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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, 3.1914-1919

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Viertes Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.2777#0523
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Beiträge znr Psychologie und Psychopathologie des Selbstwerterlebens. 517

war besonders anerkannt. In anderen Angelegenheiten: Steuern,
Rechnungen schreiben usw. hatte ich mich mancher Versäumnis an-
zuklagen. Ebenso war ich auch als Unteroffizier in Sachen, die
nicht direkt zu meiner Pflicht und Aufgabe gehörten, oft lässig, jede
freie Minute nicht etwa zur Ausbesserung meiner Kleidung und deren
Reinigung benutzend, sondern zum Ruhen und Nachdenken«. Der
Patient schildert dann weiterhin eingehend die Leiden während seiner
militärischen Dienstzeit, Dinge, die in diesem Zusammenhange eines
näheren Eingehens nicht bedürfen. Auf eingehendes Befragen über
seinen Gesundheitszustand, wie er sich im allgemeinen in den ein-
zelnen Zeitabschnitten seiner Entwicklung gefühlt hat, gibt der
Patient dann näher Auskunft. Sein seelisches Wohlbefinden sei
immer abhängig gewesen von seiner Tätigkeit, und es ist genau zu
verfolgen, wie er sich zu den Zeiten, wo seine Arbeit erfolgreich
war, Selbstwert zusprach, während in anderen Zeiten eine gewisse
Kleinmütigkeit, das Gefühl verminderten Wertes über ihn kam. Sein
Selbstgefühl, sowie sein Selbstwerterleben war immer starken Schwan-
kungen ausgesetzt und bewegte sich nicht in einer bestimmten Rich-
tung. Der Kranke, ein schwerer Psychopath, erlebte seinen Wert
auch oft ganz unmittelbar, indem er seinen Wert direkt fühlte oder
sich dessen bewußt wurde. Wenn er arbeitete und sah, daß er Er-
folg hatte, etwas leistete, dann hob sich seine Stimmung; er wurde
mit sich zufriedener, und, darüber reflektierend, kam er zu der Über-
zeugung, daß er selbst Wert haben müsse. Das finden wir schon
in den eben geschilderten Abschnitten seines Lebens. Das Studium
der Rechtswissenschaft betrieb er eifrig und, wie die Semesterprü-
fungen zeigen, leistete er auch darin etwas. Er sagt selber, daß es
ihm ganz gut gefiele und erzählt, daß er sich während der Zeit im
ganzen recht wohl befunden habe, nur daß der Gegenstand ihn
nicht unmittelbar fesseln konnte, weil seine Interessen auf andere
Dinge gingen. Kleinmütig, verzagend, sich Selbstwert absprechend,
ist er aber in dieser Zeit nicht gewesen. Und seine ganze Haltung,
wenn er von den Erfolgen seiner Praxis spricht, drückt die hohe
Werteinschätzung, die er selbst daraus zog, aus.

Wesentlich deutlicher kommt das aber zum Ausdruck, wenn er
von seinen philosophischen Liebhabereien und Interessen spricht. Er
hat ein ganzes System über den Völkerbund, den er mit Hilfe einer

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