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Pecht, Friedrich
Kunst und Kunstindustrie auf der Weltausstellung von 1867: Pariser Briefe — Leipzig, 1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.1266#0325
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314

Schlußwort.

bequemer Hune und kein Grieche, weit mehr als jenem Halb-
gott sieht er einem recht zusainmenregierten Philister in
enger und buntscheckiger Livree gleich.

Die unzähligen Falten seines Gesichts sind mit dem hei-
ßcn Eisen bei Sadowa noch lange nicht alle auSgebügelt
worden, höchstens ein halb Dutzend, und selbst dafür wurde
ihm noch dcr linke österreichische Arm unterbunven. Und jetzt
hat sich bei Luremburg noch eine neue tiefe Furchc zu den
alten gesellt, und wir werden den Stahl noch oft in die Hand
nehmen müssen, bis wir aus anderer Leder seine Haut
wicder glatt gekriegt haben.

Jndessen ist das Gcsicht nicht schön, so ist es doch über-
haupt eins, und zwar cine sehr markirte, kräftige Phy-
stognomie, keine von andern geborgte Larve. Niemand kann
bestrciten, daß alles Deutsche, Kunstwerke sowol als Jndu-
strieerzeugniffe, einen ganz bestimmten Charakter trage, der
sie von denen andercr Nationen durchaus unterscheidet, wo-
mit also die eine jener Fragen bejahend erledigt wäre, die
wir als Keiinzeichen unserer Regeneration gefordert. Ob
dieses nationalc Gepräae aber auch cin ästhetisch werthvolles
sei, das kann man nur für die Kunst unbedingt günstig
beantworten. Für die Jndustric dagegen, die Oesterreicher
ausgenommen, nur in seltenen Fällen.

Der Hauptcharaktcrzug, der durch alle deutsche Produc-
tion hindurchgeht, den wir schon in unscrcr mittelalterlichen
Archilektur wie Malerei zeigen, ist cin gewisses mageres,
fleischloses, abstrackes, ebenso zu grandioser Conception wie
zu kleinlicher Ausbildung des Details neigendes, das Ganze
darübcr schließlich außer Augen laffendes Wesen, wie es aus
unserm Jndividualitätsstnn, unscrm Absonderungstrieb mit
Nothwendigkeit hervorgeht.

Dieser Jndividualismus ist überhaupt die Ouclle unserer
Tugeuden wie vielcr unserer Laster. Die Unabhängigkcit des
Geistes, die cr erzeugt, ist die Ursache, daß bei uns geniale
ursprüngliche Kraft öster crscheint als bei den meisten
andern Nationeu; ste ist abcr auch die unserer Zanksucht,
Uneinigkeit, unserer Vorliebe sür das Häßliche, denn wenn
 
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