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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1867

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No. 130-142 (2. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43882#0523

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Er ſcheint wöchentlich 3 Mal : Dienftag,
Donnerſtag und Samſtag.

* Rede des Abgeordneten Moritz Mohl , in der
19. Sitzung der württembergiſchen Kammer vom

99. Octdber.
(Nach dem Stuttg. Beobachter.)

Mohl beginnt mit der allgemeineu Bemerkung, daß es wohl
nie ein Parlament aufs der Welt gegeben habe, in welchem ein
Mitglied da, wo es sich von den Jntereſſen des betreffenden Lan-
des handle, für einen ausländischen Staat und in deſſen Namen
ſpreche und drohe. Wäre es für den Vertrag, so würde er gesagt
haben : Gott bewahre mich vor meinen Freunden. Sodann wen-
dete er sich in einem kurzen Rückblick gegen Herrn v. Varn-
büler und unterzog deſſen Handlungsweise, wie er im October
v. J. den im Auguſt geſchloſſenen Vertrag verleugnete oder ver-
ſchwieg, einer mit Citaten gespickten Kritik. Er characterisſirte
hierauf den Vertrag als einen Vaſallenvertrag und bestritt dem
Minister das Recht, für alle Zeiten bindende und die wichtigsten
Rechte hingebende Verträge für sich und geheim einzugehen. Zu
leugnen, daß dieſer Vertrag dem Lande Lasten auferlege, könnte
nur einem Candidaten einfallen, der ſich vorgenommen habe, durch's
Examen zu fallen. Der von einem Unberechtigten eingegangene
Vertrag sei null und nichtig. Wenn Gras Bismarck sage, der
Vertrag sei von Süddeutſchland ausgegangen , so wolle man in
Berlin offenbar den Schein vermeiden, als habe man den Nicols-
burger Verabredungen nicht Wort gehalten, wie es auch in der
That der Fall sei. Hinſichtlich des Mangels an Berechtigung für
den Miniſter, einen solchen bleibend verpflichtenden Vertrag ein-

zugehen, mahnt der Redner an einen älteren Vorgang aus der würt-

tembergiſchen Geschichte, wo der König Friedrich 1813 nach der
Schlacht bei Leipzig einen zu den Allirten abgesſendeten Unterhänd-
ler noch einmal zurückgeschickt habe, weil ihm derſelbe ohne eine
seine Landes-Integrität garantirende Clauſel zurückgekommen ſſei.
In solchen Fällen sei die Festigkeit am Plat, die Erklärung : „ich
bin verfaſſungsmäßig nicht ermächtigt, einen solchen Verzicht ein-
zugehen“, habe stets am besten geholfen. Wäre der Vertrag ſtatt
angeboten, entschieden zurückgewiesen worden, so hätte der Minister
ſich um das Land verdient gemacht. Der Redner erinnert dann,
unter welchen Umständen das Geheimniß über diesen Vertrag von
Bismarck gebrochen worden sei ; zur Zeit der Luxemburger Frage
nämlich, wo er des Säbelgerassels bedurft, um deren ſchmählichen
Ausgang zu verdecken. Damals gleich nach seinem Bekanntwer-
den hätte die Regierung den Vertrag vorlegen sollen; aber frei-
lich damals + man ſolle sich nur der allgemeinen Entrüſtung er-
innern –+ wäre der Vertrag unbedingt verworfen worden. Statt
ihn vorzulegen , sei aber die Regierung nur an die Ausführung
deſſelben gegangen. Dieß führt der Redner im Einzelnen aus,
indem er mit Einführung des Zündnadelgewehrs beginnt und
mit dem Zollvereins - Vertrag endigt. Man habe uns in das
Zollparlament hinein vertragt und dadurch unser Steuerverwilli-
gungsrecht in einen fremden Körper hineingelegt. Man habe die
Stände absichtlich so lang nicht berufen, man habe sie nicht in
nüglicher Zeit berathen lassen, man habe sogar die gesetliche Zeit
für den Etat verstreichen laſſen, und sie erſt auf den 18. October
kommen lassen, um sie dann durch die Kürze der Zeit zu über-
rumpeln. Er achte des Miniſters Intelligenz viel zu hoch, um
nicht anzunehmen, daß hierin ein System gelegen sei. Ueber die-
ſes ſchwaten die Sperlinge auf den Dächern. Man habe die
württembergiſche Kammer einfach durch das kait accompli der
bayeriſchen Abstimmung abzwingen wollen. Nach einem Aufsatz
in der „A. A. Z.“ haben die Minister Württembergs und Bayerns
sogar verhandelt über eine gemeinſchaftliche Gesetzgebung mit dem
_ Nordbund. Wenn es so weit sei, dann wisſſe er nicht mehr, wozu
eine eigene Regierung Württembergs bestehe.

_ Der Redner. wendete sich dann zur Ausführung des Abg.
Römer über die im Vertrag enthaltene Gleichberechtigung Würt-
tembergs. Die Alten haben gesagt, zwei Auguren können ſich
nicht begegnen ohne zu lächeln, und so werden auch die Herren
v. Bisma r > und v. Varnbüler nicht ohne Bewegung ihrer
Lachmuskeln den betr. Paſſus des Vertrags abgefaßt haben. Sie
ſtellten sich allerdings gegenseitig ihre Truppen zur Verfügung,
aber mit dem kleinen Unterſchied, daß Preußen den Oberbefehl



_Donnerſtag den 7. November



ote

und Land. Usti



Trägerlohn u. Poſtaufsſchlag.
Ins.-Geb. 2 kr. die Petitzeile.

