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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1870

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Nr.121-146 (1.September - 30.September)
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und Land Preis : vierteljährl. 40 kr. ohne
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Trägerlohn und Poſtaufschlag.
Inſ.-Geb. 2 kr. die Petitzeile.





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Hz : Telegramme.
Gellin, 12. Sept. An J. Maj. die Königin Auguſta.
Rheims, Ul. Sept., 10 Uhr Abends. Traurige Nachricht aus
La on, wo die Citadelle geſtern nach Capitulation nach Einmarſch
unſerer Truppen in die Luft geſprengt ward. 50 Mann todt und

300 Mobilgarden, viele Verſtummelte. Wilhelm von Meklen-

burg verwundet. Verrath liegt unbedingt vor.

* Elſaß und Lothringen.

Deuiſche demokratiſche Blätter widerſezen sich noch immer der

Einverleibung des Elſaßes und Lothringens in Deutſchland ohne
vorherige Zuſtimmung der Bevölterung. Wir geben gerne zu, daß
eins der natürlichſten Rechte des Volkes die freie Selbſtbeſtimmung
über ſeine Regierung iſt. Aber abgeſehen davon, daß nach einem
furchtbaren Kriege noch kein Sieger zu einem ſolchen Att der Groß-
muth ſich entſchloſſena hat, sprechen ganz überwiegende besondere
Gründe dagegen. Nicht Napoleon allein, sondern auch das franzöſ.
Volk hat den Krieg an Deuiſchland erklärt, darum muß denn auch
das besiegte Volk den ſelbstverſchuldeten Schaden tragen. Das Volk
hat zudem nicht im Mindesten sich gegen den von den franzöſ. Staats-
männern, der franzöſiſchen Preſſe und auf der französſiſchen Redner-
bühne erhobenen Anspruch auf die deutſche Rheingränze losgesagt,
im Gegentheil wurde der gegenwärtige Krieg hauptſächlich deßhalb
populär, weil ihm die Jdee der Croberung und Einverleibung deut-
ſchen Gebietes zu Grunde lag. Süddeutſchland muß vor allem für
die Erweiterung der deutſchen Gränze nach Westen eintreten, denn
gerade durch die Abtrennung von Clſaß und Lothringen lag es
ſchußlos da und mußte seit Ludwig's AIV. Zeiten ſchwer empfin-
den, daß weder eine abſolutistiſche, noch eine republikaniſche Regie-
rung Anstand nahm, Land, Hab und Gut an ſich zu reißen, die
blühendſten Gauen in's tiefste Elend zu versſeßzen. Aber kann man
denn eigentlich von einer „Eroberung“ sprechen, wo es ſich nur
darum handelt, ein mit Gewalt entriſſenes Gut wieder zu gewinnen?
Von Golt und Rechtswegen hat das von uns beanſpruchte Land
zu Deuiſchlaud gehört, deutſche Abſtammung, deutsche Sprache und
Sitten zeugen unwiderſtehlich hiesür. Endlich möchten wir auch noch
auf eine Thatſache aufmertſam machen, die mit der heutigeu Lage
große Aehnlichkeit besitzt. Als mit der Beſiegung Napoleon’s I. das
linksrheiniſche Gebiet von Landau bis Cleve an Deutſchland wieder
zurückgefsallen war, da konnte man deutlich bemerken, daß die Sym-
pathien der dortigen Bevölkerung mehr sranzösiſch als deutsch waren ;
eine freie Abſtimmung wäre ſchwerlich zu Guuſten Deutschlands aus-
gefallen. Selbſt nach der Julirevolution des Jahres 1830 gaben
ſich in dieſer Beziehung vielfache Zeichen kund. Aber man frage
jeßt dieſelbe Bevölkerung, ob sie zu Deutſchland oder Frantreich
gehören wolle und man wird eine einstimmige Antwort zu Gunſten
Deutſchlands erhalten. Und so wollen wir denn auch den wieder-
gewonnenen Brüdern im Elsaß und Lothringen zurufen: in kurzer
Spanne zeit werdet ihr gerade ſo gute Deutſche ſein, als die Rhein-
preußen, Rheinbayern und Rheinhessen.

