Die Münchener Schule.
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mehr hervor. Diese sindet man nur noch in Deutschland;
Frankreich hat aus Ursachen, die wir ja schon erortert haben,
keinen einzigen, das stammverwandte England deren noch am
ebesten, ohne die unserigen doch irgendwie zu erreichen. Wcr
aber könnte von naiven Künstlern sprechen und dächte nicht
sofort an Schwind, diese Zierde »nserer Malerei, diesen deut-
schesten aller jetzt lebenden Künstler? Leider haben weder
die Besitzer des Märchens von den siebe» Raben uoch des
Aschenbrödel es über sich vermocht, sich von ihren Schätzen
zu trennen, um der dcutschen Kunst in Paris einen ihrer
schönsten Triumphe zu sichern; wir müffen uns mit den
trefflichcn Stichen des letztern durch Thäter und den ziemlich
mangelhasten Photographien des erstern begnügen, die uns
aber wenigstens vie meisterhaste Handschrift des Künstlers
zeigen, oder mit scinen reizenden Cartons zum Leben der
heiligen Elisabeth, diesen Meisterstücken schlanken Renaiffance-
stils; denn die Oelbilder, welche von ihm da sind, genügen
in keincr Weise, um den unerschöpstichen Reichthum der Phan-
tasie, den Schönheitssinn, die naive Anmuth, die schalkhafte
Grazie, den köstlichen Humor, das edle Stilgefühl, vor allem
aber die so ccht deutsche Empsindung, die durch alles hin-
durchzieht, was diescr Künstler schafft, auch nur annähernv
zu vergegenwärtigen. Die Läuterung der altdeutschen For-
menwelt durch hellenischen Schönheitssinn, wie sie Schwind
so merkwürdig in scincn Compositionen gelungen, machcn
ihn unstreitig zu einer einzigen Erscheinung in unserer
Kunst.
Wenn man uns selbst von seiken deutscher Kritiker den
Vorwurf macht, daß unsere Künstler nicht wie Breton, Bon-
nat oder Daubigny malen, was alle übrigen Franzosen
bekanntlich auch unterlaffen, so können wir wahrbastig sehr
berechtigt sragen, welcherFranzose componirt denn wie Schwind,
Genelli, Kaulbach, wie Führich, Richter oder Namberg?
Der letztere setzt eigentlich Schwind sort, und wenn er
ihm an Fülle der Erfindung nicht gleichkommt, so vervoll-
ständigt er ihn durch das feinste Naturstudium und einen
schönen Farbensinn, wie wir beides an dem Hofhalt Kaiser
Friedrichs in Palermo zu bewundern Gelegenheit finden.
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mehr hervor. Diese sindet man nur noch in Deutschland;
Frankreich hat aus Ursachen, die wir ja schon erortert haben,
keinen einzigen, das stammverwandte England deren noch am
ebesten, ohne die unserigen doch irgendwie zu erreichen. Wcr
aber könnte von naiven Künstlern sprechen und dächte nicht
sofort an Schwind, diese Zierde »nserer Malerei, diesen deut-
schesten aller jetzt lebenden Künstler? Leider haben weder
die Besitzer des Märchens von den siebe» Raben uoch des
Aschenbrödel es über sich vermocht, sich von ihren Schätzen
zu trennen, um der dcutschen Kunst in Paris einen ihrer
schönsten Triumphe zu sichern; wir müffen uns mit den
trefflichcn Stichen des letztern durch Thäter und den ziemlich
mangelhasten Photographien des erstern begnügen, die uns
aber wenigstens vie meisterhaste Handschrift des Künstlers
zeigen, oder mit scinen reizenden Cartons zum Leben der
heiligen Elisabeth, diesen Meisterstücken schlanken Renaiffance-
stils; denn die Oelbilder, welche von ihm da sind, genügen
in keincr Weise, um den unerschöpstichen Reichthum der Phan-
tasie, den Schönheitssinn, die naive Anmuth, die schalkhafte
Grazie, den köstlichen Humor, das edle Stilgefühl, vor allem
aber die so ccht deutsche Empsindung, die durch alles hin-
durchzieht, was diescr Künstler schafft, auch nur annähernv
zu vergegenwärtigen. Die Läuterung der altdeutschen For-
menwelt durch hellenischen Schönheitssinn, wie sie Schwind
so merkwürdig in scincn Compositionen gelungen, machcn
ihn unstreitig zu einer einzigen Erscheinung in unserer
Kunst.
Wenn man uns selbst von seiken deutscher Kritiker den
Vorwurf macht, daß unsere Künstler nicht wie Breton, Bon-
nat oder Daubigny malen, was alle übrigen Franzosen
bekanntlich auch unterlaffen, so können wir wahrbastig sehr
berechtigt sragen, welcherFranzose componirt denn wie Schwind,
Genelli, Kaulbach, wie Führich, Richter oder Namberg?
Der letztere setzt eigentlich Schwind sort, und wenn er
ihm an Fülle der Erfindung nicht gleichkommt, so vervoll-
ständigt er ihn durch das feinste Naturstudium und einen
schönen Farbensinn, wie wir beides an dem Hofhalt Kaiser
Friedrichs in Palermo zu bewundern Gelegenheit finden.