen; durch die Annahme der Infantilität des Traumwunsches
gewinnt er die Möglichkeit, das Kätsel der Traumarbeit doch wenig-
stens mit dem anderen Rätsel der hysterischen Symptombildung in
Beziehung zu bringen. An Erkenntnis ist damit nicht gerade viel
gewonnen, denn der Mechanismus der hysterischen Symptombildung
war uns bisher durch den behaupteten Nachweis infantiler sexueller
Erlebnisse noch nicht so durchsichtig geworden, daß nun für die
Traumarbeit durch die Annahme infantiler verdrängter Wünsche auch
nur der allergeringste Zuwachs an spezieller Einsicht abfiele. Statt
dessen muß uns ein eigentümlicher Zirkel aufs höchste befremden.
Die Traumarbeit soll nur aus der Annahme verdrängter Wünsche
verständlich sein: aber durch die Annahme der Traumarbeit hin-
auf die Veränderung von Energieverteilungen zu ziehen. Auf jeden
Fall aber ist die mitgeteilte Bestimmung der Traumarbeit wieder
nur eine solche aus dem Zweck. Wie oben die Traumarbeit einzig
aus ihrem Zweckeffekt, den latenten Inhalt in den manifesten um-
zuwandeln, bestimmt wurde, so wird sie hier aus dem von der Vor-
gangsseite her konzipierten Zweckeffekt bestimmt, die Energie der
Traumerregung »abfuhrfähig« zu machen.
FkeüD weiß schließlich der Traumarbeit eine Erklärung nur zu
geben mit Hilfe einer Annahme. Er schreibt ganz gegen Ende des
Buches : »Aus der Lehre von der Hysterie entnehmen wir den Satz,
daß solche abnorme psychische Bearbeitung« (nämlich mittels Ver-
dichtung, Kompromißbildung über oberflächliche Assoziationen, unter
Deckung der Widersprüche usw., also mit denselben Charakteren wie
bei der Traumarbeit) »eines normalen Gedankenzugs nur dann vor-
kommt, wenn dieser zur Übertragung eines unbewußten Wunsches
geworden ist, der aus dem Infantilen stammt und sich in der Ver-
drängung befindet. Diesem Satz zuliebe haben wir die Theorie des
Traumes auf die Annahme gebaut, daß der treibende Traumwunsch
allemal aus dem Unbewußten stammt, was, wie wir selbst zugestanden,
sich nicht allgemein nachweisen . . . läßt«. Also jetzt erfahren wir
endlich, warum Freud darauf bestand, daß der Traumwunsch ein
infantiler sein sollte: weil ihm nur so die Traumarbeit nach Analogie
des Mechanismus der hysterischen Symptombildung verständlich er-
seheint. Für einen banalen Alltagswunsch wäre ihm der große
Aufwand an unbewußter Traumarbeit selbst nicht recht glaubhaft
gewesen; durch die Annahme der Infantilität des Traumwunsches
gewinnt er die Möglichkeit, das Kätsel der Traumarbeit doch wenig-
stens mit dem anderen Rätsel der hysterischen Symptombildung in
Beziehung zu bringen. An Erkenntnis ist damit nicht gerade viel
gewonnen, denn der Mechanismus der hysterischen Symptombildung
war uns bisher durch den behaupteten Nachweis infantiler sexueller
Erlebnisse noch nicht so durchsichtig geworden, daß nun für die
Traumarbeit durch die Annahme infantiler verdrängter Wünsche auch
nur der allergeringste Zuwachs an spezieller Einsicht abfiele. Statt
dessen muß uns ein eigentümlicher Zirkel aufs höchste befremden.
Die Traumarbeit soll nur aus der Annahme verdrängter Wünsche
verständlich sein: aber durch die Annahme der Traumarbeit hin-