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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, Ergänzungsband 1.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2775#0229
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Schillers Frauengestalten. 225

>Da liebst ihn, aber darfst es nicht gestehn,
Und mußt ihn von dir stoßen und verwerfen,
Wider dich selber mußt da töricht wüten,
Den lächerlichen il uh m dir za bewahren.«

Aber sie will lieber ihr Herz zum Schweigen bringen, als einem
Mann Untertan sein, sie haßt Ealaf, wenn sie daran denkt, daß er
als erster ihrem Ansehen gefährlich wurde, ihren Ruhm der Unbe-
siegbarkeit antastete, sie ist in einem — nach Bleuler — ambi-
valenten Zustand. Auf die Knie will sie Ealaf vor sich zwingen,
sie kann ihm nicht verzeihen;

»Hat er im Divan meiner nicht geschont,
Brauch ich auch seiner nicht za schonen.«

»Er soll beschämt, vom Blitz getroffen, stehn,
Verzweifelnd jammern and vor Schmerz vergehn;«

Ealaf hätte also wahrscheinlich, auch wenn er die Lösung der
Bätsei gefunden hätte, sie aus lauter Zart- und Taktgefühl, aus
Rücksicht auf Turandot, gar nicht sagen, sondern für sich behalten
und sich köpfen lassen sollen. Wir sehen hier, wie das neurotisch
gerichtete Gedächtnis stets das hervorhebt, was man gerade braucht:
Sie denkt nur an ihre Niederlage und gar nicht daran, daß sie ja
fest versprach, den zu heiraten, der die von ihr gestellte Probe be-
standen habe. Sie bringt die Namen wirklich durch List in Erfah-
rung; um aber Ealaf zu täuschen, ihn nachher um so tiefer zu
treffen, kommt sie in Trauerkleidern und gibt sich den Anschein,
daß sie sie nicht kenne ; er hat sie gestern überwältigt, um so tiefer
müsse er heute fallen. Sie nennt ihm die Namen, treibt ihn fast
zum Selbstmord (ausgesprochen neurotisch-reaktives Handeln: wie
du mir, so ich dir!) und erst nachdem sie sich an seiner Demütigung
ihr Selbstgefühl wieder gestärkt hat, gibt sie sich ihm; aus freiem
Antriebe — wie Bie betont —, nicht um dem Gesetze zu genügen

»----------doch nicht bloß, um Gerechtigkeit zu üben

Und dem Gesetz genug zu tun — nein, Prinz!
Um meinem eigenen Herzen za gehorchen,
Schenk ich mich each.<

Unbedingt nur sich, der eigenen Selbstbestimmung will sie auch
das Liebesglück zu verdanken haben.

Zeitschrift far Patïopsjchologie. Erg.-Bd. 15
 
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