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Schazmann, Paul
Altertümer von Pergamon (Band VI, Text): Das Gymnasion — Berlin, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.3324#0008
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2 Allgemeines.

doch beanfpruchte die völlige Freilegung aller Terraffen noch viel Arbeit. Sie währte bis zum
Jahre 1913, wobei auch das Demeterheiligtum aufgedeckt wurde. Es erwies fich, daß das Gymnafion
drei Terraffen umfaßte, mit einem öffentlichen Laufbrunnen neben dem unteren Haupteingang.

Der Ausgangspunkt für die neue Grabung am Südhang des Stadtberges bildete die Ent-
deckung des großen Südtores in der eumenifchen Stadtmauer. Von hier aus aufwärts wurde
die Hauptftraße der Königftadt verfolgt bis zu dem Punkt an der Südoftecke des Gymnalions,
bis zu welchem fie bereits früher von oben her aufgedeckt worden war. An diefer Straße lag
auch der zweite Marktplatz, welcher der eumenifchen Stadterweiterung entfprach.

Die Aufräumung längs der Hauptftraße führte bereits in den beiden erften Jahren 1902/03
zur vollftändigen Freilegung des unteren und des größten Teiles der mittleren Terraffe. In den
beiden folgenden Jahren konnte der Reft der mittleren Terraffe freigelegt werden und die Pa-
laeftra auf der oberen in Angriff genommen werden. Infolge ihres großen Umfanges und der
ftarken Verfchüttung erforderte diefe Arbeit noch viel Zeit- und Kraftaufwand. In den beiden
Jahren 1906/07 wurden der weltliche Teil des Hofes mit feiner Umgebung, Gymnafiontempel und
Weftthermen, freigelegt, in den Jahren 1908/09 die öftlichen Thermen, 1910/11 hauptfächlich der
heilige Bezirk des Hera Bafileia. 1911 begann auch die Ausgrabung des öftlichen Zugangs zum
oberen Gymnafion, und diefe Arbeit wurde erft in den Jahren 1912/13 durch die vollftändige
Freilegung des Fefttores und des Rampenweges zum Abfchluß gebracht. .
Lage. Wenn man dem alten Burgweg, der fpäter durch das Haupttor der eumenifchen Stadtmauer-

erweiterung führte, bergauf folgt, fo kommt man zunächft an einer künftlich geebneten Terraffe,
welche die untere Agora trug, vorbei. An diefen Platz fchließt fich nach Werten ein größeres
römifches Wohnhaus, und am nördlichen Ende der Grenzmauer beider Gebäude bildet die
Straße einen fcharfen Knick, um von hier ab ziemlich gleichmäßig in nordöftlicher Richtung den
Berg hinauf zu fteigen (Pergamon I, Taf. III). Die Geländeverhältniffe, deren Zwang die Haupt-
verkehrsader folgte, verhinderten gleichzeitig eine rechtwinklige und parallele Anordnung der Ge-
bäude, wie fie beifpielsweife in Priene eingehalten werden konnte. Die aufeinander folgenden
felfigen Hänge und Flächen, welche den Fahrweg überragen, werden bei der eumenifchen Stadt-
erweiterung als Bauftelle für die großartige Gymnafionsanlage gewählt, wobei man einerfeits das
Gelände durch umfangreiche Erd- und Felsarbeiten den Bedürfniffen der Baugruppe anpaßte und
andrerfeits die einzelnen Teile des Gymnafions in äußerft gefchickter Weife mit Ausnutzung des
Terrains zu einem einheitlichen Ganzen zufammenfaßte.

Daß der Bauplatz außerhalb der älteften »attalifchen« Stadtmauer gewählt wurde, ift ver-
ftändlich, weil der erforderliche Raum hier eher zu finden war, als zwifchen den zufammenge-
drängten Gebäuden der zu eng gewordenen Burganfiedelung; auch in Athen z. B. lagen die größeren
Gymnafien ftets extra muros. Daß die Anlage fchon vor der eumenifchen Stadterweiterung be-
ftanden hätte, ift nach den weiter unten dargelegten Gründen nicht denkbar. Obgleich der Berg-
hang an diefer Stelle eine verhältnismäßig nur leicht geneigte Terraffe bildet, war es doch eine
fchwere Aufgabe, die Anforderungen, welche ein Gymnafion fleht, mit den Geländeverhältniffen
in Einklang zu bringen. Während ein Gymnafion nach antiker Bauweife eine rechteckige Geftalt
hat, mußte in diefem Falle seine Süd- und Oftfeite, dem Zuge der Fahrftraße folgend, eine fchräge,
mehrfach gebrochene Richtung einhalten. Durch die Errichtung hoher Stützmauern an der Tal-
feite und Felsarbeiten an der Bergfeite find mehrere Terrarien gefchaffen worden, die erft den
Bau ermöglichten.

Die Leiftung gewinnt an Bedeutung, wenn man in Betracht zieht, daß auch die untere Agora
vom Anbeginn in den Bauplan mit einbegriffen war: ein mächtiger Platz von etwa 55 x88 m,
von allen Seiten mit Säulenhallen und dahinter liegenden Räumen umgeben. Die Ausgrabung
hat gezeigt, daß die Anlage gleichzeitig mit dem Gymnafion als großzügig geplantes Ganzes in einem
Guß bei der eumenifchen Stadterweiterung angelegt worden ift. Das Ganze ift der einheitliche Ent-
wurf eines hervorragenden Städtebaumeifters.
 
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