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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, Ergänzungsband 1.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2775#0186
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182 Ferdinand Winkler

Zeit stärkere Reize einzudringen vermögen, ausgeprägten Behinderungen
der Auffassung und geistiger Bearbeitung preisgegeben sind, wäh-
rend in den Entstehungszellen der Gesichtsbilder, welche der Ein-
wirkung äußerer Reize durch die Lider entzogen sind, sich noch eine
größere Lebhaftigkeit der Bewußtseinsvorgänge findet.

Die unempfundenen Bewegungsreize, welchewirim Schlafe
durch das Ohr oder durch die Haut aufnehmen, oder welche von
innen entstehen, setzen sich in Empfindungsreize, namentlich in
visuelle Reize, um. Unter diesen Gesichtsbildern finden sich viele
Bewegungsvorstellungen, auch Vorstellungen der Bewegung des eigenen
Körpers, die zur Bewegungsfälligkeit des wirklichen Körpers des Träu-
mers in einem charakteristischen Gegensatze stehen.

Im Traume muß aber der Reiz nicht von akustischen Empfindungen
oder von Hautempfindungen ausgehen; es genügt, daß das Ohr oder
die Haut unempfundene Bewegungsreize aufnehmen, welche motorisch
nicht ausgeleitet werden können und daher in irgendwelchen Sinnes-
organen Traumphänomene erzeugen.

Schlafträume und Wachträume können unter den Begriff der
Mitempfindungen im weiteren Sinne gebracht werden; sie sind
zwar nicht eigentliche Mitempfindungen, sie haben aber mit ihnen
gemeinsam, daß sie auf der Rückläufigkeit von unempfundenen Be-
wegungsreizen beruhen. Im Traume ist den Bewegungsreizen die
natürliche Ausleitung verschlossen ; bei der eigentlichen Mitempfindung
haben wir es gewissermaßen mit einer Verschwendung zu tun, indem
nicht die ganze Energie in die rein motorischen Bahnen geleitet wird,
sondern ein Teil in andere Sensorien gelangt und in diesem Sinne
rückläufig, freilich nicht an dasselbe Sinnesorgan, wird.

Im Lichte der neugewonnenen Erkenntnis schwinden die Rätsel,
welche uns die Träume ebenso wie die Mitempfindungen aufzugeben
scheinen. Überschüssige Bewegungsreize gelangen an Orte, an denen
sie sich in Empfindungsreiz verwandeln; es sind dies dieselben Orte,
an welchen im Wachezustande außerhalb des Traumes und außerhalb
der Mitempfindnng auf kürzerem Wege durch den Gegenstand selbst
ein Empfindungsreiz erzeugt werden würde.

Wir sehen mit den Augen Gegenstände, welche das Auge durch
das Licht berühren. Wir träumen auch mit den Augen, aber wir
träumen nicht optische Gegenstände, sondern wir verwandeln das,
 
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