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und Land.
M 1066
* Zur Lage.
Napoleon hat Frankreichs und sein eigenes Schickſal in die
Hände zweier Männer gelegt, denen der Ruf der äußersten Rück-
ſichtsloſigkeit und Gewaltthätigkeit zur Seite steht: B a za ine und
Pali kao. Wie der Erstere den äußeren Feinden gegenüber mit
allen militäriſchen Mitteln das Feld behaupten ſoll, ſo hat Letzterer
die Aufgabe, der Revolution in Paris die Stirne zu bieten und
alle noch übrigen militäriſchen Hilfsquellen Frankreichs zu erſchließen,
um der Feldarmee die so uöthigen Verstärkungen zuzuführen. In
lezterer Beziehung hat man die Absicht, sofort alle noch in Frank-
reich und Algier befindlichen Garniſonen zur Hauptarmee zu ſchaf-
fen, dazu die vierten Bataillone der 100 JInfanterieregimenter, ver-
ſtärkt durch Mobilgarde, die Marineinfanterie und die zu einem
Corps von 10,000 Mann einzureihenden Gensdarmen, zuſammen
etwa 150,000. Diese Armee könnte raſch zur Verstärkung der
Hauptarmee an Ort und Stelle sein; eine weitere Verſtärkung von
60,000 Rekruten bedürfte indeſſen einer Zeit von mehreren Wochen,
bis sie einigermaßen kkriegstüchtig wäre, so daß diese alſo höchst
wahrſcheinlich erſt post kestum verwendbar würde. Mobilgarden
und freiwillige Schüßen würden zuſammen 400,000 Mann aus-
machen, für deren Leiſtungen deutschen Truppen gegenüber wir übri-
gens nicht viel geben, g ar ni ts aber für die Bürgerwehr oder handeln uach der tödtlichen Beleidigung, die ihm durch Gramont's
gewöhnliche Nationalgarde, ein Artikel, in welchem Deuiſchland in
den Jahren 1848 und 1849 Erfahrungen manch’ lächerlicher Art
gemacht hat. Von all’ den Verſtärkungen, die man in Frankreich
noch aufzutreiben im Stande iſt, wenn dazu die Zeit überhaupt noch
ausreichen ſollte, sind daher nur etwa 150,000 Maun der Rede
werth, während andrerſeits die noch zahlreichen Streitkräfte Nord-
î deulſſchlands jett volständig gegen Frantreich verwendbar werden,
ein Marſchall Augerau ihren
K Es sind die Generale Wallenſteins, die
ſeit leßzteres den Plan zu großartigen Lauduugen an der Nordküſte
durch die glänzenden Waffenerfolge der Deutschen auf französiſchem
Boden gänzlich aufgeben muß, um die zur Einſchiffung bestimmten
Truppen zur Verſtartung der Feldarmee und zur Deckung von Paris
zu verwenden. Auch dentt der preußiſche Generalstab nicht entfernt
daran, den Franzoſen zu neuer Concentration und Completirung
ihrer gelichteten Reihen Zeit zu gönnen, J die preußiſche Cavallerie
iſt allenthalben dem Feinde dicht auf den Fersen, und wenn es
nicht jetzt ſchon wieder zur Schlacht gekommen ist, ſo trägt gar viel
das Napoleon günstige furchtbare Regenwetter dazu bei, welches
Zelder und Wege für den Transport der Kanonen und des sonstigen
Materials untauglich macht. Die Heere ſtehen sich indeſſen allem
Anſcheine nach ſo nahe, daß jeden Angenblick wieder der Kampf be-
ginnen und auf der Hochebene von Metz seinem Abſchlusse entgegen-
gebracht werden kann. Gegenüber dieser entſcheidungsvollen Stunde
hat die Frage, ob Straßburg die Thore öffnen wird oder nicht,
eine nur ganz untergeordnete Bedeutung. ~
Was aber Bazaine und Palikao betrifft, in deren Hände ſich
Rapoleon geliefert hat, so iſt es bekannt, daß Ersterer in Mexiko
die größten Gewaltthätigkeiten sich hat zu Schulden kommen laſſen,
und zwar nicht blos gegen die Mexikaner, sondern auch gegen den
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serte. Bazaine hat ſich aus. Mertto, wie behauptet wird, große
Schäte herühergeholt; aber noch mehr hat in diesem Puntte der
General Montauban, jetzt Graf Palikao geleiſtet, der den chineſiſchen
Kaiſerpalaſt zu eigenem Nuy und Frommen in einer Weise plünderte,
daß ſelbſt ganz. Frankreich darüber empört war. Dieſer Mann ijt
von dunkler Herkunft, er ſelbſt ſcheint darüber ü Zweifel; seine
Tapferkeit in Algier brachte ihn in die Höhe, seine Gier nach Geld
und Ländereien wie' ſeine Härte gegen die Soldaten machten ihn
verhaßt. Er iſt ganz der Mann dazu, wenn er die nöthigen
Streitkräfte zur Verfügung hat, die Pariser niederkartätſchen zu
laſſen, wenn diese ſich beigehen laſſen sollten, der Herrſchaft des
Imperators ein Ende machen zu wollen. Aber andrerseits kann
auch Napoleon vor solchen Männern nicht sicher ſein, –ê die Ge-
ſchichte seines Oheims wird ihn lehren, daß die Marſchälle nur seine
Untergebenen ſind, ſo lange das Glück ihm nicht völlig den Rücken
gekehrt hat. Ein Bazaine, ein Palikao sind ebenso fähig, wie einſt
bisherigen Herrn am Rockknopf zu
saſſen und ihm mit drohender Miene
die Abdankung abzutrotzen.
zum Octavio übergehen.
