696 Kuno Mittenzwey
erscheinungen legen, unter denen der einzelne Einfall vom Analysanden
vorgebracht wird; sie machen also offenbar hier tatsächlich Unter-
schiede.
Auf der anderen Seite wird ein Einfall für uns nicht schon da-
durch als für das Ergebnis bedeutsam charakterisiert sein, daß er
einen Sinn gibt, daß er sich in eine Deutung fügt. Ich denke, dies
wird man sofort übersehen, daß von der vorgetragenen Auffassung
aus nicht mehr dies das eigentliche Ziel der Traumanalyse sein wird,
eine geschlossene »Deutung« zu gewinnen und einen einheitlichen
Traumwunsch zu konstruieren, als vielmehr die ermittelten Determi-
nanten als wirklich aktuelle, gefühlswertige zu bestätigen1. Nie mehr
wird es jetzt zulässig sein, eine flache Wortassoziation deswegen zu
akzeptieren, weil sie gerade paßt, ohne danach zu fragen, ob die be-
treffende Redewendung usw. überhaupt dem Wortbestand des Ana-
lysanden naheliegt, oder gar die Deutung ganz ohne Befragen des
Analysanden mit ein paar bewährten Assoziationen und Symbolismen
zusammenzukombinieren, wie es leider unter schematisch verfahren-
den FEEUD-Schülern immer mehr Brauch wird. So sieht man, wie
unsere abweichende Auffassung sofort zu abweichenden Aufstellungen
über die Handhabung der Methode führt.
Einige werden vielleicht trotz alledem finden, was in der vor-
getragenen Auffassung wirklich enthalten sei, sei eben doch rettungs-
los Freud, und die »emotionalen Determinanten« seien doch nur die
FREUDschen Traumwünsche, nur mit dem Unterschied, daß die Traum-
wünsche zwar ein hypothetischer Begriff seien, unter dem man sich
aber doch etwas denken könne, während diese »Determinanten« nur
ein unklares Wort seien, unter dem man sich überhaupt nichs denken
könne. Daß eine emotionale Determinante etwas ganz anderes ist
als das Produkt »einer höchst komplizierten, mit fast allen Mitteln
des seelischen Apparates arbeitenden, intellektuellen Leistung«,
ist wohl klar. Vielleicht ist es aber doch gut, das Trennende beider
1 Zu ähnlichen praktischen Konsequenzen, wenn auch aus anderen Gründen,
hat die in der analytischen Therapie seither eingetretene Wandlung geführt, daß
man nämlich sich nicht erst bemüht, die Ursachen der Symptome aufzudecken,
welche ja etwa dem »Traumwunsch« korrespondieren, sondern sofort auf die Über-
windung der »Widerstände« losgeht, vgl. Freud im Zentralblatt f. Psychoanalyse
I, S. 3, 1910.
erscheinungen legen, unter denen der einzelne Einfall vom Analysanden
vorgebracht wird; sie machen also offenbar hier tatsächlich Unter-
schiede.
Auf der anderen Seite wird ein Einfall für uns nicht schon da-
durch als für das Ergebnis bedeutsam charakterisiert sein, daß er
einen Sinn gibt, daß er sich in eine Deutung fügt. Ich denke, dies
wird man sofort übersehen, daß von der vorgetragenen Auffassung
aus nicht mehr dies das eigentliche Ziel der Traumanalyse sein wird,
eine geschlossene »Deutung« zu gewinnen und einen einheitlichen
Traumwunsch zu konstruieren, als vielmehr die ermittelten Determi-
nanten als wirklich aktuelle, gefühlswertige zu bestätigen1. Nie mehr
wird es jetzt zulässig sein, eine flache Wortassoziation deswegen zu
akzeptieren, weil sie gerade paßt, ohne danach zu fragen, ob die be-
treffende Redewendung usw. überhaupt dem Wortbestand des Ana-
lysanden naheliegt, oder gar die Deutung ganz ohne Befragen des
Analysanden mit ein paar bewährten Assoziationen und Symbolismen
zusammenzukombinieren, wie es leider unter schematisch verfahren-
den FEEUD-Schülern immer mehr Brauch wird. So sieht man, wie
unsere abweichende Auffassung sofort zu abweichenden Aufstellungen
über die Handhabung der Methode führt.
Einige werden vielleicht trotz alledem finden, was in der vor-
getragenen Auffassung wirklich enthalten sei, sei eben doch rettungs-
los Freud, und die »emotionalen Determinanten« seien doch nur die
FREUDschen Traumwünsche, nur mit dem Unterschied, daß die Traum-
wünsche zwar ein hypothetischer Begriff seien, unter dem man sich
aber doch etwas denken könne, während diese »Determinanten« nur
ein unklares Wort seien, unter dem man sich überhaupt nichs denken
könne. Daß eine emotionale Determinante etwas ganz anderes ist
als das Produkt »einer höchst komplizierten, mit fast allen Mitteln
des seelischen Apparates arbeitenden, intellektuellen Leistung«,
ist wohl klar. Vielleicht ist es aber doch gut, das Trennende beider
1 Zu ähnlichen praktischen Konsequenzen, wenn auch aus anderen Gründen,
hat die in der analytischen Therapie seither eingetretene Wandlung geführt, daß
man nämlich sich nicht erst bemüht, die Ursachen der Symptome aufzudecken,
welche ja etwa dem »Traumwunsch« korrespondieren, sondern sofort auf die Über-
windung der »Widerstände« losgeht, vgl. Freud im Zentralblatt f. Psychoanalyse
I, S. 3, 1910.