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Pescheck, Christian [Bearb.]; Behrends, Rolfe-Heiner [Bearb.]
Katalog Würzburg (Band 12): Die Funde von der Steinzeit bis zur Urnenfelderzeit im Mainfränkischen Museum — Kallmünz/​Opf.: Im Verlag Michael Lassleben, 1958

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https://doi.org/10.11588/diglit.70492#0024
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ALTSTEINZEIT

ALLGEMEINES

Als ältester Beleg menschlicher Anwesenheit in
Unterfranken wird ein großer Faustkeil aus
Münnerstadt, Ldkr. Bad Kissingen, genannt34.
Es ist ein wohlgeformter Acheulkeil mit allseits
scharfer Kante und beiderseitiger Flächenretu-
sche. Seine Auffindung auf einem Steinhaufen
am Rande des Feldes hat im Verein mit seiner
klassischen Form und seinem Material35 den
Gedanken einer sekundären bzw. tertiären
Fundstelle aufkommen lassen. Andere Fäustel-
funde Mitteleuropas36 lassen an sich das Vor-
kommen derartiger Artefakte in Unterfranken
durchaus als möglich erscheinen37.
Die Kieselschieferfunde von Kitzingen zeigen
einen ausgesprochenen Mousterienhabitus. Ne-
ben Handspitzen (Taf. 1, 5. 7.9) treten Schaber
auf (Taf. 1, 11; 2, 2). Klingen (Taf. 2, 5. 7. 8)
können nach neueren Feststellungen schon dazu
gehören38. Diese Fundstücke sind alle geolo-
gisch in einer Schicht zwischen älterem und
jüngerem Löß fixiert, genau wie eine hier ein-
zureihende Klinge von Haßfurt (Taf. 1,1) und
ein Kratzer von Estenfeld (vgl. S. 19). Für Ab-

splisse aus Kitzingen gilt das gleiche (Taf. 1,
2. 4). Die geologische Datierung stellt die Fun-
de im wesentlichen in den Beginn der Würm-
eiszeit 39.
Hier einzureihen sind Oberflächenfunde vom
Schwanberg: eine schöne Handspitze aus Horn-
stein (Taf. 1,6) und zwei Schaber aus Kiesel-
schiefer (Taf. 1, 10; 2,6). H. Müller-Beck zieht
„sogar eine sekundäre Verschleppung... durch
die mesolithischen Menschen in Betracht"40.
Endlich wären vielleicht schaberartige Geräte
aus Dittelbrunn, die aus hellgrauem Hornstein,
bzw. blaugrauem Kieselschiefer geschlagen
wurden, hier anzufügen (Taf. 1,3; 2,3).
Die Handspitzen mögen absichtlich nicht im-
mer symmetrisch gearbeitet worden sein (Taf.
1)41. Für eine nicht gleichmäßige Benutzung
der Schneiden spricht vielleicht das Gerät aus
Kitzingen mit nur einer Kantenretusche (Taf.
1,7).
Parallelen zu unseren Hornstein- und Kiesel-
schiefergeräten liefern Oberflächenfunde aus
Hessen42, Artefakte der Irpfelhöhle bei Gien-

34) Priv. Bes. Münnerstadt, Nachbildung im Mus. Würzburg. — BVBL. 18/19, 1951/52, 219 u. Taf. 29. —
Fränkisches Land 5. VI. 1954, 102 f. mit Abb. — Forschungen und Fortschritte 29, 1955, 15 (H. Födisch).
— C. Scherzer, Franken, 1955, 346.
35) Das Stück besteht aus hellbraunem Flint mit dunkelbraunen Linsen und an drei Stellen Resten der
Knollenrinde. Die Patina ist hellgrauweiß mit Roststellen an den Kanten (durch Berührung mit der Pflug-
schar). Nach L. F. Zotz, der ein Gutachten vom 7. X. 1955 zur Verfügung stellt, „zeigt die Oberfläche
aller nordfranzösischen, aus Schottern und Kiesen stammenden Faustkeile genau dieselbe Beschaffenheit
und — soweit ich das aus der Erinnerung sagen kann — besteht vielfach auch aus demselben gelbbrau-
nen Rohstoff." Da die „Fundstelle", das Maital, Muschelkalk ohne bedeckende Schicht, geschweige plei-
stozäne Terrassen zeigt, müßte der Faustkeil mehr Patina besitzen und entsprechende Beschädigungen
aufweisen. Zotz denkt daher an französische Provenienz. Vgl. in diesem Sinne ferner H. Müller-Beck,
Das obere Altpaläolithikum in Süddeutschland, I, 1957, 21, 30, 41. Inzwischen konnte Mittelschullehrer
J. Wabra den modernen Import des Fundstückes aus Frankreich nachweisen (Fundchronik in BVBl. 23,
1958, z. Zt. im Druck).
36) Germania 21, 1937, 1 ff. (E. Becksmann); 33, 1955, 311 ff. (A. Luttropp). — J. Andree, Der eiszeitliche
Mensch in Deutschland und seine Kulturen, 1939, 166 u. 184. — L. F. Zotz, Die Altsteinzeit in Nieder-
schlesien, 1939, ll Abb. 12. — L. F. Zotz, Altsteinzeitkunde Mitteleuropas, 1951, 49 f. u. Bild 4. — Jah-
resschrift f. mitteldt. Vorgesch. 33, 1949 108 f.; 34, 1950, 7 f.; 35, 1951, 5 ff. (M. Jahn).
37) Über den Fund eines Faustkeiles von Schwarzenbach, Ldkr. Hof, sind die Untersuchungen noch nicht ab-
geschlossen.
38) Vgl. die Funde der Freilandstation Salzleben- Gitterstedt: Eiszeitalter u. Gegenwart 3, 1953, 144 ff.
(A. Tode).
39) Geologica Bavarica Nr. 25, 1955, 27 f. u. Abb. 2 (K. Brunnacker). — Germania 34, 1956, 3 ff. (K.
Brunnacker). — Geognostisches jahresheft 38, 1925, 279 ff. (O. M. Reis). — H. Müller-Beck a. a. O. 17,
28 f., 41.
40) H. Müller-Beck a. a. O. 21, 30, 42.
41) Vgl. Eiszeitalter u. Gegenwart 4/5, 1954, 123 (R. Wetzel).
42) Steina bei Ziegenhain: H. Müller-Karpe, Hessische Funde von der Altsteinzeit bis zum frühen Mittel-
alter, 1949, 5 ff., bes. 20 u. Abb. 8, 3—5; 9 (A. Luttropp u. G. Freund).

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