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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1865

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Nr.35 (21. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43886#0147
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Ao!-

Stadt und Land.

Preis: vierteljcihrl. 40 kr. ohne Träger-
lohn u. Postaufschlag. Jns.-Geb. 2 kr. d.Z.

Nr. 35.

Heidelberg, Dienstag, den 21. November

1863.

„Wer nicht mit uns handelt und denkt ist ein
rechtloser Mensch."
Das ist, wie schon mehrmals in diesen! Blatte
gezeigt, das Losungswort der modernen Frei-
heitsnehmer , oder wie der Mannheimer Anzeiger
in seiner Sonntagsnummer dieselben bezeichnete, der
sogenannten „Auch liberalen," d. h. aller Der-
jenigen, deren ganzer Liberalismus, deren ganze
Freisinnigkeit darin besteht, frei zu sein von jeder
ordentlichen Gesinnung, und deren ganze Gesinnungs-
tüchtigkeit darauf hinausläuft, daß in keiner Be-
ziehung etwas Tüchtiges an ihnen zu finden ist,
außer etwa eine kräftige Stimme, um „tüchtig"
schimpfen zu können über die „Pfaffen und Pfaf-
fenknechte," „Jesuiten," „Ultramontanen," „Casino-
männer" rc. —
„Wer nicht mit uns handelt und denkt, ist ein
rechtloser Mensch," — das ist der Nechtsstand-
punkt dieser „Auchliberalen," von dem aus
alle Verhältnisse und Angelegenheiten Andersden-
kender, besonders der „ultramontanen Cafinomänner,"
behandelt werden müssen. Ein neues Pröbchen dieser
freiheitsnehmerischen Freisinnigkeit und „auchlibera-
len" Gerechtigkeitsliebe hat uns der Bote Flaschon
in seiner Nr. 32 von Kirchheim mitgetheilt. —
Auch das Beilehmen des Oberamtmanns Linde-
mann gegenüber den in Ihrem Blatt genannten
vier früheren Bezirksräthen des Amtsbezirks Wies-
loch scheint mir wenig geeignet zu 'sein, den Glau-
ben an edle Freisinnigkeit und Gleichberechtigung
aller Stände und Cvnfessionen in uns zu befestigen.
Und doch sind die auchliberalen Blätter jeden Tag
voll von Lobeserhebungen auf christliche Duldsamkeit
und confessionelle Parität, d. h. Gleichberechtigung
aller Consessionen vor dem Gesetze; sie verlangen
dieselbe für alle, auch für nichtchristliche Bekennt-
nisse, nur die Anhänger des ältesten, des römisch-
katholischen sollen und müssen um jeden Preis unter-
drückt und ausgerottet werden; alle anderen poli-
tischen wie religiösen Vereine und Gesellschaften
müssen aus den Fesseln des Polizeistaates erlöst,
emancipirt, nur den römisch-katholischen sollen zu
den Hand- und Fußschellen auch noch Daumenschrau-
ben angelegt werden; die Gewerbefreiheit und Frei-
zügigkeit gilt für alle Confessionen auch auf religiö-
sem Gebiete, nur die Niederlassung kath. Vereine

und Orden der werkthätigen christlichen Nächsten-
liebe unterliegt dem strengsten Zunft- und Paß-
zwange. Wehe einem Jesuiten! sollte er es wagen,
seinen Fuß in manchen Duodezstaat zu setzen, auch
nur um eine Mission daselbst zu halten; freireligiöse
Vagabunden dürfen überall auf Gassen und in Knei-
pen auf alles Katholische schimpfen und lüstern, nur
die Diener der katholischen Kirche müssen wegen
jedes mißliebigen Wortes denuncirt und gemaßregelt
werden. —
Das scheinen unter der confessionellen Parität
die Freiheitsnehmer oder „Auchliberalen" unserer
Tage zu verstehen, wohin wir rechnen die Auch-
katholiken, Schenkelchristen, Neformjuden nnd Hans-
Rongeanbeter — mit einem Worte, alle Anhänge»
der sog. Zukunftsreligion, d. h. alle diejenigen, welche
gegenwärtig keine Religion haben und hoffen, daß
es in Zukunft gar keine mehr geben werde; die
den Menschen blos nach Gestalt und Umfang,
nicht aber nach seinem innersten Wesen, seiner
geistigen Beschaffenheit vom lieben Vieh unter-
scheiden. Allerdings sollte man schon wegen dieses
einzigen Zugs von fast übertriebener Bescheidenheit
dem AuchliberalismuS Manches nachsehen und ver-
zeihen; denn wegen dieser geistigen Verwandtschaft
mit seinen behaarten und gehörnten Vettern und
Basen mag ihm vielfach die Unterscheidungsgabe
zwischen Recht und Unrecht abgehen und mag es
daher ebenso wie bei jenen am Platz sein, wenn
Meister Flaschon von Zeit zu Zeit darüber hand-
greifliche Begrisfsentwicklungen mit dem Kuieriem gibt.

Die neue Aera und das Viehsalz.
Wir haben neulich von dem Leidwesen geredet,
das das Ministerium der neuen Aera, wiewohl es
eine wohlfeilere Staatsverwaltung versprochen hat,
doch die Staatsausgaben fortwährend vermehrt.
Nicht einmal die feudale Besitzvcränderungsab-
gabe, die Liegenschafts-, Erbschafts-, und Schenküngs-
accise, diese unbillige, drückende Expropriation ist
aufgehoben worden, obwohl die Verfassung solche
unentgeltliche Expropriationen verbietet.
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Salzsteuer,
welche vorzugsweise den armen Leuten obliegt und
ihnen eine der wenigen Würzen des Daseins ver-
kümmert. Während besonders den Reichen die ganz
 
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