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Peust, Carsten
Das Napatanische: ein ägyptischer Dialekt aus dem Nubien des späten ersten vorchristlichen Jahrtausends ; Texte, Glossar, Grammatik — Göttingen, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.31318#0332

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tion, wo der Agreementmarker nicht obligatorisch ist, erscheint er in N annähernd in der Hälfte, in H annähernd in
einem Drittel der Fälle. Beim (direkten und indirekten) Objekt erscheint er in N annähernd in 3o% der Fälle, in H
nur wenige Male. In A kommen mehrfach Agreementmarker für das direkte Objekt vor, doch reichen die Belege für
quantitative Aussagen hier nicht aus.
30.6.3 Kongruenzmerkmal bei Präpositionalobjekten
In folgenden Fällen finden wir an einer Präposition, die ein nominales Komplement hat, ein zusätzliches Pronominal-
suffix:
• mii-j jr-fjtrw-” “ich blickte auf (ihn, nämlich) den Nil/ ich sah den Nil” (H ±7)
• mll-j jr-f r-pr “ich blickte auf den Tempel/ ich sah den Tempel” (H 24h)
• dd pi-j md.t nfr jrm-f pi Rc (N 17, 23, 28f.) “(ich) führte mit Re mein glückliches Gespräch”
Der Grund scheint darin zu liegen, dass es sich nicht um freie adverbiale Ergänzungen, sondern um objektsähnliche
Komplemente handelt. So hat das Verb mii “sehen” im Napatanischen regulär die Rektion mit r und nimmt kein
direktes Objekt zu sich (Kä’ § 20.6.3). Ich spreche hier von einem Präpositionalobjekt mit einem
Terminus, der aus der deutsehen Grammatik stammt (“sich a n etwas erinnern” etc.) und von Junge (1973: 81) in die
Ägyptologie eingeführt wurde.
30.6.4 Vorbilder für Agreementmarker im außernapatanischen Ägyptisch
Das Aufkommen der Agreementmarker ist eine Besonderheit des Napatanischen. Dennoch sind, wie auch sonst oft,
nicht dem Ägyptischen völlig fremde Konstruktionen in das Napatanische eingedrungen, sondern Tendenzen konse-
quent fortgeführt worden, die im Agyptischen schon angelegt waren. Im Jüngeren Agyptisch finden sich mehrere,
wenn auch zumeist marginale Phänomene, die schon an die napatanischen Agreementmarker erinnern:
• Im Neuägyptischen gibt es drei nachgestellte Verben der Redewiedergabe: jn-f“... sagte er”, hr-f“... sagt er”,
ki-f “... wird er sagen”. Ein nominales Subjekt wird meist so konstruiert, dass die Nominalphrase mittels der
Präposition jn I m an eine Form mit dem entsprechenden Suffixpronomen angefügt wird: jn-f n-s m pi ti.tj “...
sagte zu ihr der Wesir” (Erman 1933: § 714-716).
• Im Koptischen gibt es Ausdrücke, die stets oder vorwiegend im status pronominalis gebraucht werden, weshalb
eine volle Nominalphrase mittels einer Präposition an das Pronomen angefügt werden muss, z.B.: GpivT-J A-
nppo “zum König” (Till 1960: § 236), 2HT-C N-TEJ-AVdüVir “der Bauch seiner Mutter” (Till 1960: § 112).
• Im Koptischen kann das Subjekt im Verbalsatz mittels der Präposition sNSI-, ^NSC- nach rechts ausgelagert
werden, wobei in der Verbalkonstruktion selbst ein Personalsuffix steht (zur Koptischen N©l-Konstruktion siehe
Shisha-Halevy 1986: 157 und Steindorff 1951: § 412). Diese Konstruktion wird zunehmend häufiger, und im
(vorwiegend spät überlieferten) Bohairischen sind Sätze des Typs &-J-C(ÜT£A\ NSC ni-p(l)A\C “der Mensch hörte”
sehließlich gewöhnlicher als die ursprünglichere Konstruktion is ni-p(ÜAC C(ÜTC/V. Dies ist eine gute typologi-
sche Parallele zum Napatanischen, allerdings aus einer wesentlich späteren Epoche.
• Nur ganz vereinzelt kann im Koptischen das Subjekt ohne N©I nachgestellt werden: C-'j-TCÜN no'ö'-^dd “wo ist
dein Gatte?” (Till 1960: § 443, siehe auch Shisha-Halevy 1986: 158).
• In seltenen Fällen kann auch eine Nominalphrase einem Objektspronomen nachgestellt werden: <\'S'K(ÜT A\AOJ
nmrproc eTAVAiK'S' “sie haben ihn gebaut, den Turm da” (Shisha-Halevy 1986: 158). Hier handelt es sich nicht
um eine grammatikalisierte Verwendungsweise, sondern um ein Ausschöpfen des theoretisch noch innerhalb des
Sprachsystems Generierbaren, um einen sprachlichen Grenzfall, der als solcher auch im Deutschen möglich ist.

3o.6_5 Zum Zusammenhang von Agreementmarkern und freier Wortstellung
Morphologische Markierungen und syntaktische Ausdrucksmittel können in Konkurrenz miteinander stehen. Bekanntes
Beispiel: Im Lateinischen werden die nominalen Aktanten im Satz durch Kasusmorpheme identifiziert, in den romani-
schen Nachfolgesprachen verschwindet die Kasusmorphologie, woraufhin dieselben Funktionen von der Wortstellung,
also von syntaktischen Mitteln übernommen werden. Ganz parallele Entwicklungen finden wir in einer Reihe anderer
diachron gut belegter Sprachzweige (z.B. Entwicklung von Alt- zum Neuenglischen, vom Sanskrit zum Hindi, vom
Klassischen zum Modernen Arabisch).
 
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