Deutſchland.

* Heidelberg, 13. Sept. Die Zeitungen zerbrechen sich be-
kanntlich den Kopf, um herauszufinden, mit wem der bald nun in
Aussicht stehende Friede eigenllich geſchloſſen werden ſolle, eine Frage,
die wahrhaftig ſchwieriger iſt als das Bischen Krieg, das jetzt noch
zu führen übrig bleibt. Da bringt nun unter den zahlloſen Gerüchten,
Vermuthungen und angeblich wahrheitsgetreuen Mittheilungen ein
Correſpondent der Neuen Freien Preſſe eine höchſt abenteuerliche
Sensationsnachricht aus Berlin, die gleichwohl, so seltſam und ironisch
sie auch klingt, einige innere Wahrſcheinlichkeit für sich hat. Dar-
nach ſoll der König von Preußen durchaus keine Luſt haben, mit
der Republik, einer Staatsform, die ihm ſtets unausſtehlich war,
Frieden abzuſchließen, und zwar schon deßhalb nicht, weil Niemand
da iſt, an den man sich für die Ausſührung und Dauerhaftigkeit
des Friedens halten könnte.
die französiſche wäre ein von Tag zu Tag unberechenbares Ding;
denn die Gewalthaber sind dort heute große Herren und morgen
vielleicht fortgejagte Lumpen, die nichts haben, wohin sie ihr Haupt
legen. Die Orleans sind am preußiſchen Hofe neuerdings äußerſt
verhaßt durch ihr feindſeliges Benehmen gegen Deutſchland; auch
denken sie jetzt nicht daran, wie wir neulich in diesem Blatte aus-

Mittwoch den 14. September

Ganz natürlich ~ eine Republik wie





1870.

führten, die Erbſchaft des Kaiſerthums in einer solcher Verfaſſung
anzutreten. An die alten Bourbons denkt kein Menſch mehr, ~
ſie sind abgethan ! Was bleibt da alſo anders übrig als Napoleon
wieder anzunehmen? Und in der That, ſo komiſch es auf den er-
ſten Anblick auch ſcheinen möchte, so ſprechen doch jetzt ſchon manche
Anzeichen dafür. Napoleon hätte nach Belgien fliehen können, &
er ergibt sich lieber den Preußen; er hatte noch über 80,000 Mann
zur Verfügung, ~ dieſe gibt man lediglich vom militäriſchen Stand-
punkte aus nicht ſo ohne Weiteces dem Sieger, wenigstens iſt ein
\ o lch es Beiſpiel noch nicht dagewesen; Napoleon, obgleich in Paris
entſezt, wird in Wilhelmshöhe nicht als Gefangener von einiger
Distinction, sondern fortwährend noch als K a iſer behandelt, und
zwar mit einer gewisſen Oſtentation, + wer wollte hierin nicht höchst
bedeutungsvolle Zeichen entdecken? Napoleon klammert ſich, das
beweist seine Hingabe an den Feind, den er ſelbſt ins Land geführt,
zäher als irgend ein anderer franzöſiſcher Monarch an den Thron,
wenn auch nicht für sich, so doch für seine Dynaſtie. Hat er die
Feinde nicht besiegen könuen, so will er sie, die ihn von der Höhe
der kaiſerlichen Stellung hinabgeſtürzt haben, dazu veranlassen , ihm
von neuem zur Heersſchaft zu verhelfen. Dafür wäre ihm offenbar
kein Opfer zu groß, wie denn auch HWiener Blätter aus-
führen, daß für diesen Fall Elſaß und ein Theil von Lothringen
au Deutſchland, und ein Theil Nordfrankreichs an Belgien käme,
während eine Anzahl Kriegsschiffe an die norddeutſche Marine abge-
treten wurden. Indem man Napoleon wieder auf den Thron ſette,
könnte man deu Franzoſen entgegenhalten: Eure Republik repräſen-
tirt nich den Willen des Volkes , sie iſt über Nacht in Paris ein-
geführt worden durch Ueberrumpelung und ohne jede Legitimation
durch den Willen des Volkes; letzteres hat vielmehr erſt vor kurzem
in der eclatanteſten Weiſe dem Kaifer Napoleon ſein Vertrauen
ausgeſprochen, er iſt alſo der Herrſcher und Ihr Franzoſen seid ebenso
ſchuldig wie er, für deſſen Politik Jhr Euch auszuſprechen habt.
Er wird deßhalb wieder eingeſezt, um die Aufrechthaltung des Frie-
dens zu garantiren, was er wohl auch thun wird, da er weiß, daß

