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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1866

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Nr. 26-39 (1.März - 31. März)
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Tsnnerstag, den 1. Bierz

Bote

Pfalzer
Erscheint wöchentlich 3 Mal: Dienstag,
Donnerstag und Samstag.


Ist das Gesetz das öffentliche Gelviffen?
Von Wilh. Em. Frhrn. v. Ketteler, Bischof von Mainz.
(Fortsetzung.)
Wir machen ferner auf die Jnconseqnenz dieses Liberalis-
mus der neuen Aera aufmerksam, welcher seinem Wesen nach
der rücksichtsloseste Absolutismus ist, zugleich aber vor der Welt
Liberalismus seilt will. Hierin liegt der Kern eines in allen
Verhältnissen unserer Zeit wiederkehrenden und sich kundgebenden
Widerspruches. Der moderne Liberalismus hat immer zwei
Seiten und benutzt bald die eilte, bald die andere; er hat-immer
zwei Gesichter und wendet uns bald das eine, bald das andere
zu, je nachdem es das Jnterresse der Partei mit sich bringt.
Er sagt uns: er sei liberal, er begünstige die Freiheit. Wenn
wir ihn lllilt beim Worte halten und auch für Religion und
Christenthunz Freiheit fordern, so macht er plötzlich durch einige !
geschickte Wendungen alle Conseguenzen des äußersten Absolu-
tismus gegen uns geltend. Wenn wir dann aber die Staats-
gewalt ltnd ihren Schutz für irgend ein Interesse der Religion
und der Sittlichkeit in Anspruch nehmen, so sagt er uns wieder,
er sei liberal und müsse die persönliche Freiheit achten. Wenn
wir uns beklagen, daß die offene Gottesleugnung geduldet wird,
daß Ulan ungestraft den Herrn Himmels und der Erde in's
Angesicht schlagen darf, daß unserem Volke Gottesleugner zu!
Lehereru gegebeu werden, daß das Christenthum, die Kirche, die
Religion des ganzen Volkes von jedem Buben verhöhnt und ver-
spottet werden dars, daß das Gift roher Unsittlichkeit überall
verbreitet wird, so stellt uns der Liberalismus das Prinzip der
individuellen Freiheit entgegen; er versichert uns, das sei die
Eonseguenz der Freiheit, das sei das Recht des einzelnen Menschen,
das sei ein nothwendiges Ergebniß der freien Wissenschaft, der
Freiheit des menschlichen Geistes. Wenn dann aber ein katho-
lisches Volk sich auf fein Gewissen beruft, nicht zum Schutze
irgend einer beliebigen neuen Doetrin, sondern einer Ansicht,
die die gesummte katholische Kirche, ja alle gläubigen Christen
vertreten, so leugnet man die Berechtigung des persönlichen
Gewissens, das Recht der Freiheit des eigenen Gewissens und
fordert eine blinde Unterwerfung unter das angebliche Gewissen
der Staatsgewalt.
Dem Gottesleugner, dem Anhänger des rohesten Materia-
lismus erkennt der Liberalismus das Recht der freiesten Bethä-
tigung seiner individuellen Ansicht zu; ob alle Interessen der
Menschheit dadurch gefährdet werden, bleibt ohne Berücksicht-
tiguug. Der Liberalismus hält in diesem Falle das Recht des
persönlichen Geistes so hoch, daß es in seinen Augen allen
schein auswiegt, der durch den Mißbrauch dieses Rechts ange-
richtet wird: dem gläubigen Christen dagegen, dem christliche!:
Vater, gestattet derselbe moderne Liberalismus nicht die Beruf-
ung auf sein Gewissen, und wenn auch Tausende, wenn ein
großer Theil des ganzen Volkes ihm zur Seite steht; er darf
dem Staate gegenüber kein individuelles Gewissen haben. Was
im allerreichsten Maße der Gottlosigkeit Zugestanden wird und
jedem einzelnen Gottlosen, das wird dem Christen, dem ganzen
christlichen Volke verneint und nicht zugestanden. Unser armes
Vock wird bestraft, wenn es sich aus das Recht seines Gewissens
beruft; unsere sogenannten Gebildeten aber werden für Alles,
wa^ sie gegen die Religion unternehmen, in Schutz genommen,
wenn sie sich auf das Recht ihres Geistes berufen. Das ist die
vMonsequenz, das ist die bodenlose Unredlichkeit des modernen
Liberalismus.
Endlich noch eine allgemeine Bemerkung: die Conflikte in
der Gegenwart zwischen den abgeblichen Forderungen des mo-
dernen Staates und der christlichen Anschauung liegen nicht
eigentlich in dem Wesen der Sache, sondern vielmehr in den
Parteizwecken, in den Parieiinteressen, in dem schnöden Miß-
brauch, den eine Partei mit dem Staate und der Staats-
gewalt für ihre Absichten treiben will. Nicht das wahre In-

