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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, Ergänzungsband 1.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2775#0170
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166 Ludwig Klages

d) Trennbarkeit des Willensbefehls von der Handlang. — Im
posthypnotischen Auftrag geschehen auf das verabredete Zeichen des
Suggestors Tätigkeiten vom Charakter der Willenshandlung ohne
aktuellen Willen des Mediums. Umgekehrt versagt in gewissen Fällen
von Abulie auch der angestrengteste Wille, weil der Zusammenhang
mit den vitalen Bewegungstendenzen verloren ging.

e) Vorläufiger Aufschluß über den Begriff der Willenskraft. —
Dem allem scheint zu widersprechen, daß wir den Willen im Gegen-
satz zum Gefühl als Kraft oder Energie bezeichnen; denn Kräfte
sind Bewegungsursachen. (Tatsächlich stammt der physikalische
Kraftbegriff aus dem Erlebnis der Willensbemühung.) Allein erstlich
besteht die psychologisch nicht weiter erklärbare Tatsache, daß der
Wille eben nur Bewegungen, und zwar ausschließlich einiger äußeren
Organe unter seine Botmäßigkeit gebracht (nicht z. B. Tränenaus-
bruch, Schweißabsonderung, auch nicht Peristaltik des Darmes usw.);
ferner wird sich zeigen, daß jede Strebung, um willensfähig zu
werden, eine Umwandlung erleidet im Sinne des Kraftbegriffs.

IL Vergleichung des Willens mit den Trieben.

a) Qualitative und fluktuierende Natur der Triebe. — Der Trieb
findet sein Ziel, nicht sofern er es »vorstellt« — er hat vielmehr
durchaus keinen »Begriff« davon —■, sondern weil ihm die Richtung
auf das Ziel schon innewohnt. Nur auf Grund von spezifischen
Qualitäten der triebhaften Regung kann es geschehen, daß das Tier
die ihm passende Nahrung erkennt und aufsucht, das andere Ge-
schlecht findet, zu seinem Element strebt. Die Befriedigung ent-
wickelt sich aus dem Triebe selbst. — Gleich jeder Lebenserschei-
nung ist ferner der Trieb in beständiger Wandlung begriffen, erreicht
Höhepunkte, klingt ab, erwacht von neuem. Beides gilt gleicher-
maßen von jedem Affekt.

b) Starre und qualitätlose Natur des Willens. — Der Wille kann
jahrelang dasselbe Ziel verfolgen: er ist also losgelöst von den
Zuständen des Organismus. Er kann ferner (der Möglichkeit nach)
jedes Ziel verfolgen: er ist ebenso losgelöst von der Qualität des
Zieles. Die Triebe stehen im Plural, der Wille immer nur im Sin-
gular.
 
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