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Zeitschrift für Pathopsychologie — Leipzig und Berlin, Ergänzungsband 1.1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.2775#0067
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Psychanalyse und Erziehung. 63

hat, und veranlaßt, ihn ganz oder teilweise zu akzeptieren, oder
dieser Wunsch wird selbst auf ein höheres und darum einwandfreies
Ziel gerichtet (was man seine Sublimierung heißt), oder man erkennt
seine Verwerfung als zu Recht bestehend an, ersetzt aber den auto-
matischen und darum unzureichenden Mechanismus der Verdrängung
dureh eine Verurteilung mit Hilfe der höchsten geistigen Leistungen
des Menschen; man erreicht seine bewußte Beherrschung«. — Alles,
was hier geschildert ist, geht über die bloße Erforschung oder Auf-
deckung hinaus; alles sind aber zugleich pädagogische Maßregeln,
d. h. es ist Erziehung durch den Arzt, die in günstigen Fällen durch
Selbsterziehung (manchmal ganz plötzlicher und spontaner Art) ersetzt
werden kann, was natürlich an ihrem pädagogischen Charakter nichts
ändert.

So besteht also die ps. a. Therapie aus Aufdeckung verborgener
psychischer Zusammenhänge (Erforschung) plus Erziehung. Diese
ps. a. Erziehung ist aber noch besonders charakterisiert durch ihr
Ziel, dem zuliebe sie stattfindet und dem zuliebe ihre spezielle
Form aus den vorhandenen Möglichkeiten ausgewählt wird. Dies
Ziel ist streng genommen nie ein anderes als die psychische »Ge-
sundheit« des Analysierten, andere Ziele kennt die Ps. A. als
therapeutisches Verfahren eingestandenermaßen nicht. Der Patient
mag ein Charakterlump, ein sozial bedenkliches Individuum, ein Don
Juan, ein Philister oder ein nobler Charakter werden: das kümmert
die Ps. A. nicht, — wenn er nur gesund wird. Der Gesundheit wird
zuletzt alles andere unterstellt und event, geopfert. Der Psychana-
lytiker hat als Therapeut kein anderes als ein ärztlich — thera-
peutisches Gewissen und darum auch keine anderen Ziele.

Man sieht daraus zweierlei: einmal, daß Ps. A. selber ohne Er-
ziehung nicht auskommt, ja ihrerseits ein Stück Erziehung bedeutet.
Dann aber, daß die ps. a. Erziehung niemals Erziehung überhaupt
ersetzen kann, sofern Erziehung andere, höhere Ziele als die bloße
Gesundheit besitzt. Es ist gewissen Ansprüchen gegenüber nicht
überflüssig, das letztere zu betonen. Andererseits freilich wird jede
überhaupt diskutable Erziehungsweise die psychische Gesundheit in
ihr Ziel einschließen, oder doch zugeben, daß sie Bedingung zur Re-
alisation ihres Zieles ist. So daß also ps. a. Therapie, wo sie nötig
ist (vgl. oben den Abschnitt über ps. a. Forschung), eine willkommene
 
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