Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ernleilung

die Landschaften, welche den heutigen Sitz des altbayerischen Stammes
bilden, zu den frühesten Kunststätten in Deutschland gehören, so ist das
keine bloße Zufälligkeit. Jm Gegenteil hüngt es sowohl mit ihrer
geographischen Lage als mit der besonderen Begabung wie Neigung ihrer Bevölkerung
auf das genaueste zusammen. Unmittelbar mit der nördlichen Abdachung der Alpen
beginnend, den Eingang aller Gebirgspässe, die vom Lech bis Salzburg nach Jtalien
führen, beherrschend, kam die oberbayerische Ebene fast am frühesten in Berührung
mit dieser alten Heimat der Künste. Dank der Schutzwehr der Alpen war diese
Berührung aber niemals so genau, daß nicht alles, was an Kunstformen von dorther
kam, jene völlige Umbildung hätte erfahren können, welche ein ganz anderer Volks-
charakter im Verein mit sehr verschiedenen klimatischen Bedingungen durchaus notwendig
machte, wenn etwas wahrhaft Lebeudiges und Organisches entstehen sollte. Diese
Bedingungen sind glücklicherweise so gebieterisch, daß sie jedem Kunststil, der von
anderen deutschen Stämmen bezogen, selbst erzeugt oder dem Auslande entlehnt
ward, sofort immer wieder das eigentümliche Geprüge jener in der rauhen aber
gesunden und nervenstärkenden Alpenluft entstandenen Volksart anfgedrückt haben.
Weil diese altbayerische Art durchaus langsam und schwerlötig, tapfer nnd bieder,
derb und finnlich, aber auch heiter und phantafievoll ist, so prügte sie ihr wuchtiges,
kerngesundes, jeder düsteren Schwärmerei oder sentimentalen Romantik abgeneigtes,
aber tief gemütvolles, besonders zum körnigen Humor neigendes Wesen, alsbald
auch all' ihren Erzeugnifsen auf. Bildet doch bei dieser, an ihrer Eigenart mit
seltener Beharrlichkeit festhaltenden, dem Neuen und Fremden wenig zugänglichen
Bevölkerung die Treue und Anhänglichkeit neben der gesunden Lebenslust einen
Hauptzug. Kein deutscher Stamm kann sich darum noch heute solch' starker Assi-
milationskraft rühmen, wie man sie an der aus der halben Welt zusammengeströmten
Münchener Künstlerschaft am besten beobachten kann, wo die Neueingewanderten sich
immer überraschend schnell-den herrschenden Sitten anüequemen oder verschwinden.
Selber in hohem Grade harmonisch und abgeschlossen, ist darum das starke Stil-
gefühl ein früh hervortretender, immer wiederkehrender Zug in der künstlerischen
Produktion. Nüchtern und mager, dürftig und arm wird dieselbe kaum je, das
ließen der außerordentliche Reichtum an Farben und Formen in der umgebenden
Natur, wie das so plastische, fest ausgeprügte Volksleben nie aufkommen.

Pecht, Geschichte der Münchener Kunst. 1

1
 
Annotationen