wir ihn wieder am Ohr holen würden, wenn er nicht pariren wollte.

So würde Napoleon ein V asall e des Königs von Preußen und
das Wort Bismarck's vor dem Kriege wahr gemacht: „Die Fran-
zoſen müſſen nach dem Kriege Napoleon behalten, – zur Strafe!“
Damals wurde dieſes Wort als ein ironiſcher Scherz aufgefaßt, +
werweiß, ob es jett nicht bittere Wahrheit wird ? Wir sind weit da-
von entfernt zu prophezeien, wir theilen vielmehr nur das mit, was
das Wiener Blatt äußerte und erlaubten uns dabei die Consequenzen
zu ziehen für den Fall, daß die Voraussetzungen jener Mittheilung,
was wir indessen nicht wissen, richtig wären.

[] Mingolsheim, 12. Sept. Ein erfreuliches Reſultat einer
opferfreudigen Vaterlandsliebe iſt auch von drr Gemeinde Mingols-
heim zu berichten. Kaum hatten nämlich die Einwohner durch die
Anregung des Ortsgeiſtlichen Herrn Pfarrer Kuh n und des Herrn
Bürgermeiſters Kaiſer, welcher ſich an die Spitze eines Comités
ſtellte, Kunde von dem Aufruf zur Unterſtißzung der verwundeten
Krieger erhalten, als ſchon Arm wie Reich wetteiferte, das Scherf-
lein zu dieſem edlen patriotiſchen Zwecke beizutragen, woraus die
ansehnliche Summe von 500 fl. baar sich ergab nebſt zwei Kiſten
Leinwand, Hemden, Betttücher und Charpie im Gesamutgewicht von
3 Centnern, wobei für die thätige Leitung bei Bearbeitung des Ver-
bandzeuges der Frau Hauptmann Stroh mayer, derzeit hier
yobnhatt. beſondrer Dank gezollt werden muß. Gott lohne diese
edlen Geber!

Speyer, s. Sept. Im Jahre 1867 erschien zu Berlin eine
anonyme Schrift unter dem Titel: „Betrachtungen über die natür-
liche und künſtliche Vertheidigung Frankreichs im Falle einer deut-
ſchen Jnvaſion“. In dieser Schrift finden sich faſt genau die Be-
wegungen bezeichnet, welche ſeit Beginn des Feldzuges von den drei
deutſchen Armeen gemacht wurden. Sie enthält auch den Plan zum
Angriff auf Paris, das wie ein großes befestigtes Lager behandelt
werden muß. Vor allem wird hervorgehoben, daß es unmöglich sei,
mit dem deutſchen Heere, das in der Stärke von 300,000 Mann
vor Paris angenommen wird, die Stadt wie eine Feſtung nach den
Regeln der Belagerung zu umzingeln, besonders wenn außer der
Garnison noch zu deren Unterſtütung ein, wenn auch ſchwaches fein-
liches Heer im Felde ſtehe. Man müsse daher seine Kräfte auf einen
Punkt vereinigen und die Belagerung von einem Beobachtungsheer
 
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