Zur Psychologie des kindlichen Eigensinnes. 107
Noch einmal: hiermit soll nur eine Möglichkeit klar gemacht
werden, wie durch ein Vermeiden jeder wirklichen Aktivität selbst
vorhandener essentieller Eigensinn gleichsam latent werden kann,
weil seine Manifestation im eigensinnigen Mechanismus eben erst
durch Forderungen von außen oder durch Nötigung zum Umwollen
ausgelöst wird. Die recht zahlreichen Analogien zwischen der
Charakterologie des Eigensinns und der gewisser Denkertypen —
man denke nur an die Angst mancher Forscher, >sich festzulegen«,
weil man dann etwas zurückzunehmen hätte — können nur dazu
ausreichen für diese Möglichkeit, aber nicht für die sicher falsche
Behauptung als Grundlage zu dienen, daß die Daseinsformen des Ge-
lehrten und Denkers auf Eigensinn schließen lasse. "Weiter wäre nach
unserer Überlegung verständlich, daß dieser Weg abseits vom Handeln
für den Eigensinnigen auch deshalb vorteilhafter sein wird, als
z. B. das Zurückziehen in ein Kloster, weil er daneben zu einer
besseren Methode führt, sein Ich zu finden und zu bewahren.
Sieht man von diesen Fällen ab, dann bleibt immer noch ein
großer, ungeklärter Rest, und hier scheint es mir möglich, durch ein
Zurückgehen auf die Beobachtungen weiter zu kommen, die wir bei
der Untersuchung des reaktiven Eigensinns besprochen haben.
Wenn sich zu der Ichschwäche noch eine besonders starke an-
lagemäßige Disposition zur Aggression gesellt, dann wird dadurch
sicher auch das Auftreten von Eigensinn begünstigt werden. Wir
müssen dabei zwischen aktiver Aggression, die in sich auch den Drang
zur Aktivität überhaupt enthält, unterscheiden von der nur rein re-
aktiven. Die letztere kann beim Ich-Schwachen schon als eine Art
Schutzreflex durch die bei ihm als gesteigert angenommene Verletz-
lichkeit bedingt sein, denn wer öfter und tiefer verletzt wird, muß
sich auch häufiger und intensiver wehren. Die aktive Aggression
andererseits wird naturgemäß das Zurückziehen aus der Aktivität
erschweren oder unmöglich machen können und so neben ihrer
direkten Manifestation im reaktiven Eigensinnsmechanismus auch in-
direkt den Eigensinn begünstigen. Umgekehrt wird natürlich, wie
schon angedeutet, ein starker Hingebungsdrang sehr viele Ichschwache
davor bewahren.
Viel bedeutsamer muß es aber sein, wenn starke Herrschtriebe
im psychischen Dynamismus des Ichschwachen wirksam sind. Nicht
Noch einmal: hiermit soll nur eine Möglichkeit klar gemacht
werden, wie durch ein Vermeiden jeder wirklichen Aktivität selbst
vorhandener essentieller Eigensinn gleichsam latent werden kann,
weil seine Manifestation im eigensinnigen Mechanismus eben erst
durch Forderungen von außen oder durch Nötigung zum Umwollen
ausgelöst wird. Die recht zahlreichen Analogien zwischen der
Charakterologie des Eigensinns und der gewisser Denkertypen —
man denke nur an die Angst mancher Forscher, >sich festzulegen«,
weil man dann etwas zurückzunehmen hätte — können nur dazu
ausreichen für diese Möglichkeit, aber nicht für die sicher falsche
Behauptung als Grundlage zu dienen, daß die Daseinsformen des Ge-
lehrten und Denkers auf Eigensinn schließen lasse. "Weiter wäre nach
unserer Überlegung verständlich, daß dieser Weg abseits vom Handeln
für den Eigensinnigen auch deshalb vorteilhafter sein wird, als
z. B. das Zurückziehen in ein Kloster, weil er daneben zu einer
besseren Methode führt, sein Ich zu finden und zu bewahren.
Sieht man von diesen Fällen ab, dann bleibt immer noch ein
großer, ungeklärter Rest, und hier scheint es mir möglich, durch ein
Zurückgehen auf die Beobachtungen weiter zu kommen, die wir bei
der Untersuchung des reaktiven Eigensinns besprochen haben.
Wenn sich zu der Ichschwäche noch eine besonders starke an-
lagemäßige Disposition zur Aggression gesellt, dann wird dadurch
sicher auch das Auftreten von Eigensinn begünstigt werden. Wir
müssen dabei zwischen aktiver Aggression, die in sich auch den Drang
zur Aktivität überhaupt enthält, unterscheiden von der nur rein re-
aktiven. Die letztere kann beim Ich-Schwachen schon als eine Art
Schutzreflex durch die bei ihm als gesteigert angenommene Verletz-
lichkeit bedingt sein, denn wer öfter und tiefer verletzt wird, muß
sich auch häufiger und intensiver wehren. Die aktive Aggression
andererseits wird naturgemäß das Zurückziehen aus der Aktivität
erschweren oder unmöglich machen können und so neben ihrer
direkten Manifestation im reaktiven Eigensinnsmechanismus auch in-
direkt den Eigensinn begünstigen. Umgekehrt wird natürlich, wie
schon angedeutet, ein starker Hingebungsdrang sehr viele Ichschwache
davor bewahren.
Viel bedeutsamer muß es aber sein, wenn starke Herrschtriebe
im psychischen Dynamismus des Ichschwachen wirksam sind. Nicht