teresse des Staates ist in Conflikt mit der christlichen Denkweise
oder mit den Forderungen der christliche!: Kirche, sondern das
Interesse dieser Partei, die den Staat zu ihren gottlosen Be-
strebungen mißbrauchen will. Der Staat mit allen seinen Ein-
richtungen, bis zur Schule herab, soll dem Systeme der Gott-
losigkeit als Mittel dienen um seine Herrschaft zu begründen.
(Schluß folgt).
Dic Bewegung in der katholischen Kirche.
i.
O Unter dieser Ueberschrift bringt die „Bad. Landesztg."
Nr. 42, Zweites Blatt, eine:: Artikel der ganz buchstäblich die
Dummheit seiner Leser sür ein so sicheres Fundament ansieht,
daß er darauf eine Kirche bauen könne. Er will nämlich seinen
! Micheln weiß machen, er müsse den wahrer: alten Katholieismns
! wieder aufrichten, denn der römische Katholieismns sei nur ein
Neukatholi e i s n: u s, und dies erkenne man an' seinen Früch-
ten. Habe ja doch das Christenthnm die Vollkommenheit und
Reinheit des Seelenlebens zur Aufgabe, so zwar, daß er selbst
das strenge Gebot gebe „liebet eure Feinde, thut denen Gutes,
die euch hassen." Der Neukatho licismns aber, oder der
Ultramontanismus, habe sich zu diesem Seelenadel nie
erheben können, er habe jenes Gebot aus den Augen verloren,
er überlasse sich ganz der sinnlichen Natur und der Herrschaft
der niedern Triebe. Man möge nur das Freiburger Katho-
lische Kirchelftblatt lesen: in jedem Artikel desselben finde
inan nur Tobsucht, Ehrabschneidung und die Wuth zu lügen,
zu kränken, Zu brandmarken. Oder man lese nur die Stolz'-
schen Schriften, die man anfangs „ihrer drolligen Form" und
sittlich-körnigen Schreibart wegen gerne gelten ließ, „sie sänken
mehr und mehr in den Pfuhl des Unflaths".
Da haben wir die Bescheerung der badischen Mordbase!
Aus sie, ihr Katholiken, richtet eure Augen; vor ihrem voll-
kommenen und reinen Seelenadel bückt euch und hütet euch
vor den: Lügen, Ehrabschneiden, Verläumden und Brandmarken!
Doch — wir haben einmal vor: einen: Fuchs gelesen, der ein
Röcklein und einen Kragen gestohlen hat, um unter den Thieren
des Waldes eine christliche Mission Zu halten und gegen das
Stehlen und Hühnerfleischessen zu predigen.
In der Thal, wir lese:: jede Nummer des Freiburger
katholischen Kirchenblattes mit aller Aufmerksamkeit und leider
ist darin sehr, sehr viel die Rede von „lügen, verläumden,
ehrabschneiden und brandmarken", aber anders als um diese
neuärarischen Tugenden der Landeszeitung und vieler anderer
Fortschrittsblätter mit Freimuth ans Licht zu Ziehen und solchen
reinen Seele nadel dein Abscheu der christlichen Welt Preis
zu geben. Das Kirchenblati ist unermüdet bestrebt, die Schlan-
gennester in: Garten der christlichen Kirche zu zerstören und die
zischende Brut aus den Löchern zu ziehen und hat besonders in
der neueren Zeit in dieser traurigen aber nothwendigen Arbeit
schon wahrhaft Bewunderungswürdiges geleistet. Das ist frei-
lich im Sinn jener Blätter sehr unchristlich. Darum ist auch
in ihren Äugen der Bischof von Mainz ein großer Heide. Kann
nun aber die Bad. Landeszeitung die Ungenirtheit weiter trei-
ben, als die Abscheulichkeiten, deren man sie schon so oft über-
führt ha:, denjenigen zuschieben zu wollen, welche diese Ab-
scheulichkeiten fast täglich zu bekämpfen genöthigt sind?
Was ist denn, fragen wir die Landeszeitung, was ist denn
„die gegenwärtige Bewegung in der katholischen Kirche?" Ist
es etwa euere erbärmliche Flickarbeit, die ihr eine Herstellung
der „allkatholischen" Kirche nennt? Geht doch und macht Euch
nicht lächerlich mit eurer Dummheit, die jede Fastnacht wieder-
kehrt. Was kümmert sich die kathol. Kirche um diese Lappalien?
da hätte sie viel zu thun, wenn sie anders darauf Hinschauen
wollte, als etwa um einen Scherz zu machen über euere Narren-
jacken. Die Bewegung in der kaiholichen Kirche ist eine ganz
andere, ist lediglich ein Vertheidigungskampf gegen die
 
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