M.
Sonntag den 14. August
1870.
Was endlich die neue franzöſiſche Ministerliſte betrifst, ſo führt
ſie nicht mehr die Namen Ollivier und Gramont. Schon vor Jah-
ren haben einzelne Blätter Herrn Ollivier als einen eitlen Gecken
geſchildert, und als solcher hat er sich denn auch in der Gefahr er-
wiesen. Ein schöner Phraſendrechsler und Experimentirer fehlt es
ihm an eigentlich ſtaatswänniſcher Vegabung und an dem ſittlichen
Ernst, wie er großen Männern an der Spitze großer Staaten eigen
ſein muß. Voll Ueberhebung, Dünkel und Schwathaftigkeit in den
Tagen der Macht hat Ollvier alle Faſſung verloren bei den herein-
brechenden Schickfsalssſchlägen. Rathlos und feig stand er dem
Geſetßgebenden Körper und der Bevölkerung von Paris gegenüber,
~ und für unfähig erklärt, übergab er die Geſchäfte festeren Hän-
den. Der ſquß thuende, parlamentariſch tändelnde Liberalismus ist
beim erſten Sturmeswehen fortgeblaſen, und was Niemand noch vor
kurzem für möglich gehalten hätte, der ſchreckliche, alle Rückfsichten
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die Pariſer eines Tages noch herzlich froh sind, wenn sie die
„Pickelhauben“ und die „Blauen“, wie sie die Preußen und Bayern
nenuen, vor den Thoren trommeln hören! :
Aber auch Gramont iſt fort, ~ und das hat eine große Be-
deutung. Mit Gramont kann nie der König von Preußen unter-
Agent Benedetti zugefügt worden iſt. Gramont iſt zu gleicher Zeit
| aber auch eine ſlehende Bedrohung und Beleidigung aller Monarchen
uud Cabinete Europa's, ~ ſeines Bleibens war also uicht mehr,
uud man hat den geſchmeidigeren Fürſten Latour d’'Auvergne wieder
an die Spite der auswärtigen Linge gestellt. Je feſter man alſo
n ach Innen aufzutreten eniſchloſſen iſt, deſto mehr ſcheint man
zu Unterhandlungen n ach Außen bereit zu ſein, ſobald der nächſte
Schlag einen abermaligen ungünstigen Ausgang für die französischen
Waffen genommen hat. Fürst Latour wird jett namentlich Ruß-
land uud England um Vermittlung anzuflehen und dabei diesen bei-
den Mächten die Gefahren vorzumalen haben, welche aus dem Ein-
zug der Deutſchen in Paris für das Gleichgewicht Europa's erwach-
ſen müßten. Wir machen auf das nuu beginnende diplomatiſche
JIntriguenſpiel im Voraus aufmerkſam, weil wir es für weit gefähr-
licher halten, als die franzöſiſchen Waffen. Wie in den Jahren 1814
und 1815 Rußland die Zerſtückelung und den vollständigen militä-
riſchen Ruin Frankreichs hinderte, ſo könnte jettt wieder ein Gleiches
durch Rußland und das uns ohnehin neidiſche England verſucht
werden. Rußland iſt zwar Preußens Freund, aber mit großer Be-
tonung seiner „eigenen Jutereſſen“, ~ die ruſſiſche Politik iſt von
jeher beiſpiellos falſch gewesen, und es wird daher alle Aufmerksam-
keit daraus zu verwenden sein, daß nicht der giftige Mehlthau der
Diplomatie sich auf die blanken Waffen des deutſchen Heeres lege.
Süddeutſchland.
Karlsruhe, 12. Aug. An 7. d. M., früh 7 Uhr, erſchien die
Großh. Kavallerie-Briga de unter Commando des Generalmajors
Freiherrn v. La Roch e plöglich vor den Thoren Hagenaus.
Es galt, die Feſtung durch einen Handſtreich zu nehmen. Als die
vorgeſchobenen Patrouillen meldeten, daß das Weißenburger Thor
auf sei, ließ General v. La Roche die reitende Balterie auffahren,
und nun ging es vorwärts!
Im Galopp jagte die Brigade durch die Straßen der Stadt,
ſich wenig um die Schüsſe kümmernd, welche aus den Häuſern und
Kasernen auf sie abgefeuert wurden. Die Thore und Kasernen wur-
den besetzt, Hagenau war in einer Viertelſtuude genommen. Es
wurden 103 Gefangene gemacht, darunter 9 Offiziere und gegen
a: 4yelgs. ferner 80 Pferde und eine Menge Waffen und Aus-
rüſtung erbeutet.
Der Verluſt der Brigade war nur : 1 Mann todt, 1 Offizier,
3 Mann und 3 Pferde leicht verwundet.
Gegen Abend langte die Großhzgl. Division in Hagenau an.
Am 8. d. M., Abends 6 Uhr, war die Kavalleriebrigade vor
den Thoren Straßburgs und verſette deſſen Bewohner in nicht
geringen Schreck. ß. 1
Generalmajor Frhr. v. La Roche ritt bis an das Glacis vor
und ließ durch einen Parlamentär, Major v. Amerongen, den Com-
mandanten zur Uebergabe auffordern. Wie vorauszuſehen, wurde