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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0312

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-307 -

28.3.2 Kontinuativer Infinitiv im Napatanischen
In der Suffixkonjugation des Mittelägyptischen kann ein Subjekt an der Oberfläche gelegentlich getilgt werden, wenn
Subjektsgleichheit mit einer vorhergehenden oder folgenden Verbalform besteht oder das Subjekt unpersönlich-
abstrakter oder pluralischer Natur ist, wobei an der Stelle des erwarteten Subjekts fallweise eine Graphie -j oder -w
auftritt1^ (siehe Gardiner 1957: §486-488; Westendorf 1962: §243.1; Kammerzell 1988: 48-50 und 1998b: 86);
Kammerzell (1998b: 86) spricht hier von “Konverben”. Ahnlich finden wir im Napatanischen als kontinuative Form in
narrativen Zusammenhängen vielfach den bloßen Verbalstamm, der als Stamm des sdm-f mit getilgtem Subjekt
gedeutet werden könnte. Ein Beispiel:
• sc Jmn ni-fhps d i - w jr-j “Amun zerschnitt seine Macht und gabsie (die Macht, oder die Feinde?) mir”
(H 74-76)
Angesichts des jungen Sprachcharakters des Napatanischen halte ich es jedoch für wahrscheinlicher, dass wir es nicht
mit idm-/-Stämmen, sondern mit Infinitiven zu tun haben, genauer: mit der oben besprochenen Verbindung hr + Infi-
nitiv, der “uneigentlichen NIMS-Konstruktion”, deren Präposition hr nicht realisiert ist. Ob das Fehlen der Präposi-
tion eine Angelegenheit der Phonem- oder der Graphemsprache ist, lässt sich nicht entscheiden. Formal ist die Ana-
lyse nicht abzusichern, da der Stamm des sdm-f und der Infinitiv sich graphisch nicht unterscheiden.1^ Betrachten
wir einige weitere Fälle mit einem Subjekt in der dritten Person:
• ¥y-f'sw h!q-w tp-n-j>w.t.w “es (mein Heer) schlachtete ihn (den Feind) und erbeutete Tiere” (H
98T) {-iv in h>q-w ist kein Subjektssuffix, sondern Agreement-Marker für das direkte Objekt)
• jw wn rmt sdr hnc rmt gbi nb hnt w>.t hnhn hft-hr Rc “alle mächtigen und schwachen Menschen standen am
Weg und jubelten vor Re” (N 19T)
• h'i Jmn Pr-nbs j y i jbr r-pr c> “Amun von Pnubs erschien u n d k a m aus dem großen Tempel heraus” (N 25)
• di-j h‘i Jmn Npyt p>-j jtj nfr j y i jbr r-pr c> “ich ließ Amun von Napata erscheinen und aus dem Haupttempel
herauskommen”(Ni6; ähnlich N 23, 27T)
• s> Rc Njstsn sj hrj h m s i hr bdj “der Sohn des Re Nastasen ist hinaufgestiegen und hat sich auf den
Thron gesetzt”(N 21) (oder ist hmsi ein mit sj koordinierter Stativ?)
Gelegentlich ist das Subjekt eines kontinuativen Infinitivs nicht mit dem Subjekt, sondern mit einem anderen Aktanten
des vorhergehenden Satzes identisch:
• sj~j j~jr Blst.t Tr.t d d - nj hr dd Jmn Npyt “ich ging zu Bastet von Tr.t, und sie spraehzu mir über
das, was (auch) Amun von Napata gesagt hatte” (H 2if.; ähnlich H 20, 21). Dass nicht “und ich sprach” gemeint
ist, geht einmal aus dem Suffix -nj hervor, welches nicht das Subjekt bezeichnen kann, und außerdem aus folgen-
der Parallelstelle: dd-f-j hr dd-f-j Jmn Npyt “er (Re) sprach zu mir über das, was mir (auch) Amun von Napata
gesagt hatte” (N 24).
Auch das Futur III kann auf diese Weise fortgesetzt werden:
• jwf.jrl nsw hm s i n d m m Brwt “er wird König sein, sitzen und sich wohlfühlenin Meroe”
= “er wird König sein und in Meroe fröhlich residieren” (N 22)
Wie in § 24.8.1 besprochen wurde, kann das Suffix der 1. pers. sg. ungeschrieben blieben. Wenn ein Subjekt in der
ersten Person vorangegangen ist und dann ein einfacher Verbalstamm folgt, ist es unmöglich zu entscheiden, ob ein
kontinuativer Infinitiv oder ein sdm-f mit ungeschriebenem -j vorliegt. Zum Glück hat dies keine wesentlichen Aus-
wirkungen auf das Textverständnis. Folgende Beispiele demonstrieren diesen ausgesprochen häufigen Fall:
• di-j sj hrj wn sb> c> “ich ging hinauf und öffnete das große Tor” (N i3)
• dd-j-f (...) hnhn ph hr S.t-jb i>ijw> 2 sj hrj m pr-wd> sdr grh 4 jri p> qn nb hrw 4 sj hrj ph hr S.t-jb t>ijw> 2 cqm
hw.t-ntr “ich sagte ihm (...) und jubelte, gelangte zum «Lieblingsort»-Heiligtum, nahm zwei Rinder, ging in die
Krypta hinab, lag dort vier Nächte lang, vollzog die ganze Abschlussfeier vier Tage lang, ging hinauf, gelangte
zum «Lieblingsort»-Heiligtum, nahm zwei Rinder und trat in den Tempel ein” (N 29-31)
• ph hr S.t-jb tji jw> 2 sj hrj hmsi hr bdj “(ich) gelangte zum «Lieblingsort»-Heiligtum, nahm zwei Rinder, ging
hinauf und setzte mich auf den Thron” (N 20)
• di-j sh mnq r >bd 4 “ich dekorierte (den Tempel) und wurde innerhalb von vier Monaten fertig” (H 24)
• di-j sj hrj htr c> ph. r-pr c> “ich ritt auf einem großen Pferd hinauf und gelangte zum großen Tempel” (N 12)
• di-j msc hrj m mnj.t d>i-jtrw “ich ging hinab zur Anlegestelle und überquerte den Nil” (N 12)
136 Die klarsten Belege betreffen das sdm.n-f Im sdm-f sind die subjektslosen Formen kaum vom sdrn.ir-Passiv zu
unterscheiden.
137 Auch die Form des folgenden Objektspronomens lässt im Napatanischen kaum eindeutige Rückschlüsse zu, DS-
§ 24.5. Im genannten Beispiel ist statt di-w möglicherweise di.t-w (= ^TH I-T-O'ö') zu lesen, was in der Tat ein
morphologisches Argument für den Infinitiv abgeben würde. Zu diesem Problem 03? § 27.5.3.
 
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