1867.

habe. Das komme ihm gerade vor, wie wenn sich zwei Monarchen
wechſelſeitig ihre Länder zur Verfügung stellen, jedoch mit dem
Vorbehalt, daß der eine die Regierung habe. Der eine habe die
Gewalt, der andere habe ein lächerliches Papier in der Hand.
Wenn der preußische Oberbefehlshaber Ursache habe, den württem-
bergischen Truppen nicht zu trauen, was leicht möglich sei, so
schicke er ſie nach Thorn oder Graudenz, da werde ihnen freilich
kein Leid geſchehen. Aber dem Lande könne inzwischen Leid ge-
schehen. Der wahrscheinlichſte Fall sei doch der einer Allianz
zwiſchen Desterreich und Frankreich, wenn Preußen wieder einmal
die Luſt anwandle, sich eine öſterreichiſche Provinz zu annexiren,
wie das schon öfter da gewesen. Dann werde sich fragen, wie es
um unsern Schutz aussehe. Er wiſſe nicht, ob die 900,000 Mann
gezählt seien. Frankreich und Deſterreich zuſammen könnten jeden-
falls eine noch größere Macht stellen und Frankreich habe zudem
eine große Flotte, um die Oſtſee zu blokiren. Die Zärtlichkeit von
Preußen gegen uns werde nicht so weit gehen, seine Truppen aus
seinem eigenen Land wegzuziehen , um das unsrige zu ſchüten.
Gerade dieß sei aber der Fall der so viel verſpotteten Neutrali-
tät. Sollten wir uns dann zermalmen lassen für Preußen ? Hier
sitzen doch württembergiſche Abgeordnete, nicht vreußiſche. Preußen
habe Deutschland zerſtört und zerrissen. (Unterbrechung und Bei-
fall) Mohl fährt ruhig fort: Wie kann man über ein ſolches
Einmaleins streiten? und wiederholt seinen Sat. Preußen habe
nicht das Recht sich Deutſchland zu nennen. Niemand habe
das Recht Vasſallendienſte von uns zu fordern, am wenigſten der,
welcher uns in eine solche Lage wie die jetige gebracht. Das
Höchſte, was Preußen nach dem was es gegen uns gethan, von
uns verlangen könne, sei, daß wir neutral bleiben. Wir haben
gar keinen Feind auf der Welt, als Preußen. Nur Preußen wolle
uns verschlingen. (Lärm und Beifall). Da ruft Mohl den
Gegnern zu: Wir sind hier, um das Volk zu vertreten, das uns
gewählt hat und nicht um ein Volk zu vertreten, das vor Jahres-
friſt dem Süden 45 Millionen abgenommen hat. Der Abg. Römer
rufe uns zu, wir ſeien verloren, wenn wir den Vertrag nicht
annehmen, dabei könne er blos im Auge haben, daß zur Strafe
preußiſche Truppen bei uns einrücken. Diese werden aber wohl
( frttubettes tte hece uurac r.:
nicht in Händel zu miſchen. j
Die Kammer brach in ein lautes Lachen aus , als der Red-
ner in seiner lebhaften Eremplification fortfuhr : Wie kann denn
einer, der seine eigenen Truppen nicht commandirt, Krieg erklä-
ren? Er gibt dann eine hiſtoriſche Skizze der preußiſchen Kriege
seit 150 ‘Jahren und zieht daraus den Schluß , wie leichtsinnig
das Versprechen sei, einer ſolch händelſüchtigen Machi, die erſt
noch in neueſter Zeit ohne Anlaß über Deſterreich und Deuſchland
hergefallen, das Versprechen zu geben, mit der vollen Kriegsmacht
und mit den vollen Finanzkräften des Landes alle ihre Kriege
mitzuführen. Wenn Preußen in einen Kriez mit Rußland komme,
was freilich nicht wahrscheinlich sei, sollen wir unbedenklich Theil
nehmen, auch wenn Preußen, und das fei das Wahrſcheinlichſte,
einen Krieg mit Deſterreich vom Zaune breche. Dazu, frage (er,
sollen wir dann Truppen und Geld hergeben? Was einen Krieg
Preußens mit Frantreich betreffe, ſo könne es Fälle geben, in
welchen Süddeutſchland ganz von ſelbst betheiligt ſei, aber anch
solche, bei denen wir keine Ursache haben, uns einzumiſschen, z. B.
wenn Preußen wegen Absichten auf Holland oder Belgien in Ver-
wicklung gerathe. Von einem sehr unterrichteten Mann wiſse er,
daß uns eine solche Betheiligung in der Luremburger Frage nahe
bevorgeſtanden. Damals sei Frankreich entſchloſsſen gewesen,
120,000 Mann nach Bayern zu werfen. Frankreich wisse ſich
aber in Feindesland wohl zu nähren. In Frankreich könne man
noch heute hören : In Deutschland sei es gut, da gebe es Hühner.
— Von der Integrität Deutſchlands solle man ihm dann reden,
Das aber habe gerade Preu-







wenn man ein Deutſchland habe.
ßen zerstört. – Ferner sagte er: Er habe jet! geſehen, wohin
der Parteigeiſt führen könne. Habe man hier nicht ſelbſt beſtrit-
ten, daß es sich nicht um eine Verfaſſungsänderung handle bei
dem Allianzvertrag ? Es müsse etwas Wörtliches in der Verfaſſung
enthalten sein, höre er ſagen, um als Verfaſſungsbesſtimmung zu
gelten. Ob denn der allgemeine Sat nicht deutlich genug laute:
 
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